Jüdisch-muslimische Dialog- und Begegnungsformate gelten gemeinhin als der Funke Hoffnung im verfahrenen Nahost-Konflikt – insbesondere immer dann, wenn die Auseinandersetzung zwischen Israel und Palästina eskaliert. So ist es in den vergangenen Jahren immer wieder zu antisemitischen Protesten vor deutschen Synagogen gekommen, sobald es in Nahost kriegerische Handlungen gegeben hat. Gerade die letzte Externer Link: Eskalation im Mai 2021 hat erneut gezeigt, wie tief die Gräben zwischen der jüdischen und der muslimischen Community auch hierzulande sind. Ein Blick in die sozialen Medien reicht, um die divergierenden Wahrnehmungen zu beobachten: In muslimisch-migrantischen Milieus überwogen die Bilder von blutenden Kindern in Gaza, Landkarten ohne den Staat Israel und der Aufruf zur Rettung der Al-Aqsa-Moschee. In der jüdisch-israelisch geprägten Timeline sah man zerstörte Wohnhäuser in Tel Aviv, Solidaritätsbekundungen mit dem israelischen Militär und Aufrufe, den Tempelberg von Muslimen zu befreien. Vertretungsorgane beider Religionsgemeinschaften hierzulande folgten ihrerseits wiederum groben Vereinfachungen und reagierten mit reflexhafter Parteinahme. Der Koordinierungsrat der Muslime erklärte die Israelis kurzerhand zu den Schuldigen für die Eskalation, während der
Für einen erfolgreichen jüdisch-muslimischen Dialog bedarf es zunächst eines Blickes auf dessen Rahmenbedingungen: Beide Religionsgemeinschaften gehören zwar zu religiösen Minderheiten in Deutschland – jedoch sind Muslime die größte und Juden eine der kleinsten Minderheitsgruppen. Es leben schätzungsweise 225.000 Juden und Jüdinnen und 5,3 Millionen Musliminnen und Muslime in Deutschland.
Trotz dieser herausfordernden Voraussetzungen sind in den vergangenen Jahren mehrere Dialog- und Kooperationsformate entstanden. Beispielsweise der seit 2014 existierende Jüdisch-Muslimische Gesprächskreis der Blumenthal Akademie des Jüdischen Museums Berlin, in dem sich Juden und Muslime aus Wissenschaft, Kultur und Politik für eine stärkere Vernetzung regelmäßig treffen. Anfang 2019 gründeten zwei Begabtenförderwerke – das jüdische Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) und das muslimische Avicenna-Studienwerk – den jüdisch-muslimischen Thinkthank Karov-Qareeb, in dem junge Juden und Muslime zusammenarbeiten, ihre Lebensrealitäten erkunden und gemeinsames Empowerment ermöglichen. Diese beiden Beispiele für institutionalisierte Formate sind aufgrund ihrer regelmäßigen Zusammenkünfte nachhaltig. Ein weiteres Format ist das im Jahr 2019 von der Bundesregierung initiierte Projekt Schalom-Aleikum. Der erklärte eigene Anspruch, jüdisch-muslimischen Dialog auf Augenhöhe zu schaffen, steht hier leider im Widerspruch zur Struktur des Projektes: denn die Planung und Durchführung liegt alleine auf der Seite des Zentralrats der Juden, ohne Beteiligung eines muslimischen Partners. Verständlicherweise entstehen so auf der "anderen" Seite Skepsis und Irritationen.
Neben Bildungsformaten werden Aktionen inszeniert, die insbesondere mediale Aufmerksamkeit erregen sollen. Dazu zählen die Fahrradtandem-Tour 2018 durch Berlin mit Rabbinern und Imamen, das Fußballspiel in Düsseldorf 2018 mit muslimischen und jüdischen Geistlichen und das Kochduell 2021 in Wien mit einem Imam, Rabbi und Pfarrer. Diese Aktionen sind eher Medien-Events, aus pädagogischer Perspektive haben sie weniger Bedeutung. Ein tatsächliches Kennenlernen, um eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen zu können, findet nicht statt. So kann der Wunsch nach Allianzen mit einmaligen und kulturalisierenden Aktionen auch mal am Ziel vorbeigehen. Anstatt über Reibungspunkte zu sprechen, verweilt man gerne in der Komfortzone. Fraglich bleibt, welchen Einfluss solche Aktionen auf das tägliche Miteinander von Juden und Muslimen haben sollen. Wenn die Auseinandersetzung mit den wirklich unbequemen Fragen dabei vermieden wird, bleibt der Dialog auf einer oberflächlichen Ebene.
Dabei gibt es genügend Gründe für die Thematisierung umstrittener Themen, auch abseits vom Nahostkonflikt, denn Vorurteile hegen beide Gruppen: Während antisemitische Stereotype und Vorurteile in der muslimischen Community öffentlich wiederkehrend thematisiert werden, bleiben antimuslimische Ressentiments in der jüdischen Community in der Regel unbeleuchtet. Die einen gelten als rückständig und im Zweifel als Terroristen, die anderen als reich und Drahtzieher hinter allem Übel in der Welt. In einer bisher unveröffentlichten Studie gaben knapp die Hälfte der befragten Juden an, Muslimen gegenüber misstrauisch zu sein, fast zwei Drittel empfindet Muslime als bedrohlich und ein Drittel hätte ungern Muslime als Nachbarn. Und andersherum? Laut einer Studie der Anti-Defamation League 2019 glauben 57 Prozent der Muslime, dass Juden zu viel Macht im internationalen Finanzwesen hätten; und fast 40 Prozent machen Juden für alle Kriege auf der Welt verantwortlich.
Um der herrschenden sozialen Distanz entgegenzuwirken, braucht es neben speziellen Begegnungsprojekten vor allem Begegnungen im Alltag. Etwa in der Schule oder in Sportvereinen. Beim deutsch-jüdischen
In Zeiten, in denen religiöse und andere Minderheiten Ziel von rechten Angriffen sind, erhält der Zusammenhalt von Juden und Muslimen eine besondere gesellschaftliche Relevanz. Spätestens seit der