Das Objekt
Das Portrait der Adele Bloch-Bauer I wurde 1903 vom Ehemann der Portraitierten, Ferdinand Bloch-Bauer, in Auftrag gegeben; 1907 vollendet es sein Maler Interner Link: Gustav Klimt. Als Adele 1925 im Alter von nur 43 Jahren starb, hatte sie bereits in ihrem Letzten Willen festgelegt, dass ihre Portraits nach dem Tod ihres Mannes der Österreichischen Staatsgalerie Belvedere und verschiedenen Bibliotheken gestiftet werden sollten. Das Gemälde ging somit in das Eigentum ihres Mannes Ferdinand über; er musste es, als er Interner Link: 1938 gezwungen war, aus Österreich zu fliehen, mit seiner gesamten Kunstsammlung zurücklassen. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1945 in der Schweiz verfasste Ferdinand ein neues Testament, in dem er seinen gesamten Nachlass einem Neffen und zwei Nichten vermachte. Die Nationalsozialisten, die nun im Interner Link: Besitz der Kunstsammlung der Bloch-Bauers waren, gaben dem Portrait den neuen Titel Die Frau in Gold, um so dessen jüdischen Ursprung zu verschleiern, und übergaben es an die Staatsgalerie Belvedere. Jahrzehntelang verweigerte die Staatsgalerie die Interner Link: Restitution dieses und weiterer Kunstwerke an die Nachkommen Ferdinand Bloch-Bauers. Neue Forschungsergebnisse führten dazu, dass seine Nichte und rechtmäßige Erbin Maria Altmann im Jahr 1998 mit internationalen Rechtsmitteln Druck auf die Regierung Österreichs ausübte; dabei kam es schließlich im Jahr 2004 zur Entscheidung des Supreme Court der Vereinigten Staaten, dass sie befugt sei, die Herausgabe des Gemäldes einzuklagen. Im Jahr 2006 verlangte die Entscheidung eines österreichisches Schiedsgericht von der österreichischen Regierung die Rückgabe des Gemäldes. Im selben Jahr erwarb Ronald Lauder das Gemälde für 135 Millionen US-Dollar von Maria Altmann – zur damaligen Zeit der höchste Preis, der jemals für ein Gemälde bezahlt worden war. Das Portrait ist Teil der Dauerausstellung der Neuen Galerie in New York.
Historischer Kontext
Durch die Förderung von Avantgardekünstlern hofften manche Juden, sich einen Platz in der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern.
Adele Bloch-Bauer, ca. 1915. (© picture-alliance, Fine Art Images/Heritage Images)
In der ersten Szene des Films Woman in Gold (Die Frau in Gold, 2015) sehen wir den Künstler Gustav Klimt, wie er etwas Blattgold auf eine Leinwand aufträgt und dann die Unruhe seines Modells Adele Bloch-Bauer anspricht. Sie antwortet, dass sie sich zu viele Sorgen mache. "Worüber?", fragt er. "Die Zukunft", lautet ihre Antwort, und der Ernst dabei erweckt den Eindruck, sie könne die bevorstehende Verfolgung der Juden in Österreich durch die Nationalsozialisten und deren Handlanger vorhersehen. Im Gegensatz zur filmischen Darstellung von Adeles dunkler Vorahnung als begabter Hellseherin sah für die Wiener Juden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Zukunft allerdings nicht düster aus.
Interner Link: Antisemitismus gab es, aber er konnte nicht verhindern, dass Familien wie die der Bloch-Bauers Teil der gesellschaftlichen Elite Wiens wurden – ein Status, der wenige Jahrzehnte zuvor für Juden undenkbar gewesen war. Klimts Portrait von Adele stellt in der Tat den Höhepunkt der jüdischen Teilhabe und des jüdischen Einflusses auf Kunst, Kultur und Gesellschaft dar. Dass die Bloch-Bauers sich für Klimt entschieden, einen Maler der Avantgarde, dessen Erfolg abhängig war von ihm wohlgesonnenen Auftraggebern wie den Bloch-Bauers, zeugte davon, dass trotz des allgegenwärtig schwelenden Antisemitismus die Verbundenheit von Juden und Nichtjuden die österreichische Kultur prägte.
In diesem Gemälde eingebettet ist auch die komplizierte Geschichte der Wiener Juden und wie sie fortdauernde Bewegungen der österreichischen Kunst und Kultur maßgeblich förderten, trotzdem sie in anderen Bereichen nach wie vor marginalisiert blieben. Wie kam es dazu, dass das Portrait der Adele Bloch-Bauer I – welches später in Frau in Gold umbenannt wurde, um so seinen jüdischen Ursprung zu verschleiern – heute einen derartig wichtigen Teil der österreichischen und jüdischen Kulturgeschichte darstellt? Um diese Entwicklung nachvollziehen zu können, ist eine Betrachtung des historischen Kontexts nötig, zu dem die Geschichte der Juden im Mitteleuropa der Neuzeit, die Repräsentation jüdischer Frauen, deren Rolle als Salonnière sowie die Enteignung, Vertreibung und Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten und ihre Handlanger gehören.
Wiener Juden wie die Bloch-Bauers unterstützten die Kultur der Avantgarde, lange bevor sie sich größerer Beliebtheit erfreute. Jahrzehnte nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden in Österreich im Jahr 1867 stellte das Mäzenatentum eine Möglichkeit für wohlhabende Juden dar, ein neues Selbstverständnis als Österreicher zu formulieren, ohne dabei ihre Identität als Juden vollständig aufgeben zu müssen. Ferdinand Bloch-Bauers Erfolg in der Zuckerindustrie erlaubte es dem Paar äußerst sichtbare Mitglieder derr Gesellschaft zu werden. Der fortdauernde Antisemitismus bedeutete jedoch, dass sie ihren Status und ihre gesellschaftliche Sichtbarkeit stets mit großem Feingefühl pflegen mussten. Um sich in sinnhafter Weise in die Gesellschaft zu integrieren, unterstützten eine Reihe von Juden moderne, progressive Künstler, Designer, Architekten und Musiker, von denen viele von der Wiener Mehrheitsgesellschaft gemieden wurden.
Die Bloch-Bauers stellten in ihrem prachtvollen Haus in der Wiener Elisabethstraße neben diesem Portrait noch zwei weitere von Klimt gemalte und 1912 fertiggestellte Portraits von Adele aus. Hier war Adele Gastgeberin eines Salons, zu dem so namhafte Gäste wie der Schriftsteller Arthur Schnitzler und der Komponist Richard Strauss gehörten. Diese regelmäßigen, ungezwungenen sozialen Zusammenkünfte von Juden und Nichtjuden, die in Wien und Berlin oft von jüdischen Frauen veranstaltet wurden, spielten für die Entwicklung der europäischen Literatur, Kunst und Politik im Europa des ausgehenden 18. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. Die Salonnièren dienten keineswegs schweigend als Kulisse, ganz im Gegenteil: Sie stellten Themen und Strukturen für ideologische und intellektuelle Debatten bereit und luden zu Konzerten, Theateraufführungen und Lesungen. Sie förderten die Entstehung von modernen und avantgardistischen Kunstbewegungen und ermöglichten insbesondere jüdischen Frauen die Teilhabe an politischen Bewegungen und Sozialreformen. Dieses Portrait dient als Symbol dafür, wie einige jüdische Frauen, die üblicherweise aus den gesellschaftlichen Machtzentren ausgeschlossen waren, die Wiener Kultur aktiv deuteten, gestalteten und pflegten.
Klimts Portrait sticht auch wegen seiner Auseinandersetzung mit dem Stereotyp der jüdischen Frauen hervor, die als verführerische, exotische, gefährliche Femmes Fatales galten und in Mitteleuropa auch Belles Juives genannt wurden. Klimts unerschrockene Darstellung von Adeles Schönheit und verführerischer Kraft in diesem Portrait spielt mit den Geschlechterstereotypen und schafft damit eine wirkmächtige Erzählung, die auf das ambivalente männliche Begehren jüdischer Frauen verweist.
Es war nicht ohne Risiko, sich zu Klimt zu bekennen, da weder sein Stil noch die in seinen Kunstwerken aufgegriffenen Themen uneingeschränkte Begeisterung erfuhren. Antisemitische Kritiker machten Klimt das zweifelhafte Kompliment, er besitze die Fähigkeit, die Hässlichkeit der Ehefrauen seiner Gönner zu verbergen. Die Bloch-Bauers hatten durch ihre Unterstützung Klimts und seiner avantgardistischen Kunst einen Weg gefunden, in der österreichischen Kultur nachhaltig eigene Spuren zu hinterlassen. Dadurch wird die zentrale Bedeutung der Juden für die künstlerischen Errungenschaften im Wien der Jahrhundertwende deutlich, die zu gefeierten Höhepunkten der österreichischen Kulturgeschichte werden sollten.
Adele Bloch-Bauer starb 1925, acht Jahre, bevor Hitler in Deutschland an die Macht kam. Nach dem Interner Link: Anschluss Österreichs 1938 war Ferdinand zur Flucht gezwungen; er musste sein gesamtes Hab und Gut zurücklassen. Nach langwierigen juristischen Auseinandersetzungen mit der Regierung Österreichs wurde das Gemälde schließlich seiner Nichte und Erbin Maria Altmann restituiert. Als Zeugnis der beständigen Wirkmacht des Gemäldes als kraftvolles Symbol gemeinsamer österreichischer und jüdischer Kulturgeschichte erwarb Ronald Lauder das Gemälde 2006 für die damalige Rekordsumme von 135 Millionen US-Dollar für seine Neue Galerie für deutsche und österreichische Kunst in New York.