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Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland | Jüdisches Leben in Deutschland – Vergangenheit und Gegenwart | bpb.de

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Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland

Aron Schuster

/ 5 Minuten zu lesen

Das jüdische Prinzip der Wohltätigkeit ist eines der wichtigsten Gebote des jüdischen Religionsgesetzes. Zur Kernaufgabe des ZWST – sozialer Dachverband von 104 jüdischen Gemeinden in Deutschland – gehört daher die Stärkung der Teilhabe für schwache und marginalisierte Gruppen.

ZWST-Logo (© Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V.)

Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) ist der soziale Dachverband von 104 jüdischen Gemeinden in Deutschland. In dieser Funktion dient sie ihren Mitgliedsverbänden als sozialpolitische Interessensvertretung nach außen und als Sozialdienstleisterin in den Gemeinden. Aufgrund der historischen und demografischen Gegebenheiten der jüdischen Gemeinden in Deutschland stellt die ZWST ihre Dienste Mitgliedern auch direkt zur Verfügung. Damit ergänzt sie das Angebot jüdischer Gemeinden, die aufgrund kleiner Mitgliederzahlen und begrenzter Ressourcen keine flächendeckende Sozialdienstleistung gewährleisten können. Somit unterscheidet sich die ZWST in ihrem operativen Tätigkeitsfeld maßgeblich von den anderen fünf Interner Link: Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege (Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, Der Paritätische Gesamtverband). Die Strukturen der Freien Wohlfahrtspflege, wie wir sie heute in Deutschland kennen, sind nicht ohne die ZWST zu denken. So hat die ZWST bereits in der Weimarer Republik als Mitglied der Liga der Freien Wohlfahrtspflege aktiv das Wohlfahrtssystem mitgestaltet.

Ihre Geschichte ist trotz historischer Brüche von thematischen Kontinuitäten geprägt. Dabei ist der Verband heute in Deutschland eine der wenigen jüdischen Dachorganisationen, die ihre Vorkriegsstrukturen in angepasster Form wieder aufgreifen konnte. Zur Kernaufgabe der ZWST gehört die Stärkung der Teilhabe sowie das Empowerment für schwache und marginalisierte Gruppen.

Leitbild

Der hebräische Begriff Zedaka, der das jüdische Prinzip der Wohltätigkeit beschreibt, ist eines der wichtigsten Gebote des jüdischen Religionsgesetzes. Dieses Gebot als Basis der jüdischen Sozialarbeit orientiert sich am Verständnis einer Wohltätigkeit, die nicht durch die Güte und individuelle Einstellung der Gebenden bestimmt wird, sondern an einer Gerechtigkeitsordnung ausgerichtet ist. Bis heute gelten diese allgemeinen Regeln der Zedaka als Grundlage der jüdischen Wohltätigkeit: Die niedrigste Stufe der Zedaka ist die Gewährung eines Almosens und die höchste, den Verarmten in die Lage zu versetzen, von Hilfe unabhängig zu werden. Schon hier ist das moderne Fürsorgeprinzip der Hilfe zur Selbsthilfe zu erkennen: anderen dazu zu verhelfen, aus eigener Kraft für sich selbst sorgen zu können. Seit über 100 Jahren trägt dieses Leitbild die vielfältigen Handlungsfelder der ZWST.

Brüche und Kontinuitäten

Der Verband wurde 1917 als "Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden“ ins Leben gerufen, um die fragmentierte jüdische Wohlfahrtspflege in Deutschland zentralisiert zu organisieren und zu koordinieren. Sie machte es sich zur Aufgabe, jüdische Sozialfürsorge einerseits am jüdischen Verständnis der Wohltätigkeit auszurichten und gleichzeitig den modernen deutschen Wohlfahrtsstaat der Weimarer Republik aktiv mitzugestalten.

Unter der Interner Link: nationalsozialistischen Herrschaft wurde die ZWST 1939 zwangsweise aufgelöst. Mitarbeitende und Engagierte der ZWST versuchten – angesichts der Vertreibung und millionenfachen Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten – das Leid der verbleibenden Jüdinnen und Juden dennoch bis zuletzt zu lindern. 1943 wurden die letzten Mitarbeitenden der ZWST in Konzentrationslager deportiert. Nach dem Krieg wurde im Jahre 1951 der Verband unter seinem heutigen Namen wiedergegründet, in erster Linie, um die Not der Überlebenden des Holocausts zu lindern. Die ZWST wurde im weiteren Verlauf wieder in Gremien der Wohlfahrtspflege aufgenommen und konnte maßgeblich dazu beitragen, Sozial- und Fürsorgestrukturen in den sich wieder gründenden jüdischen Gemeinden zu implementieren.

Migration als roter Faden

Das Thema Migration prägt die Arbeit der ZWST seit ihrer Gründung. Die Interner Link: jüngste Migrationsgeschichte der jüdischen Gemeinschaft reiht sich in die Brüche und Kontinuitäten der ZWST und somit in die Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland ein. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde 1991 der Beschluss durch die erste gesamtdeutsche Ministerpräsidentenkonferenz gefasst, jüdische Menschen aus der ehemaligen UDSSR als sogenannte Kontingentflüchtlinge in die Interner Link: wiedervereinigte Bundesrepublik aufzunehmen und damit ein Zeichen für die Stärkung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland nach der Shoah zu setzen. Die jüdischen Gemeinden und ihre Dachorganisationen waren vor eine scheinbar unlösbare Aufgabe gestellt: Den Zugewanderten, die die Gemeinschaft zahlenmäßig vervielfachten, einen Zugang in die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu bieten, Strukturen sozialer Absicherung zu schaffen und Integration zu gewährleisten. Diese Aufgaben wurden in den vergangenen 30 Jahren zum Kerngeschäft der ZWST.

Gewachsene Struktur

Mit den integrativen Aufgabenstellungen hat sich auch der Stab der Mitarbeiter:innen vergrößert und laufend professionalisiert. Heute gehören über 100 Mitarbeiter:innen zum festen Stab des Wohlfahrtsverbandes, darunter in der Hauptgeschäftsstelle in Frankfurt am Main, im Berliner Büro, im Kompetenzzentrum für Empowerment und Prävention, in den Bildungsstätten in Bad Kissingen und Bad Sobernheim, in den Zweigstellen in den östlichen Bundesländern und den Migrationsberatungsstellen. Hinzu kommen zahlreiche ehrenamtlich Aktive im Bereich der Sozial- und Jugendarbeit.

Jugendarbeit als Inkubator für jüdisches Leben in Deutschland

Für alle Geschäftsführer spielte die Jugendarbeit der ZWST eine essenzielle Rolle in der Zukunftsgestaltung jüdischen Lebens in Deutschland. Damit setzte sie auch ein Zeichen: denn in die heranwachsende Generation zu investieren, bedeutete gleichzeitig die Errichtung eines neuen Fundaments für eine jüdische Gemeinschaft im Nachkriegsdeutschland. Neben pädagogischen Fortbildungen für den formellen Bildungskontext bleibt die offene Jugendarbeit ein zentrales Kerngeschäft der ZWST. Die von der ZWST angebotenen Ferienfreizeiten (hebräisch: "Machane“) sind dabei die zentrale Plattform, um Kinder und Jugendliche aus den jüdischen Gemeinden Deutschlands miteinander zu vernetzen und den Nachwuchs zu fördern.

Gesamtgesellschaftliche Relevanz

Bis heute ist die ZWST ihrem Leitbild der Zedaka treu geblieben. Während sie ihre Tätigkeitsfelder an die sich verändernden Bedarfe der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland wie Flucht, vorübergehende Zwischenstation bis hin zur dauerhaften Integration verschiedenster Zuwanderergruppen stets anpasste, bleibt die Organisation insbesondere für die jüdischen Gemeinden und ihre vulnerablen Gruppen eine Konstante. Alle sozialen Maßnahmen der ZWST zur Unterstützung der jüdischen Gemeinden und ihrer Mitglieder basieren auf dem Prinzip der Zedaka, entsprechend der sozialarbeiterischen Handlungsmaxime "Hilfe zur Selbsthilfe“. Dabei werden aktuelle Herausforderungen wie soziale Gerechtigkeit mittels digitaler Transformation, Empowerment und Handlungsoptionen für eine inklusivere, nachhaltige und diskriminierungsfreie Gesellschaft sowie Folgen der aktuellen Pandemie immer mit Blick auf die besonderen Bedarfe ihrer Zielgruppen betrachtet.

Beispielhaft kann hier genannt werden: der Ausbau digitaler Teilhalbe älterer Menschen sowie von Bewohnern bzw. Bewohnerinnen in vollstationären Einrichtungen der Altenhilfe in jüdischer Trägerschaft, die Stärkung jüdischer Gemeinden im Umgang mit Antisemitismus sowie die Interessensvertretung mehrerer zehntausend Juden und Jüdinnen in Interner Link: SGB XII-Bezug, die aufgrund mangelnder Akzeptanz am deutschen Arbeitsmarkt kein ausreichendes Versorgungsniveau erzielen um ohne Grundsicherung im Alter auszukommen.
In ihrem Selbstverständnis ist die ZWST die soziale Stimme der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, die mit ihrer Arbeit und ihren Impulsen eine gesamtgesellschaftliche Relevanz entfaltet.

Weitere Inhalte

Aron Schuster ist Betriebswirt und seit 2018 Direktor der Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland. Von Kindesalter an war er ehrenamtlich im Jugendbereich der ZWST als Jugendleiter aktiv. Außerdem ist er Mitglied des Würzburger Stadtrats, im Vorstand von IsraAid Germany e.V. und Vorsitzender des Verbands jüdischer Heimatvertriebener und Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland e.V.