Das Objekt
Zeremonieller jüdischer Trauring
Im Zuge der Renovierung einer Konditorei im elsässischen Colmar im Jahr 1863 wurde dieser prachtvolle Ring geborgen. Ungefähr 500 Jahre vor seiner Wiederauffindung war er zusammen mit anderen Wertgegenständen in einer Mauer versteckt worden. Rasch eigneten sich verschiedene Sammler der Stadt den Schatz von Colmar an, bis er in 1923 größtenteils an das Musée de Cluny in Paris verkauft wurde.
In den Zeiten vor Tresorfächern und Safes dienten Wände ebenso wie Kellerräume und Gärten als Verstecke von persönlichem Reichtum, ob in Form von Münzen, Silbergegenständen oder Schmuck. Doch von größerer Bedeutung als die Einmauerung des Horts von Colmar ist die schlichte Tatsache, dass er nie wieder hervorgeholt wurde. Der Ring ist Beleg, dass die Eigentümer des Schatzes der
Historischer Kontext
Wer auch immer den Colmarer Schatz in einer Wand versteckte, schaffte es, ihn vor Plünderern zu schützen, hatte aber selbst kein Glück.
In ihren Dimensionen mögen sie klein sein, aber Ringe sind oft Ausdruck großen Ehrgeizes. Im Fall des Colmarer Rings umfasste dieser Ehrgeiz sowohl seine künstlerische Gestaltung als auch seine Symbolik. Betrachtet man ihn genauer, sieht man eine zierliche, von dutzenden winzigen Goldsäulen gebildete Arkade, überwölbt von einem sechseckigen Dach, das einst durchgängig mit abwechselnd roten und grünen Emaileinlagen geschmückt war. Die Idee eines Gebäudes auf einem Finger ist an sich bemerkenswert, und der den Entwurf fertigende Goldschmied sah sich eindeutig im Wettbewerb, mit den ihm verfügbaren Mitteln, mit den großen Architekten seiner Zeit. Für uns stellen Ringe Einfassungen von Edelsteinen dar, doch dieser einer Gartenlaube ähnelnde Aufbau enthält stattdessen Text. Jeder der sechs goldenen Buchstaben des hebräischen Ausdrucks "masel tov" nimmt eine eigene Dachschräge ein und der hebräische Glückwunsch für das frisch verheiratete Paar wird im Wortsinne von den Dächern gerufen.
Seit der Antike spielten Ringe eine Rolle bei Vertragsabschlüssen; die darin enthaltenen Siegel dienten zur Identifizierung der Beteiligten und zur sprichwörtlich gewordenen Besiegelung des jeweiligen Geschäfts. Über eine fast genauso lange Zeit werden Ringe mit Liebe und Ehe in Verbindung gebracht; oftmals wird das wechselseitige Versprechen des Paars durch zwei ineinander verschränkte Hände symbolisiert oder durch das Abbild des Hochzeitspaars. Der Ring aus Colmar ist eine seltene mittelalterliche Form (die in späteren Jahrhunderten noch feiner ausgearbeitet wurde), die Anfang des 14. Jahrhunderts in aschkenasischen Gemeinden beliebt gewesen zu sein scheint. Der in der Formsprache der Architektur gestaltete Ring schafft eine Beziehung sowohl zum neuen Zuhause des Hochzeitspaars und zum Tempel von Jerusalem – letzteres gemahnte die Festgesellschaft an dessen Zerstörung auch im Augenblick des größten Glücks.
Ohne den Ring wäre nie festgestellt geworden, dass der Hort von Colmar, dessen Bestandteil er ist, einstmals einer jüdischen Familie gehört hat. Zwar wurde der Schatz in einer Straße gefunden, die im Mittelalter "Judengasse" hieß, doch wohnten im jüdischen Viertel von Colmar wie auch in denen anderer elsässischer Städte auch viele Christen; die Juden der Stadt waren nicht verpflichtet, nur in diesem Quartier Wohnung zu nehmen. Zusätzlich zum Hochzeitsring umfasst der Schatz weitere 13 einfacher gearbeitete Ringe, eine mit Edelsteinen besetzte Brosche eine silberne Schnalle und silberne Teile von Frauengürteln, Knöpfe und sonstige Kleidungsverzierungen, einen silbernen Schreibgriffel, einen winzigen Silberschlüssel, ein Paar Anhänger in Buchstabenform (heute verloren), ein Doppelgefäß, zwei Silberbarren, 384 Silbermünzen und einen Goldflorentiner.
Auf den ersten Blick lässt sich keines dieser Stücke des Schatzes einem christlichen oder jüdischen Umfeld zuordnen; alle spiegeln sie den den Angehörigen der wohlhabenden Elite dieser Region gemeinsamen Geschmack wieder. Allerdings haben jüngere Forschungen ergeben, dass der Hochzeitsring möglicherweise nicht der einzige Gegenstand ist, der die besonderen Vorlieben mittelalterlicher Juden und ihren Bedarf an Schmuck widerspiegelt. Auf einem Ring ist ein Stern mit einem Halbmond zu sehen, ein von elsässischen Juden übernommenes Emblem. Der silberne Schlüssel geht auf das Verbot zurück, am
Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts hatten sich in Colmar Juden niedergelassen. Damals wie heute blühten in der Region der Weinanbau und das Handwerk und die Juden waren wesentlicher Teil des städtischen Handels. Im Jahr 1328 weihte die Gemeinde ihre neu gebaute Synagoge ein, mit der die fünfzig Jahre zuvor abgebrannte Synagoge ersetzt wurde. Um diese herum fanden sich die anderen für das jüdische Leben wesentlichen Bauten: eine
Obwohl Colmar den Juden der Region Zuflucht geboten hatte, als sie im Jahr 1338 von einem Mob angegriffen wurden, veränderte der Ausbruch der Pest das Klima. Im Dezember 1348 wurde ein Jude festgenommen und der
Fast unverzüglich nach dem Massaker wurde der im jüdischen Viertel gefundene Besitz aufgeteilt und abverkauft. Mitte des 15. Jahrhunderts wurden die Bücher und Thorarollen der Gemeinde zerschnitten und als Pergamentmakulatur für die Herstellung christlicher Bücher verwendet. Die Gebäude wurden zu unbekannten Zeitpunkten abgerissen und durch Neubauten mit anderer Funktion ersetzt. Die Judengasse hieß noch über Jahrhunderte so, doch wurde auch sie 1945 zu Ehren eines Wohltäters der Stadt umbenannt. Der Schatz aber ist als bewegendes Zeugnis der Lebenskraft einer jüdischen Gemeinde des Mittelalters auf uns gekommen.