Vergessene Wurzeln: Die Geschichte des jüdischen Sports in Deutschland
Lorenz PeifferHenry Wahlig
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Bis heute sind die vielfältigen Aktivitäten von Sportlerinnen und Sportlern sowie von Sportfunktionären und Trainern jüdischen Glaubens zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitestgehend unbekannt. Dabei wäre ohne das Engagement jüdischer Pioniere der rasche Aufstieg Deutschlands zu einer führenden Sportnation unmöglich gewesen.
1. Vorbemerkung
In zahlreichen Studien wurden bislang die herausragenden Interner Link: Errungenschaften deutscher Jüdinnen und Juden für die Entwicklung von Wissenschaft, Kunst oder Politik in Deutschland zur Zeit des Interner Link: Kaiserreiches und der Interner Link: Weimarer Republik herausgearbeitet. Diese Untersuchungen konzentrierten sich stark auf die geistesgeschichtlichen Aspekte des Judentums. Allerdings blendeten Historiker lange weitgehend aus, dass Juden auch an der Verbreitung eines Bereichs der Massenkultur in Deutschland in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entscheidend beteiligt waren: So sind die vielfältigen Aktivitäten von Sportlerinnen und Sportlern sowie von Sportfunktionären und Trainern jüdischen Glaubens über viele Jahre hinweg sowohl von der Wissenschaft als auch von der deutschen Sportöffentlichkeit kaum bis gar nicht beachtet worden.
Erst in den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Studien der Geschichte der Juden im deutschen Sport gewidmet. In diesem Beitrag sollen die wichtigsten Erkenntnisse dieser Forschungen thesenartig zusammengefasst werden. Im Mittelpunkt stehen dabei vier zeitliche Epochen, die die Bruchlinien des jüdischen Lebens in Deutschland im 20. Jahrhundert widerspiegeln. So lässt sich die wechselvolle Geschichte der Juden in Deutschland im 20. Jahrhundert wie unter einem Brennglas sehr anschaulich und niederschwellig auf der Ebene des Sports nacherzählen. Zugleich wird aber auch die aktive Rolle des deutschen Sports im Prozess der Entrechtung, Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Sportlerinnen und Sportler nach dem 30. Januar 1933 deutlich.
2. Jüdische Sportlerinnen und Sportler – Pioniere im deutschen Sport
Ohne das Engagement jüdischer Pioniere zu Beginn des letzten Jahrhunderts wäre der rasche Aufstieg Deutschlands zu einer führenden Sportnation unmöglich gewesen. So gehörten zahlreiche Spieler, Trainer und Funktionäre zu den prägenden Persönlichkeiten, die entscheidend an der Gründung und Popularisierung bis heute bekannter Fußballvereine wie Interner Link: Bayern München, Eintracht Frankfurt oder dem Hamburger SV beteiligt waren.
Deutschlands vielleicht wichtigster Fußballpionier überhaupt, der gebürtige Berliner Walther Bensemann, war Jude und u.a. als Gründer und Herausgeber der bis heute bekannten Kicker-Zeitschrift bis 1933 eine führende Persönlichkeit im deutschen Sport. Auch in ländlichen Gebieten gehörten auffällig viele Juden zu den Gründungsvätern der ersten Sportvereine in ihren Regionen.
Die besonderen Leistungen jüdischer Sportlerinnen und Sportler bezogen sich aber nicht nur auf den Fußball. Auch in anderen Sportarten wie Turnen, Leichtathletik, Ringen oder Schach – um nur einige der bis heute wiederentdeckten Biographien wiederzugeben – waren jüdische Athletinnen und Athleten in der nationalen und internationalen Spitze vertreten.
Die besondere Affinität vieler Juden zum Sport kam nicht von ungefähr: Ähnlich wie in anderen damals neuartigen Gebieten der Wissenschaft (z.B. die Entdeckung der modernen Psychologie durch u.a. Sigmund Freund) oder der Musik (z.B. die Erfindung der Interner Link: Zwölftonmusik durch Arnold Schönberg) war der aus England importierte Fußballsport in Deutschland noch nicht durch traditionelle Eliten besetzt und wurde von ihnen sogar zunächst offen abgelehnt. Gerade dies eröffnete Juden ungeahnte Aufstiegsmöglichkeiten. Anders als im traditionell deutschen Turnen, das bis dahin die führende Form körperlicher Betätigung in Deutschland war, konnten Juden im Sport bis in Spitzenpositionen aufsteigen. Auf diese Weise wurde der Sportplatz zu einem Spielfeld, auf dem sich Juden Seite an Seite mit ihren christlichen Nachbarn über den Sport in die örtliche Mehrheitsgesellschaft integrieren konnten und Führungspositionen in Sportvereinen und -verbänden übernahmen.
Im Laufe der Zeit blieb jedoch auch der Sport keine Oase gesellschaftlicher Offenheit. Spätestens seit den 1920er Jahren zeigten sich auch in vielen Sportvereinen versteckte oder ganz offene antisemitische Anfeindungen und Ausgrenzungen, sodass sich in einigen Städten eigene jüdische Sportvereine gründeten. Ihre Zahl blieb aber bis zum Jahr 1933 überschaubar. In der Regel waren die jüdischen Vereine in die allgemeinen deutschen Sportverbände integriert, nahmen an Meisterschaften der Verbände teil und bestritten zumindest regelmäßig auch Freundschaftsspiele gegen ihre nichtjüdischen Nachbarvereine. Anfang der 1930er Jahre war die überwiegende Zahl der Sportlerinnen und Sportler jüdischen Glaubens weiterhin in allgemeinen überkonfessionellen Vereinen engagiert.
Bis 1933 war die deutsche Sportlandschaft durch eine bunte Vielfalt gekennzeichnet. Neben dem bürgerlichen Sport gab es eine große Arbeitersportbewegung, sowie mit der Deutschen Jugendkraft, Eichenkreuz und Interner Link: Makkabi konfessionelle Vereine und Verbände. Ein zentrales und wichtiges Kennzeichen der deutschen Sportbewegung war in dieser Zeit die frei wählbare Mitgliedschaft in den Vereinen.
3. Ausschluss der jüdischen Sportlerinnen und Sportler aus den Vereinen und Verbänden des bürgerlichen Sports
Dieses bislang friedliche Mit- und Gegeneinander im deutschen Sport änderte sich mit dem Interner Link: Machtantritt Adolf Hitlers am 30. Januar 1933. Nur wenige Wochen später begannen Turn- und Sportvereine und ihre Verbände als eine der ersten gesellschaftlichen Gruppen im Land überhaupt – ohne jeden Zwang durch das noch im Aufbau befindliche NS-Regime – mit dem Ausschluss ihrer jüdischen Mitglieder. Eine Vorreiterrolle übernahm hierbei die bereits lange vor 1933 traditionell nationalkonservativ und teilweise bereits völkisch eingestellte Deutsche Turnerschaft (DT). Edmund Neuendorff, seinerzeit an der Spitze der DT, verfügte bereits Mitte April 1933 einen verpflichtenden Arierparagraphen für alle DT-Vereine:
Zitat
Darum haben wir den Arier-Paragraphen angenommen. Er verpflichtet alle Vereine, alle jüdischen Mitglieder aus ihren Reihen auszuscheiden. Mit dieser Ausscheidung ist sofort zu beginnen und sie ist so durchzuführen, daß es zur Zeit des Deutschen Turnfestes in Stuttgart keine jüdischen Turner mehr unter uns gibt. Der Begriff des Juden aber wird nicht durch den Glauben, sondern durch das Blut bestimmt. Jude ist, wer von jüdischen Eltern stammt. Dazu genügt, dass ein Teil der Großeltern jüdischen Blutes ist.
Damit übernahm Neuendorff nicht nur die nationalsozialistische Ideologie eines Arierparagraphen auf rassischer Grundlage. Seine Anordnung, nach der bereits ein jüdischer Großelternteil zum Ausschluss führte, übertraf sogar die späteren Interner Link: Nürnberger Gesetze in ihrer Radikalität.
Da die DT mit nahezu zwei Millionen Mitgliedern in ca. 13.000 Vereinen der zahlenmäßig größte Sportverband Deutschlands und bis in jedes kleine Dorf hinein präsent war, kann die gesamtgesellschaftliche Strahlkraft dieses Ausschlusses kaum überschätzt werden. Sie ging weit über einen rein sportlichen Rahmen hinaus. Der Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus den Sportvereinen war für viele Deutsche jüdischen Glaubens nach Hitlers Machtantritt die erste konkrete antisemitische Maßnahme, die sie abseits der hohen Politik in ihrem Alltag unmittelbar zu spüren bekamen. Im Sportverein wurde für viele der damals rund 6,5 Millionen deutschen Sportlerinnen und Sportler erstmals konkret sichtbar, welche Menschen fortan nicht mehr zu ihrer Gemeinschaft gehören würden. Das häufig rücksichtslose Verhalten der Sportorganisationen gegenüber ihren jüdischen Mitgliedern trug damit in einem nicht unwesentlichen Maße dazu bei, dass sich rassistische Prinzipien frühzeitig an der Basis der deutschen Gesellschaft etablieren konnten. Der deutsche Sport war damit einer der Wegbereiter der "Arisierung" der deutschen Gesellschaft.
Andere Verbände wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verzichteten in dieser Phase auf einen verpflichtenden Arierparagraphen, der alle Mitgliedsvereine zum Ausschluss seiner Juden zwang. Hier waren es die Vereine selbst, die die Initiative zur Verdrängung der Juden übernahmen. So erklärten 13 führende Vereine Süddeutschlands in einer gemeinsamen Verlautbarung am 9. April 1933, die NS-Regierung "freudig und entschieden (…) mit allen Kräften (…) insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen" zu unterstützen.
Die konkrete Umsetzung dieser Absichtserklärung in den Vereinen variierte: Während der 1. FC Nürnberg alle jüdischen Mitglieder nur wenige Wochen später schriftlich über ihren bereits vom Vorstand beschlossenen Ausschluss informierte, verzichtete die Fußballabteilung von Eintracht Frankfurt auf die Anwendung entsprechender Maßnahmen und nahm der Erinnerung einer Zeitzeugin zufolge sogar 1935 noch stillschweigend einen Spieler jüdischer Herkunft auf, der nirgendwo anders mehr spielen durfte. Insgesamt waren solche mutigen Entscheidungen jedoch eine seltene Ausnahme, zeigen aber, welche grundsätzlichen Handlungsspielräume die Sportvereine zu diesem Zeitpunkt noch besaßen. So ist mit Blick auf die verfügbaren Zahlen davon auszugehen, dass die überwiegende Zahl der deutschen Juden bereits im Laufe des Jahres 1933 aus ihren bisherigen Vereinen ausgeschlossen wurde.
4. Selbstorganisation des jüdischen Sports im Schatten der Verfolgung im NS-Staat
Welche Zukunft hatten die vielen tausend jüdischen Athletinnen und Athleten, Trainer und Funktionäre, die über Nacht nicht nur ihre bisherige sportliche Heimat, sondern auch einen wichtigen Teil ihres sozialen Umfeldes verloren hatten? An dieser Stelle ist auf die Interner Link: Olympischen Spiele 1936 in Berlin hinzuweisen, die das NS-Regime nach anfänglicher Skepsis als einzigartige Propagandamöglichkeit erkannte und in seiner Bedeutung entsprechend hoch gewichtete. Nur vor diesem Hintergrund sind die besonderen Bestimmungen zu erklären, die Juden gerade im Bereich des Sports ab 1933 noch gewisse Rechte zuerkannten. Diese Zugeständnisse gingen jedoch immer nur gerade so weit, um dem Ausland – allen voran den USA, in der eine starke Fraktion einen Boykott der Spiele wegen der NS-Judenpolitik einforderte – vermeintlich gleiche Mitwirkungsmöglichkeiten für Juden im deutschen Sport vorzugaukeln. So genehmigte der von Hitler im Juli 1933 zum Reichssportführer ernannte Hans von Tschammer und Osten in offiziellen Anordnungen vom 23. November 1933 und 18. Juli 1934 die Gründung eigener jüdischer Sportverbände und -vereine, denen vor Ort sogar die Nutzung öffentlicher Sportplätze zugestanden wurde. Faktisch befanden sich diese Plätze jedoch meist weit außen an der Peripherie der Städte. Die Kommunalverwaltungen achteten peinlich genau darauf, dass es zu möglichst keinen Berührungspunkten zwischen jüdischen und "arischen" Sportlerinnen und Sportlern kam.
Innerhalb des jüdischen Lebens entfalteten diese Sportvereine in den kommenden Jahren jedoch eine ausgesprochene Anziehungskraft und Vitalität und wurden zu einem wichtigen Faktor im jüdischen Alltagsleben. Dabei standen sich zwei unterschiedliche Verbände gegenüber, die die allgemeine Zerrissenheit des jüdischen Lebens in Deutschland in dieser Zeit widerspiegelten: Auf der einen Seite stand der bereits 1921 gegründete Deutsche Makkabikreis, der zionistische Ziele verfolgte und junge Menschen über den Sport auf ein Leben im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina, dem späteren Israel, vorbereiten wollte. Demgegenüber stand der Sportbund Schild im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten – eine Veteranenorganisation jüdischer Soldaten des Ersten Weltkriegs. Sie fühlten sich auch unter der Herrschaft Adolf Hitlers so fest mit ihrem deutschen Vaterland verbunden, dass sie über sportliche Leistungen auf den Abbau antisemitischer Vorurteile und ihre eigene Re-Integration in den allgemeinen deutschen Sport hinarbeiten wollten.
Beiden Gruppierungen gehörten Mitte der 1930er Jahre jeweils gut 20.000 Mitglieder an. Damit zählte der Sport zu den zahlenmäßig größten Gruppen im damaligen jüdischen Leben. Insgesamt waren in den Jahren 1935 und 1936 mehr als 300 jüdische Sportgruppen aktiv. In großen Städten wie Berlin oder Frankfurt existierten Großvereine mit über 20 Abteilungen, die ihren Mitgliedern eine breit aufgefächerte Sportauswahl anboten. In kleinen Landgemeinden wie dem niedersächsischen Twistringen wiederum kamen Jugendliche an jedem Wochenende aus einem Umkreis von rund 50 Kilometern zusammen, um miteinander Fußball spielen zu können.
In einer Zeit immer massiverer äußerer Verfolgung fanden Juden auf dem Sportplatz unter ihren Glaubensgenossen einige Stunden der Ablenkung. Ganz zu schweigen davon, dass die hier zu sehenden Körper durchtrainierter und fitter junger Jüdinnen und Juden so gar nicht dem von der NS-Rassenideologie postulierten Bild des körperlich degenerierten und minderwertigen Juden entsprachen.
Zur großen jüdischen Hoffnung avancierte in dieser Zeit vor allem die Hochspringerin Gretel Bergmann. Sie wurde aufgrund ihrer außerordentlichen sportlichen Leistungen im Sommer 1936 in den Kader der deutschen Olympia-Mannschaft berufen, jedoch unter fadenscheinigen Gründen genau an dem Tag vom Turnier ausgeladen, als sich das Schiff mit den US-amerikanischen Sportlern auf den Weg nach Europa gemacht hatte.
Gretel Bergmann war nach der Rassentheorie der Nationalsozialisten eine sogenannte Volljüdin. Ihre Einladung zur Teilnahme an den Olympiavorbereitungslehrgängen diente lediglich dazu, die internationale Sportgemeinschaft zu täuschen. Der Historiker Moshe Zimmermann betont, dass Bergmann im Kampf der jüdischen Bevölkerung um ihre Selbstbehauptung im NS-Staat eine ebenso große Rolle spielte wie Interner Link: Albert Einstein.
Mit dem Ende der Olympischen Spiele endete auch die Schonfrist für den jüdischen Sport in Deutschland. Ähnlich wie in anderen Lebensbereichen wurden nun auch Sportvereine immer häufiger Opfer willkürlicher Schikanen der NS-Behörden. In den meisten Fällen wurde den Klubs die Nutzung öffentlicher Sportplätze entzogen, sodass sie improvisieren mussten und sogar frühere Synagogen zu Turnhallen umfunktionierten (etwa in Hannover). Darüber hinaus wirkte sich auch die immer höhere Zahl an Flüchtlingen auf die Existenzbedingungen der Vereine aus. Alleine in der westdeutschen Schild-Fußballliga ging die Zahl der teilnehmenden Mannschaften bis Mitte 1937 von einst 52 Mannschaften auf nur noch 13 zurück.
Die Interner Link: Pogrome des 9. November 1938 bedeuteten schließlich das Ende der selbstorganisierten jüdischen Sportbewegung in Deutschland. Die Vorsitzenden der noch verbliebenen Vereine wurden in den folgenden Monaten zur Selbstauflösung gezwungen.
Trotz der massiven Entrechtung und Verfolgung wurde auch in der Folgezeit in jüdischen Gemeinden ein Sportbetrieb quasi im Geheimen aufrechterhalten. Bis zu ihrer Interner Link: Deportation in die Konzentrationslager und Ghettos organisierten die Synagogengemeinden unter Aufbringung größter Mühen die Fortsetzung sportlicher Aktivitäten vor allem für junge Juden. So plante der Direktor der Talmud-Tora-Schule im Frühjahr 1942 nach der Besetzung seines Schulgebäudes und dem amtlichen Verbot für Juden zum Betreten des Waldes, den Turnunterricht in der Leichenhalle (!) des jüdischen Friedhofes fortzusetzen. Sport gewann im Leben der verfolgten Juden nun eine ganz elementare Bedeutung, in der Hoffnung, es möge das physische und psychische Rüstzeug geben, um in dem nackten Kampf um das Überleben zu bestehen.
Auch in einigen Konzentrationslagern existierte eine besondere Form des "Sport-Machens" für die jüdischen Insassen. Dies geschah jedoch nur durch äußeren Zwang der Aufseher und umfasste keinerlei Elemente des selbstorganisierten Sports mehr, sieht man einmal ab von Fußballspielen, die in einigen Konzentrationslagern von den Nationalsozialisten zugelassen wurden.
5. Jüdischer Sport nach 1945 und Erinnerungskultur im deutschen Sport
Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatten rund 50.000 Jüdinnen und Juden den Holocaust in Konzentrationslagern auf deutschem Boden überlebt. Nach ihrer Befreiung durch die alliierten Streitkräfte schlossen sie sich zumeist sogenannten Interner Link: Displaced Persons-Camps an, in denen es auch vorübergehend zur Durchführung sportlicher Wettkämpfe kam. Es sollte jedoch 20 Jahre dauern, bis sich 1965 mit Makkabi Deutschland erstmals wieder ein Dachverband der damals noch sehr wenigen jüdischen Sportvereine in Deutschland konstituierte. Die Gründung dieses Verbandes stieß dabei in der Zentrale der Maccabi World Union, die 1933 aus Berlin fliehen musste und mittlerweile in Tel Aviv residierte, zunächst auf große Vorbehalte. Die Gründung eines Sportverbandes symbolisierte für sie die dauerhafte Wiederherstellung jüdischen Lebens in Deutschland, woran man in Israel so kurz nach Kriegsende noch nicht glauben wollte.
Heute hat Makkabi Deutschland 43 Vereine und 3.000 Mitglieder und ist fester Bestandteil des deutschen Sportsystems. Mit den Interner Link: Maccabi Games 2015 auf dem Olympiagelände in Berlin schloss sich ein Kreis, als die European Maccabi Games erstmals in Deutschland stattfanden. Der Verband und die Makkabivereine leisten heute eine wichtige Arbeit zur Sichtbarkeit jüdischen Lebens und zum Abbau antisemitischer Vorurteile. Makkabi Deutschland wurde für seine Arbeit 2022 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille, der höchsten Auszeichnung im christlich-jüdischen Dialog, ausgezeichnet. Dass die Erinnerung an ehemalige jüdische Sportlerinnen und Sportler aber aus dem kollektiven deutschen Sportgedächtnis gelöscht wurde, bedarf auch heute noch einer weiteren Aufarbeitung. Jüdische Sportlerinnen und Sportler waren nicht nur physisch verfolgt, sondern ihre Existenz und ihre Leistungen auch aus der deutschen Sportgeschichte getilgt worden. Ihre Namen wurden aus Rekordlisten gelöscht oder ihre Konterfeis aus Mannschaftsbildern nachträglich entfernt.
Erst vor rund 10 bis 15 Jahren begannen einzelne Lokalforscher, häufig auch engagierte Fangruppen, verstärkt damit, die vergessenen Geschichten und Lebenswege ehemaliger jüdischer Mitglieder in ihren eigenen Klubs aufzuarbeiten. Hunderte Biographien sind seitdem wieder entdeckt worden, zahllose sind aber bis heute immer noch unentdeckt.
Dies gilt insbesondere für Athletinnen und Athleten, Funktionäre und Trainer in den vielen anderen Sportarten abseits des Fußballs, die mit Ausnahme des Deutschen Turner-Bundes ihre Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus bis heute noch nicht kritisch aufgearbeitet haben. Für die historische Forschung, die Verbände selbst, aber auch für jeden engagierten Fan bleiben dies wichtige Aufgaben, die in der Zukunft angegangen werden sollten.
Dr. Lorenz Peiffer war bis 2015 Universitätsprofessor am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz-Universität Hannover. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Geschichte des Sports im Nationalsozialismus sowie Deutsch-jüdischer Sport in den 1920er und 1930er Jahren. Er ist geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift „SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft“.
Dr. Henry Wahlig, promovierter Sporthistoriker, verantwortet seit Oktober 2015 als Veranstaltungsmanager das Kultur- und Veranstaltungsprogramm des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund. Zu seinen Veröffentlichung zählen u.a. „Juden im Sport während des Nationalsozialismus. Ein historisches Handbuch für Niedersachsen und Bremen“ sowie „Sport im Abseits. Die Geschichte der jüdischen Sportbewegung im nationalsozialistischen Deutschland“.
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