Das Objekt
Nach den von Herta Pineas unterzeichneten biographischen Angaben, die sich in der Helene Krämer Collection (AR 2046) im Archiv des Leo Baeck Institute finden, schenkte Helene Krämer dieses in Öl gemalte Portrait der Vorreiterin der
Historischer Kontext
Für Bertha Pappenheim war der Feminismus eine Brücke zwischen deutscher und jüdischer Kultur
Die junge Frau in diesem Portrait, das über Jahre im vom Frankfurter Verein "Weibliche Fürsorge" betriebenen "Mädchenclub" hing, hat ihr gesamtes Leben der Verbesserung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebensumstände von Interner Link: Frauen gewidmet. Als 1859 in Wien geborene Tochter einer
Als ihre Schulausbildung endete, war sie 16 Jahre alt; die darauffolgenden Jahre waren geprägt von Ernüchterung über die Möglichkeiten, die einer jungen Jüdin ihrer gesellschaftlichen Schicht offenstanden: Ehe, Führung des Haushalts, im besten Fall noch ein bisschen Wohltätigkeit. Nachdem sie ihren Vater bis zu dessen Tod gepflegt hatte, während ihr Bruder seinem Studium an der Universität nachging, und nach Überwindung einer psychischen Erkrankung (durch die von ihr selbst unternommene "Redekur", die durch ihren Arzt Josef Breuer und später durch Sigmund Freud als Fallgeschichte des Fräuleins "Anna O." Berühmtheit erlangte), zog Bertha Pappenheim 1888 mit ihrer Mutter nach Frankfurt. Dort war sie als Übersetzerin tätig, schrieb Theaterstücke und Kurzgeschichten und widmete sich der
Berta Pappenheim (© picture-alliance, IMAGNO)
Berta Pappenheim (© picture-alliance, IMAGNO)
Bertha Pappenheim, die die Förderung von Frauen als religiöse Pflicht des Judentums betrachtete, entwickelte sich zu einer der wichtigsten Unterstützerinnen des Vereins "Weibliche Fürsorge" und eines Wohnheims für ledige Mütter nahe Frankfurt am Main. Sie wusste, dass Frauen protestantischen und katholischen Glaubens in eigenen nationalen Frauenbünden organisiert waren, und nahm sich ein Beispiel an der deutschen feministischen Bewegung. In der Überzeugung, dass "Männer stets und in allen Umständen ihre eigenen Interessen verfolgen", widmete sie sich ausschließlich den Belangen von Frauen. Sie gründete im Jahr 1904 den
Bertha Pappenheim zufolge brachte "[d]ie deutsche Frauenbewegung […] dem schüchternen, unsicheren Voranschreiten des jüdischen Frauenwillens Weg- und Zielsicherheit"; von 1914 bis 1924 gehörte sie dem Vorstand des BDF an. Ihr Engagement war die Symbiose ihrer Überzeugungen als Frauenrechtlerin und als Jüdin. Obwohl sie die Angleichung an deutsche kulturelle Normen befürwortete, war ihr die Erhaltung der gesellschaftlichen und religiösen Alleinstellung ihres Volkes dennoch ein zentrales Anliegen. Den sowohl in der deutschen Gesellschaft als auch in der deutschen Frauenbewegung anzutreffenden
Den Großteil ihres Engagements widmete Bertha Pappenheim jedoch der Verbesserung der Lebensumstände jüdischer Frauen. Sie betonte die Notwendigkeit von Bildung und Ausbildung für jüdische Mädchen, insbesondere in der Hauswirtschaft und Sozialarbeit. Darüber hinaus setzte sie sich für die Rechte der Frauen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft ein, vor allem anderen für das Frauenwahlrecht. Von besonderer Bedeutung war ihr Kampf gegen den
Als gläubige Jüdin und entschieden liberale Deutsche hatte sie weder für Assimilationsbestrebungen noch für den
Persönliche Geschichte
Helene Krämer widmete ihr Leben der Flüchtlingshilfe, bis sie selbst zum Flüchtling wurde
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"Es ist keine Pension mit komfortablen Einrichtungen, die verwöhnen und verweichlichen und mit künstlicher Lichtfülle das Auge für den Ernst des Lebens blenden, aber auch keine Fürsorgeerziehungsanstalt mit spartanischen Abhärtungsmaßregeln. Es ist alles, von den Schlafräumen bis zu Keller und Küche, Bade- und Waschräumen, traut, einfach, lieb und heimelig, gewollt primitiv, die Grundidee einprägend: das Leben ist schön, aber es muß durch Arbeit erkauft werden. Es blühen Blumen – wenn sie mit mühe- und liebevollen Händen begossen und gepflegt werden. Zwölf Pflegerinnen unter der sicheren Leitung des Frl. Krämer und der Frau Haas [...] tun Tag und Nacht mit Liebe zum Kinde [...] ihren nicht leichten Dienst."
"Isenburg" in: Der Israelit. 8. Dezember 1927. Jahrgang 16, Heft 49. S. 9.
Die in diesem 1927 in der von der Frankfurter orthodoxen Gemeinde herausgegebenen Wochenzeitung "Der Israelit" erschienenen Artikel genannte Helene Krämer wurde von Bertha Pappenheim gefördert und widmete ihr gesamtes Arbeitsleben dem Dienst an Waisen und Geflüchteten. Sie selbst war über weite Strecken ihres Lebens Waise oder Geflüchtete.
Helene Krämers Vater, ein Lehrer, starb kurz vor ihrer Geburt 1881 in Höchst. In ihrer Verzweiflung gab ihre Mutter, die nicht in der Lage war, für acht Kinder zu sorgen, ihre Tochter 1888 in das Waisenhaus des Israelitischen Frauenvereins - im selben Jahr, in dem Bertha Pappenheim aus Wien nach Frankfurt zog. Nachdem Bertha Pappenheim 1895 die Leitung des Waisenhauses übernommen hatte, förderte sie Helene Krämer als Mentorin und unterstützte sie großzügig mit eigenen Mitteln. So ermöglichte sie es ihr, das Humboldt-Gymnasium in Frankfurt zu besuchen und später am Pestalozzi-Fröbel-Haus, Teil der wachsenden Reformpädagogik-Bewegung in Deutschland, eine Ausbildung in frühkindlicher Pädagogik zu absolvieren.
Unter dem Einfluss von Bertha Pappenheim und aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen als Waise waren Selbstbestimmung und Selbsthilfe die Eckpfeiler der pädagogischen Tätigkeit von Helene Krämer. 1907 entsandte sie der Jüdische Frauenbund in ein Waisenheim in Galizien, wo sie es trotz Widrigkeiten wie ihrer mangelnden Jiddisch-Kenntnisse und ihres Status als unverheirateter Frau bis 1914 aushielt. Mit Ausbruch des Krieges kehrte sie nach Frankfurt zurück und arbeitete im von der Familie Rothschild finanzierten Heim für Kriegsflüchtlinge. Zuletzt ernannte Bertha Pappenheim sie zur Leiterin eines neuen Heims in Neu-Isenburg für ledige Mütter und durch den Sexhandel ausgebeutete Frauen. Für dieses war sie noch am 8. November 1938 verantwortlich, als das Haus von Nazi-Gewalttätern angegriffen wurde, die eines der vier Gebäude in Brand setzten. Ihr Bericht:
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"Die Barbaren kamen mit Pechfackeln, riefen, ,Öffnet, wir bringen Euch Fleisch‘, drangen in das überfüllte Haus, [und] schrien, ,Juden heraus!‘ [...]. Der Anführer der Horde, der Ingenieur Schmidt, der im Heim die Lichtleitung gelegt hatte, umringte mich, bis er die Heimkasse hatte [...]. Wir standen alle, Säuglinge, die wir in Körbchen hinaustrugen, Kleinkinder, Jugendliche, und Angestellte, über eine Stunde in der kalten Winternacht im Garten bei dem grausigen Anblick des Brandes des Hauses [...]."
Der gesamte Besitz von Helene Krämer fiel den Flammen zum Opfer, doch konnte sie zumindest ein Erinnerungsstück an ihre zerstörte Welt mitnehmen, als sie nach New York zu ihrem Bruder floh: das Gemälde ihrer Mentorin Bertha Pappenheim, das einst im Mädchenclub in Frankfurt gehangen hatte.
Dieser Beitrag ist Teil des Externer Link: Shared History Projektes vom Externer Link: Leo Baeck Institut New York I Berlin.