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Die Alte Synagoge in Erfurt | Geteilte Geschichte | bpb.de

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Die Alte Synagoge in Erfurt

Maria Stürzebecher

/ 6 Minuten zu lesen

Vor dem Judenpogrom Mitte des 14. Jahrhunderts diente die Erfurter Synagoge einer der lebendigsten jüdischen Gemeinden im deutschsprachigen Raum als Gotteshaus.

Die Alte Synagoge in Erfurt. Um 1100 bis Mitte des 14. Jh.s, Sandstein, Kalkstein. Externer Link: Shared History Projekt. (Die Geschichtsmuseen der Landeshauptstadt Erfurt; Foto: Leo Baeck Institute – New York | Berlin) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Das Objekt

Um 1100 wurde die erste Interner Link: Synagoge in der Stadtmitte von Erfurt errichtet. Dieses Gebäude wurde bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts von der dortigen jüdischen Gemeinde als Synagoge genutzt und zu diesem Zweck mehrmals modernisiert und erweitert. Danach diente das Gebäude als Lager, später als Restaurant, und ist heute ein Museum.

Historischer Kontext

Vom Zentrum der jüdischen Gemeinde im Mittelalter zum Museum, das deren wichtige Geschichte dokumentiert.

Inmitten der Altstadt von Erfurt liegt ein außergewöhnliches Gebäude: die Alte Synagoge Erfurt. Dieses Kleinod der Geschichte ist nicht so leicht zu finden, steht es doch versteckt in einem Hinterhof zwischen Waagegasse, Benediktsplatz, Michaelisstraße und Fischmarkt. Dieser Standort an einem nicht direkt von der Straße einsehbaren Platz ist typisch für Interner Link: mittelalterliche Synagogen in Vierteln, in denen Juden und Christen Tür an Tür miteinander wohnten. Dennoch kann das Wohngebiet als jüdisches Viertel bezeichnet werden, da es mehrheitlich von Juden bewohnt wurde, nahe bei einander und den Institutionen ihrer Gemeinde. Das jüdische Viertel lag mitten in der Stadt, im Bereich zwischen Rathaus, Krämerbrücke und der Kirche St. Michael – auch dies ist für jüdische Siedlungen im Europa des Mittelalters üblich. Erfurt unterstand der weltlichen Herrschaft der Mainzer Erzbischöfe, die die Schutzherren der dortigen jüdischen Gemeinde waren.

Die Synagoge bildete das Zentrum des jüdischen Gemeindelebens und damit auch des jüdischen Viertels. Ihre Baugeschichte spiegelt die Geschichte der Erfurter jüdischen Gemeinde im Mittelalter wider. Ebenso gibt sie Zeugnis von den anschließenden Umbauten und Veränderungen am Gebäude. Die ältesten Teile der westlichen Mauer stammen aus der Zeit um 1100; sie sind die einzigen Zeugnisse einer jüdischen Gemeinde in Erfurt aus diesem frühen Zeitraum. Heute lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren, wie das Gebäude in dieser Zeit ausgesehen hat; dies gilt auch für die zweite Bauphase der Synagoge im 12. Jahrhundert. Auch hier ist nur ein kleiner Teil der westlichen Mauer mit einem gekuppelten Fenster (biforium) aus Sandstein erhalten.

Die Erfurter jüdische Gemeinde war eine der wichtigsten Interner Link: jüdischen Gemeinden im deutschsprachigen Raum. Um 1270 errichtete sie eine große und prächtige Synagoge und nutzte dabei Teile des Vorgängerbaus. Bis heute wird ihre markante Westfassade von den fünf Spitzbogenfenstern und einer großen Rosette mit dominantem Maßwerk bestimmt. Über den hohen Innenraum spannte sich ein Tonnengewölbe. Kurz nach 1300 wurde die Synagoge um einige Meter nach Norden erweitert. Dieser Anbau besaß eine prachtvolle, symmetrische Fassade mit der Synagogenpforte in der Mitte und fünf in einer Reihe darüber angeordneten Spitzbogenfenstern.

Alte Synagoge in Erfurt. (© picture-alliance, imageBROKER | Karl F. Schöfmann)

Im Jahr 1349 endete die Nutzung des Gebäudes als Synagoge mit dem bis dahin tragischsten Tag in der Geschichte der Erfurter Juden im Mittelalter. Am 21. März erreichte die Interner Link: Welle der Judenverfolgungen, die im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Pest durch Europa gelaufen war, auch Erfurt. Es war Interner Link: Schabbat, und so wurden viele Juden in der Synagoge erschlagen, während andere Gemeindeglieder in den Straßen oder in ihren Häusern umgebracht wurden. Das ganze Viertel brannte nieder. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde die gesamte jüdische Gemeinde von Erfurt, die auf 300 bis 400 Mitglieder geschätzt wird, ausgelöscht. Nach diesem verheerenden Pestpogrom, bei dem auch die Synagoge schwer beschädigt wurde, erwarb der Rat der Stadt Erfurt das Gebäude und veräußerte es anschließend an einen Kaufmann. Er baute die Synagoge zum Lagerhaus um, in dem er es unterkellerte und in den Gebetsraum zwei Zwischendecken einzog, um mehrere Stockwerke zu gewinnen; ebenso errichtete er ein neues Dach. Diesem Umbau fiel fast die gesamte Inneneinrichtung der Synagoge zum Opfer: Die Bima (Lesepult) wurde zerstört, ebenso der Toraschrein an der östlichen Wand, durch die Mitte des 14. Jahrhunderts ein großes Tor geschlagen wurde. Nur das Gesims, auf das zur Beleuchtung der Synagoge bei den Gottesdiensten Lampen oder Kerzen gestellt wurden, ist teilweise erhalten geblieben.

Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Synagoge einer Vielfalt von Nutzungen zugeführt. So wurde sie umgebaut zu einer Gaststätte mit Tanzsaal, Küche und Speisesaal; es gab sogar zwei Kegelbahnen. Bedingt durch diese Umbauten und auch wegen der zum Teil direkt an ihre Mauern angrenzenden Nachbargebäude war der einstige Synagogenbau über lange Zeit kaum als solcher erkennbar. Aus diesem Grund blieben die Ursprünge des Gebäudes unbekannt – und der Bau überstand unbeschadet die Zeit des Nationalsozialismus.

Erst seit den späten 1980er Jahren ist die Synagoge wieder in das öffentliche Bewusstsein gerückt. 1992 begann der Bauhistoriker Elmar Altwasser mit seinen Untersuchungen des Gebäudes. Im Jahr 2007 waren sie abgeschlossen und er veröffentlichte seine Ergebnisse im Jahr 2009. Die Stadt Erfurt hatte das Gebäude 1998 gekauft und umfängliche Untersuchungen und Sanierungsarbeiten durchführen lassen. Heute dient die Synagoge als Museum zur Geschichte der jüdischen Gemeinde im Mittelalter und ist damit wieder einer angemessenen Nutzung zugeführt worden.

Persönliche Geschichte

Die Frau hinter der Geschichte der Restaurierung der Erfurter Synagoge

"Für mich ist die Alte Synagoge wie ein eigenes Kind!" So formulierte es Rosita Peterseim, wenn sie über das berichtete, was wahrscheinlich eines ihrer wichtigsten Projekte gewesen ist. Und mit diesem Satz hatte sie Recht – ohne sie hätte die jüngere Geschichte dieses außerordentlichen Gebäudes sicherlich einen anderen Verlauf genommen.

Über Jahrhunderte war die Alte Synagoge vergessen. Auch wenn ihre Existenz unter Fachleuten immer bekannt war, so hatten tiefgreifende Umbauten, die vor allem mit ihrer Nutzung als Gaststätte seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zusammenhingen, ihr Aussehen grundlegend verändert. Erst in den späten 1980er Jahren wurde die Alte Synagoge wiederentdeckt; hierbei spielte Rosita Peterseim eine entscheidende Rolle. An der Universität Leipzig hatte sie Kunstgeschichte und Geschichte studiert. 1987 war sie beim Interner Link: VEB Denkmalpflege Erfurt beschäftigt, dem die Erhaltung von historischen Denkmälern in der Stadt und ihrer Umgebung oblag. Dort begann sie im Auftrag von Kurt Löffler, dem Staatssekretär für Interner Link: Kirchenfragen der DDR, mit Recherchen zu jüdischen Kulturstätten in Erfurt. Es galt, sie in Vorbereitung auf den 50. Jahrestag der Novemberpogrome 1988 ausfindig zu machen und – falls erforderlich – zu renovieren. Bei ihren Recherchen in Veröffentlichungen, historischen Quellen und den Akten des Bauarchivs fand sie Hinweise auf die Alte Synagoge in der Stadtmitte Erfurts. Es gelang ihr, die bis dahin weitestgehend unbekannte Synagoge als ein Gebäude zwischen Fischmarkt und Michaelisstraße zu identifizieren.

Die auf allen Seiten von Nachbarbauten umgebene Alte Synagoge war so umfassend umgebaut worden, dass eine Einschätzung über ihren baulichen Zustand und ihre Erhaltung unmöglich war. Nur unter abenteuerlichen Bedingungen konnte Rosita Peterseim mittelalterliches Mauerwerk entdecken – indem sie durch das Fenster der Herrentoilette im Gasthaus Feuerkugel in einen engen, nördlich gelegenen Zwinger stieg und über den Dachboden eines benachbarten Gebäudes kletterte. Der beeindruckende Dachstuhl ließ sich ebenfalls leicht als mittelalterlich identifizieren.

Obwohl der Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR über die mittelalterliche Synagoge informiert wurde, gab es keine Antwort. Nachdem 1989 die Mauer gefallen war, wurden Rosita Peterseims Recherchen die Grundlage für weitere Maßnahmen. In den frühen 1990er Jahren arbeitete sie in der städtischen Denkmalsbehörde von Erfurt und sorgte dafür, dass mit Erhaltungsarbeiten begonnen wurde. Auf Grund ihres großen Interesses an jüdischer Kultur und Geschichte wurde Rosita Peterseim die Betreuung der jüdischen Kulturdenkmäler, ihre Bewahrung, Restaurierung und Pflege übertragen.

In dieser Zeit wurde auch mit den Forschungen zur Geschichte des Gebäudes begonnen und gleichzeitig Überlegungen angestellt, wie das historische Gebäude einer öffentlichen Nutzung zugeführt werden könnte. Doch war die Synagoge zusammen mit den sie umgebenden Gebäuden in den Besitz der Interner Link: Treuhandanstalt gelangt, die für die Privatisierung ehemals staatseigener Vermögenswerte der DDR zuständig war. Ersten Plänen zufolge sollten ein Restaurant und eine Brauerei in den Gebäudekomplex einziehen. Erst nach jahrelangen Verhandlungen konnte die Stadt Erfurt das Gebäude im Jahr 1998 erwerben.

Damals bewiesen die handelnden Personen bewundernswerten Weitblick, denn zum Zeitpunkt des Ankaufs der Alten Synagoge waren weder deren vollständige Baugeschichte, noch alle Baumängel bekannt, und hinsichtlich ihrer zukünftigen Nutzung existierte nur in Grundzügen ein Konzept. Parallel mit der weiteren Erforschung und der anschließenden Sanierung des Gebäudes wurde dann ein Nutzungskonzept als Museum entwickelt, das der Öffentlichkeit mittelalterliche Sachzeugnisse der jüdischen Gemeinde Erfurts zugänglich macht. Ohne Rosita Peterseim wäre dieses einzigartige, 2009 eröffnete Museum nicht möglich gewesen.

Dieser Beitrag ist Teil des Externer Link: Shared History Projektes vom Externer Link: Leo Baeck Institut New York I Berlin.

Weitere Inhalte

Maria Stürzebecher ist Kunsthistorikerin und hat über den Erfurter Schatz promoviert. Sie ist Kuratorin des Museums Alte Synagoge Erfurt und mit der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit der UNESCO-Bewerbung der Stadt Erfurt mit den Bau- und Sachzeugnissen der jüdischen Gemeinde im Mittelalter befasst. Seit 2012 gibt sie die Reihe "Erfurter Schriften zur Jüdischen Geschichte" heraus, 2020 erschien der 6. Band "Ritual Objects in Ritual Contexts."