Konflikte zwischen verschiedenen Generationen entwickelten sich in der modernen jüdischen Geschichte immer wieder. Jedes Mal ging es letztlich darum, wie verschiedene Alterskohorten von Juden und Jüdinnen das Verhältnis zur nichtjüdischen Umwelt gestalten und wie sie ihre Beziehung zur jüdischen Tradition verstehen wollten.
19. Jahrhundert
Im Zuge der allgemeinen sowie der jüdischen Aufklärung (der Haskala mit
Die Gründung des Vereins war eine direkte Antwort auf die "Hep!-Hep!"-Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung, zu denen es im Spätsommer des Jahres 1819 in rund dreißig, vorwiegend süddeutschen Städten gekommen war. Die pogromartigen Ausschreitungen dauerten mehrere Monate an und richteten sich vor allem gegen die zunehmenden Freiheiten und die Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung infolge der
Der Verein war allerdings nicht nur theoretisch ausgerichtet, sondern übernahm mit der Errichtung einer "Unterrichtsanstalt" auch eine bildungspraktische und erzieherische Initiative. Hier sollte armen jungen Juden aus Osteuropa, die in Berlin eine bessere Zukunft suchten, kostenlos Unterricht erteilt werden. Sie wurden in den Fächern der klassischen Bildung, Deutsch und andere moderne Sprachen, Geschichte und Geografie unterrichtet – aber nicht in der jüdischen Religion.
Zeitgenössische jüdische Kritiker warfen dem Verein vor, durch ihren Versuch, das Judentum an die europäische Kultur heranzuführen, zu seiner Selbstzerstörung beigetragen zu haben. Einige spätere, zionistische Kritiker beschuldigten die Gründungsmitglieder sogar, "Erstlinge der Entjudung" gewesen zu sein. Schließlich wurde aber ihr Mut gewürdigt sowie die Notwendigkeit, in einer christlichen, tendenziell judenfeindlichen Umgebung, ihre jüdische Identität selbstbewusst zu zeigen und voranzutreiben.
Anfang 20. Jahrhundert
100 Jahre später entstand die bürgerliche Jugendbewegung, die sich allgemein gegen die Zumutungen der Moderne, vor allem aber ihrer eigenen Elternhäuser wandte, gegen ein starres Erziehungssystem und vorbestimmte Lebenswege. "Zurück zur Natur" galt als Motto, und die Jugendlichen übten sich auf ihren Wanderungen im gemeinschaftlichen Leben, Singen und Debattieren. Allerdings war die Jugendbewegung insgesamt ein komplexes Phänomen, in dem Juden und Jüdinnen auch mit antisemitischen Ausgrenzungstendenzen zu kämpfen hatten. Aus diesem Grunde bildeten sich schon vor dem
Für jüdische Jugendliche hatte der heraufbeschworene Generationskonflikt noch eine zusätzliche Bedeutung, denn die Abgrenzung zur Generation der jüdischen Väter und Mütter ließ sich so besonders gut betonen. Die Eltern erschienen dabei zwar als eine politisch liberale, aufstiegs- und wirtschaftsorientierte, aber auch religiös desinteressierte Generation, die trotz aller Früchte von
Andere Jugendliche blieben weiterhin den wenigen, nicht antisemitischen gemischten Gruppen verbunden, wie z.B. der Jugendkulturbewegung, die vor allem für junge Juden – meist um 1890 geboren, aus bürgerlichem Hause stammend – attraktiv war: Vor dem Ersten Weltkrieg soll ein Drittel der Mitwirkenden jüdisch gewesen sein. Unter ihnen waren besonders Intellektuelle wie Siegfried Bernfeld (1892–1953), Otto Fenichel (1897–1946) oder Walter Benjamin (1892–1940). Die jungen Juden und Jüdinnen waren von den neuen Idealen der Jugendlichkeit, Gemeinschaft, Natürlichkeit und des Jugendprotestes begeistert, welche die Jugendbewegungen vor dem Ersten Weltkrieg boten.
Wichtige Bestandteile dieser neuen Bewegung waren zudem ein anderes Geschlechterverhältnis und eine andere Sichtweise auf Sexualität gegenüber der stärkeren Prüderie der Wandervogelbewegung, obgleich die jungen Männer allerorten den Ton vorgaben. Die Jugendlichen selbst, wie auch die sie argwöhnisch beobachtende Gesellschaft, verstanden die gesamte Bewegung als politischen Protest. In deutschen Parlamenten wurde – so etwa im April 1914 im Preußischen Abgeordnetenhaus – mit großer Sorge über die angebliche Zügellosigkeit der Jugend und den sich anbahnenden Generationskonflikt debattiert. Zentraler Konfliktstoff war dabei ein anderes, engeres Verhältnis zwischen den Geschlechtern, was sich in den Jugendbewegungen aber viel weniger dramatisch ausnahm, als dies in den gesellschaftlichen Fantasien unterstellt wurde. Beängstigend wirkte insbesondere der neue Umgang mit Körperlichkeit und Sexualität.
In den 1920er Jahren wurden diese radikalen Aufbrüche nach und nach von der Jugendpflege der Gemeinden eingehegt. Zugleich fächerte sich die jüdische Jugendbewegung immer weiter auf, ihr Spektrum reichte von radikal kommunistisch bis religiös-orthodox, von zionistisch bis deutschnational und imitierte damit letztlich die politischen Positionierungen der Erwachsenenwelt. So ist es auch kein Zufall, dass gerade die jungen
Gegenwart
Auch nach dem Holocaust blieben Generationskonflikte innerhalb der viel kleineren jüdischen Gemeinschaft der Bundesrepublik virulent. Einige Vertreter und Vertreterinnen einer jungen Generation wie Micha Brumlik (geb. 1947), Daniel Cohn-Bendit (geb. 1945), Dan Diner (geb. 1946) oder Cilly Kugelmann (geb. 1947) engagierten sich nicht nur in der linken Protestbewegung der 1960er und 1970er Jahre, sondern begehrten auch gegen die verkrusteten Strukturen in den jüdischen Gemeinden auf. In diesem Umfeld und mit diesem Profil entstand der Bundesverband Jüdischer Studenten in Deutschland (BJSD). Zentrale Bruchstellen zwischen den Generationen waren dabei insbesondere die Frage der "Mischehe" und die Beziehungen zu Israel. Da die Kontakte mit der nichtjüdischen Umwelt gerade bei den Jüngeren zugenommen hatten und der Heiratsmarkt unter Jüdinnen und Juden in Deutschland begrenzt war, stellte sich die Frage der "Mischehen" erneut, denn diese veränderten die Struktur der jüdischen Gemeinden. Nach dem jüdischen Gesetz sind nämlich allein Kinder einer jüdischen Mutter auch jüdisch und können nur dann auch Mitglieder einer traditionellen jüdischen Gemeinde sein; aus diesem Grund gibt es heute in Deutschland neben den Einheitsgemeinden auch liberale Gemeinden, in denen auch Personen Mitglieder sein können, die nur einen jüdischen Vater, aber keine jüdische Mutter haben.
Und auch in der Gegenwart drücken sich immer wieder Konflikte aus, bei denen sich eine junge jüdische Generation gegen die (aus ihrer Sicht) erstarrten Strukturen in den jüdischen Gemeinden protestiert und die Diskurse über jüdische Identitäten vorantreibt und damit sichtbarer macht, wie vielstimmig und vielfältig jüdisches Leben in Deutschland ist. Ablesbar ist ein solches Generationsbewusstsein in entstehenden oder sich weiter etablierenden