Das Objekt
Modell der Stadt Hamburg zur Zeit Glikl von Hamelns
von Magdalena Wrobel
Dieses Modell gibt Zeugnis von der reichen und vielschichtigen Geschichte der Hansestadt Hamburg, in der es eine Witwe namens Glikl von Hameln im 17. Jahrhundert zu bemerkenswert großem Erfolg brachte. 1644 veröffentlichte Arnold Pitersen eine große Karte der Stadt Hamburg unter dem Titel Niederländischer Buch und Kundsthandeler bey der Boerse. Im Jahr 1939 beauftragte der Verein für Hamburgische Geschichte Edmund Köster, dessen Unternehmen seit 1928 auf die Fertigung von Spielzeugmodellen spezialisiert war – hauptsächlich Schiffe, aber auch Landestellen, Schuppen und Krane - mit dem Bau eines dreidimensionalen Modells auf der Grundlage der Skizzen Pitersens aus dem 17. Jahrhundert. Das Modell wurde dem Museum für Hamburgische Geschichte anlässlich seines hundertjährigen Bestehens geschenkt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Stadtmodell schwer beschädigt. Die in den späten 1980er Jahren begonnene Restaurierung wurde in den frühen 1990er Jahren fertig gestellt.
Historischer Kontext
Verwitwet, mit zwölf Kindern und der Führung eines Geschäfts beschäftigt, hinterließ Glückel von Hameln einen detaillierten Bericht über ihr Leben
von Inge Grolle
Ganz plötzlich, nach dreißig gemeinsam durchlebten Ehejahren, starb Chaim Hameln, der Mann von Glikl, der Tochter von Judah Leib aus Hamburg. Er ließ sie mit 12 Kindern, von denen erst vier verheiratet waren, allein zurück. Nach den vorgeschriebenen 30 Trauertagen, an welchen Verwandte die Trauernden trösteten, musste die Witwe Glikl die Situation allein durchstehen. Niemand stand ihr als Vormund helfend zur Seite. Sie kannte die Geschäfte des Perlenhandels und des Kreditgebens, an denen sie immer beteiligt gewesen war. So nahm sie jetzt die Kontobücher vor und stellte fest, dass 20.000 Reichstaler an Verbindlichkeiten zu leisten seien. Um sie zu lösen, veranstaltete sie mit Hilfe ihrer beiden in Hamburg verheirateten Söhne einen Auktionsbazar. In Jahresfrist war das Firmenkonto bereinigt. Damit hatte Glikl ihre Geschäftstüchtigkeit erwiesen.
Aber in den Nächten kamen Trauer, Verzweiflung und Sorgen über sie. Um ihre melancholischen Gedanken zu bezwingen, begann sie, ihre eigene Lebenserfahrung aufzuschreiben und erfand für sich, was man heute "Therapeutisches Schreiben" nennt. An die Adresse ihrer Kinder, an ihre eigene und die Gottes gerichtet entstand eine Chronik ihrer Lebenszeit. Sie enthält Namen und Verdienste ihrer eigenen Vorfahren und alles, was ihr selbst in Familie und Geschäft begegnete und was ihr durch Gerüchte zugetragen wurde. Das Panorama aus individueller Lebensgeschichte und dichterischem Ambiente vermittelt uns noch heute einen lebendigen Eindruck vom
Dreizehnjährig wurde Glikl von ihren Eltern mit Chaim aus Hameln verheiratet. Nach dem Brauch blieb das junge Paar noch zwei Jahre lang im Haus der Schwiegereltern, zog aber dann aus Hameln, das Juden keine Handelschance bot, nach Hamburg. Dort gründeten sie unter eigenem Namen ein Geschäft mit persönlicher Haftung. Trotz schwieriger Anfänge profitierten sie vom plötzlichen Aufschwung des jüdischen Schmuckhandels. Nach den Verwüstungen des Interner Link: Dreißigjährigen Krieges stieg das Bedürfnis der deutschen Fürstenhöfe nach Luxusgütern, nach Gold, Diamanten und Perlen. Zur Bewältigung ihrer Geldwirtschaft banden viele der Fürsten sogenannte
Der häusliche Bereich von
Handelsgeschäfte erforderten Mobilität, Menschenkenntnis, und Geschick mit jüdischen und christlichen Gesprächspartnern. Meist fanden sich zur Reise auf eine Messe zwei oder mehr Kompagnons zusammen zum gegenseitigen Schutz oder als vertraglich geregelte Interessengemeinschaft. Glikl konnte bei Geschäftsreisen als Frau nicht mit anderen Männern kooperieren; sie ließ sich von einem ihrer Söhne zu Märkten und Messen begleiten und wurde als solvente Partnerin geachtet. Außerdem unterhielt sie in Hamburg eine Manufaktur von Strümpfen, welche beständige Einkünfte garantierte.
Ein Hauptteil des Bemühens von Glikl galt der günstigen Verheiratung ihrer Kinder. Jede Heirat bot Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg der Familie durch ihre Präsenz in mehreren Orten Europas. Die Verheiratung einiger Kinder innerhalb Hamburgs erhöhte und sicherte den Stand der Familie am Ort. Die Verheiratung der Tochter Zipora mit dem Sohn des berühmten Elias Cleve, der als Mann von 100.000 Reichstalern galt und als geschäftlicher Vertrauensmann dem Großen Kurfürsten von Brandenburg diente, sorgte für großes Aufsehen. Die glänzende Hochzeit in Amsterdam, an der hohe christliche Würdenträger und Kronprinz Friedrich, der spätere erste König von Preußen, teilnahmen, steigerte das Ansehen des Hauses Hameln.
Nach Chaims Tod verwendete Glikl unendlich viel Sorgfalt und Mühe auf den Abschluss der noch anstehenden Heiraten. Es gelangen ihr wichtige Verbindungen nach Metz, Berlin, Kopenhagen, London und ins Fränkische nach Bamberg und Bayersdorf. Außer beachtlichen Erfolgen erlitt Glikl auch schmerzliche Niederlagen. Am Ende ihres Lebens hatte sie das Ziel, die Heimkehr nach Jerusalem, nicht erreicht, aber in dem frommen jüdischen Haus von Schwiegersohn und Tochter in Metz den ihr gebührenden Ehrenplatz erhalten.
Persönliche Geschichte
Leidenschaft und Zusammenbruch der messianischen Sabbatäerbewegung hinterließen tiefe Spuren
von Inge Grolle
Glückel-von-Hameln-Straße in Hamburg-Altona (Wikimedia, Hinnerk11) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de
Glückel-von-Hameln-Straße in Hamburg-Altona (Wikimedia, Hinnerk11) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de
"Es ist gar nicht zu sagen, was für wunderliche Dinge uns sündigen Menschen passieren können", so leitet Glikl die Geschichte ein, deren Augenzeugin sie wurde. Im Sommer 1665 hatte sie gerade ihr drittes Kind geboren, als sich unter den Juden das Gerücht vom Erscheinen des Messias verbreitete. Glikls Leute hatten es von den "Portugiesen" gehört. Das waren jüdische Glaubensflüchtlinge aus der Iberischen Halbinsel, die sich bereits vor den jiddisch sprechenden sogenannten Aschkenasen, zu denen Glikls Familie gehörte, in Hamburg niedergelassen hatten. Obwohl Sprachen und Gottesdienstordnungen beider Gruppen verschieden waren, verband sie ihr Judentum so miteinander wie alle weit in der Welt zerstreuten Juden.
Nun hieß es, bei den Portugiesen sei ein Brief mit unerhörten Nachrichten aus dem Heiligen Land eingetroffen, der in ihrer Synagoge vorgelesen würde. Dorthin kamen auch die Aschkenasen und Glikl erfuhr sogar den Wortlaut des Briefes: "Lob sei dem Herrn der Welt für die Nachricht, die aus dem Osten und aus Italien und aus anderen Ländern kam, wonach Er in seiner Gnade uns einen Propheten im Heiligen Land schickt, den Rabbi Aschkenasi, und einen messianischen König, den Rabbi Sabbatai Zwi, den der Herr dazu erwählt hat, dass er sein Volk aus den Völkern zusammen sammele und seinen Namen erhöhe, der unter den Völkern entweiht ist."
Wie alle Zuhörer ist Glikl tief ergriffen von der Botschaft. Je mehr Briefe aus allen Weltgegenden eintreffen, umso mehr steigert sich die Begeisterung. Die Portugiesen tanzen mit Torarollen unter lauter Musik und kleiden sich durch ein grünes Seidenband in die Livree von Sabbatai Zwi. Jedoch fordern die Ältesten strenge Buße, Gebete, und Almosengeben, um sich für den bevorstehenden Auszug zu reinigen und verbieten, Angehörigen anderer Religionen etwas zu sagen über die nahe Erlösung der Juden. In festem Glauben an die Prophezeiung treffen einzelne Fromme praktische Vorkehrungen für den Exodus. Glikls verehrter Schwiegervater Josef Hameln verlässt Haus und Heim, und schickt nach Hamburg zwei große Fässer mit Leinenzeug und unverderblichen Nahrungsmitteln. "Denn der alte Mann hat gedacht", so Glikl "man würde ohne weiteres von Hamburg nach dem Heiligen Land fahren." Die Fässer blieben drei Jahre dort stehen.
Nur zögerlich erfuhren die Juden der
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