Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) ist der soziale Dachverband von 104 jüdischen Gemeinden in Deutschland. In dieser Funktion dient sie ihren Mitgliedsverbänden als sozialpolitische Interessensvertretung nach außen und als Sozialdienstleisterin in den Gemeinden. Aufgrund der historischen und demografischen Gegebenheiten der jüdischen Gemeinden in Deutschland stellt die ZWST ihre Dienste Mitgliedern auch direkt zur Verfügung. Damit ergänzt sie das Angebot jüdischer Gemeinden, die aufgrund kleiner Mitgliederzahlen und begrenzter Ressourcen keine flächendeckende Sozialdienstleistung gewährleisten können. Somit unterscheidet sich die ZWST in ihrem operativen Tätigkeitsfeld maßgeblich von den anderen fünf
Ihre Geschichte ist trotz historischer Brüche von thematischen Kontinuitäten geprägt. Dabei ist der Verband heute in Deutschland eine der wenigen jüdischen Dachorganisationen, die ihre Vorkriegsstrukturen in angepasster Form wieder aufgreifen konnte. Zur Kernaufgabe der ZWST gehört die Stärkung der Teilhabe sowie das Empowerment für schwache und marginalisierte Gruppen.
Leitbild
Der hebräische Begriff Zedaka, der das jüdische Prinzip der Wohltätigkeit beschreibt, ist eines der wichtigsten Gebote des jüdischen Religionsgesetzes. Dieses Gebot als Basis der jüdischen Sozialarbeit orientiert sich am Verständnis einer Wohltätigkeit, die nicht durch die Güte und individuelle Einstellung der Gebenden bestimmt wird, sondern an einer Gerechtigkeitsordnung ausgerichtet ist. Bis heute gelten diese allgemeinen Regeln der Zedaka als Grundlage der jüdischen Wohltätigkeit: Die niedrigste Stufe der Zedaka ist die Gewährung eines Almosens und die höchste, den Verarmten in die Lage zu versetzen, von Hilfe unabhängig zu werden. Schon hier ist das moderne Fürsorgeprinzip der Hilfe zur Selbsthilfe zu erkennen: anderen dazu zu verhelfen, aus eigener Kraft für sich selbst sorgen zu können. Seit über 100 Jahren trägt dieses Leitbild die vielfältigen Handlungsfelder der ZWST.
Brüche und Kontinuitäten
Der Verband wurde 1917 als "Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden“ ins Leben gerufen, um die fragmentierte jüdische Wohlfahrtspflege in Deutschland zentralisiert zu organisieren und zu koordinieren. Sie machte es sich zur Aufgabe, jüdische Sozialfürsorge einerseits am jüdischen Verständnis der Wohltätigkeit auszurichten und gleichzeitig den modernen deutschen Wohlfahrtsstaat der Weimarer Republik aktiv mitzugestalten.
Unter der
Migration als roter Faden
Das Thema Migration prägt die Arbeit der ZWST seit ihrer Gründung. Die
Gewachsene Struktur
Mit den integrativen Aufgabenstellungen hat sich auch der Stab der Mitarbeiter:innen vergrößert und laufend professionalisiert. Heute gehören über 100 Mitarbeiter:innen zum festen Stab des Wohlfahrtsverbandes, darunter in der Hauptgeschäftsstelle in Frankfurt am Main, im Berliner Büro, im Kompetenzzentrum für Empowerment und Prävention, in den Bildungsstätten in Bad Kissingen und Bad Sobernheim, in den Zweigstellen in den östlichen Bundesländern und den Migrationsberatungsstellen. Hinzu kommen zahlreiche ehrenamtlich Aktive im Bereich der Sozial- und Jugendarbeit.
Jugendarbeit als Inkubator für jüdisches Leben in Deutschland
Für alle Geschäftsführer spielte die Jugendarbeit der ZWST eine essenzielle Rolle in der Zukunftsgestaltung jüdischen Lebens in Deutschland. Damit setzte sie auch ein Zeichen: denn in die heranwachsende Generation zu investieren, bedeutete gleichzeitig die Errichtung eines neuen Fundaments für eine jüdische Gemeinschaft im Nachkriegsdeutschland. Neben pädagogischen Fortbildungen für den formellen Bildungskontext bleibt die offene Jugendarbeit ein zentrales Kerngeschäft der ZWST. Die von der ZWST angebotenen Ferienfreizeiten (hebräisch: "Machane“) sind dabei die zentrale Plattform, um Kinder und Jugendliche aus den jüdischen Gemeinden Deutschlands miteinander zu vernetzen und den Nachwuchs zu fördern.
Gesamtgesellschaftliche Relevanz
Bis heute ist die ZWST ihrem Leitbild der Zedaka treu geblieben. Während sie ihre Tätigkeitsfelder an die sich verändernden Bedarfe der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland wie Flucht, vorübergehende Zwischenstation bis hin zur dauerhaften Integration verschiedenster Zuwanderergruppen stets anpasste, bleibt die Organisation insbesondere für die jüdischen Gemeinden und ihre vulnerablen Gruppen eine Konstante. Alle sozialen Maßnahmen der ZWST zur Unterstützung der jüdischen Gemeinden und ihrer Mitglieder basieren auf dem Prinzip der Zedaka, entsprechend der sozialarbeiterischen Handlungsmaxime "Hilfe zur Selbsthilfe“. Dabei werden aktuelle Herausforderungen wie soziale Gerechtigkeit mittels digitaler Transformation, Empowerment und Handlungsoptionen für eine inklusivere, nachhaltige und diskriminierungsfreie Gesellschaft sowie Folgen der aktuellen Pandemie immer mit Blick auf die besonderen Bedarfe ihrer Zielgruppen betrachtet.
Beispielhaft kann hier genannt werden: der Ausbau digitaler Teilhalbe älterer Menschen sowie von Bewohnern bzw. Bewohnerinnen in vollstationären Einrichtungen der Altenhilfe in jüdischer Trägerschaft, die Stärkung jüdischer Gemeinden im Umgang mit Antisemitismus sowie die Interessensvertretung mehrerer zehntausend Juden und Jüdinnen in
In ihrem Selbstverständnis ist die ZWST die soziale Stimme der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, die mit ihrer Arbeit und ihren Impulsen eine gesamtgesellschaftliche Relevanz entfaltet.