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Stimmen gegen das Wahlrecht – der "Deutsche Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation" und andere GegnerInnen

PD Dr. Tobias Kaiser

/ 6 Minuten zu lesen

Sobald ein Frauenwahlrecht laut gefordert wurde, waren die Gegner und Gegnerinnen dieses Rechtes zu vernehmen. Vor allem der Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation kämpfte gegen das Wahl-und Stimmrecht der Frau.

Faksimile der Zeitschrift "Monatsblatt des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation", 1913. In diesem Bund organisierten sich die "Antifeministen", um ihre seit Jahren immer intensiveren Aktivitäten zu systematisieren. Ein Viertel der Mitglieder des Bundes waren Frauen.

Vor seiner Einführung wurde über das Frauenwahlrecht vehement gestritten. In der Zeit um 1900 wurde die Frauenbewegung immer stärker. Bei den Reichstagswahlen 1912 konnte die Sozialdemokratie, die das Frauenwahlrecht befürworte, einen großen Wahlerfolg erringen. Die Mitgliedsverbände des bürgerlichen "Bund Deutscher Frauenvereine" beschlossen erneut (nach 1902) mit nur einer Ausnahme – der Deutsch-Evangelische Frauenbund hatte seine neutrale Haltung zu Protokoll gegeben – die Forderung nach Einführung des Frauenwahlrechts zum Programm zu erheben. Die BefürworterInnen des Frauenwahlrechts befanden sich also im Aufwind.

Aber auch die Gegner des Frauenwahlrechts formierten sich. Im selben Jahr entstand der "Deutsche Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation". Mit dieser Verbandsgründung gaben sich die "Antifeministen" – ein Begriff dieser Zeit – einen organisatorischen Rahmen, um ihre seit Jahren immer intensiveren Aktivitäten zu systematisieren. Sie könne, so die Frauenrechtlerin Minna Cauer, "kaum ein Blatt von rechtsstehender und agrarischer Seite in die Hand nehmen, ohne daß nicht irgend ein Artikel aus männlicher oder weiblicher Feder der 'Antis' darin steht."

Dem antifeministischen Verband gehörten, wie Ute Planert in ihrer Untersuchung zum Antifeminismus herausarbeitete, "Männer und Frauen aus der protestantisch-urbanen Mittel- und Oberschichten des Kaiserreiches: Ärzte und Professoren, hohe Staatsbeamte und Juristen, Lehrerinnen und Rassenhygieniker, Hausfrauen, Offiziere und Gutsbesitzer, Journalisten, Pfarrer, Politiker" an. Ein Viertel der Mitglieder waren Frauen – eine vergleichsweise hohe Quote.

Was waren die Argumente dieser Frauen und Männer gegen das Frauenwahlrecht?

Die "Gefahr" der Demokratie

Ein überraschendes Argument war die Warnung vor der Demokratie. Dass die Demokratie "ohne das Frauenstimmrecht nicht vollkommen" sei, könnte man als starkes Argument für die Einführung des Frauenwahlrechts sehen. Denn die Einführung des Frauenwahlrechts ist eine demokratietheoretische Notwendigkeit, war zuvor die Hälfte der Menschheit in den Parlamenten nicht repräsentiert. Das Zitat stammt jedoch nicht von BefürworterInnen des Frauenwahlrechts, sondern aus einer Denkschrift der GegnerInnen, in der davor gewarnt wird, dass "die Frauenstimmrechtsforderung die Blüte des radikalen Demokratismus darstellt."

Das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht war nämlich keineswegs selbstverständlich. Debatten um Wahlrechtsreform und Erweiterung der Wählerschaft prägten das 19. Jahrhundert. Im Interner Link: Deutschen Kaiserreich wurde auf nationaler Ebene ein gleiches und geheimes Männerwahlrecht eingerichtet, im wichtigsten Gliedstaat Preußen blieb es jedoch beim Dreiklassenwahlrecht, das nach Steuerklassen unterschied und die Besitzenden bevorzugte.

Jegliche Debatte um das Frauenwahlrecht bedeutete immer auch eine Positionierung in Fragen des allgemeinen Wahlrechts. Die KritikerInnen einer Wahlrechtserweiterung standen nach eigenem Verständnis auf konservativer Seite. In heutiger Analyse – so Ute Planert – können die meisten AntifeministInnen dem nationalistischen und völkischen Lager zugeordnet werden. Sie wandten sich mit ihrer Argumentation an breite bürgerliche Kreise, deren Angst vor Revolution, Arbeiterbewegung und Sozialismus sie gezielt ansprachen. Die Abgrenzung zur Sozialdemokratie erschien ihnen so klar, dass sie gar nicht mehr begründet werden musste. Die Warnung vor der Demokratie bedeutete in dieser Logik eine Warnung vor revolutionären Ideen, vor Partizipationsforderungen und Parlamentarisierung. Dagegen stand das monarchische Prinzip und die Forderung nach einem starken, "wahren und vollkommenen Staat" (Hans Delbrück), der in dieser Denkweise ein "männlicher Staat" war. Das Frauenwahlrecht erschien den AntifemistInnen als geradezu provozierende Erweiterung der Partizipationsansprüche bisher als politikfern betrachteter Personen.

"Frauenglück" als Argument – Gefahr für die Familie und der "wahre" Wille der Frauen

Die Behauptung, dass die meisten Frauen das Wahlrecht eigentlich gar nicht wollten, findet sich in etlichen Quellen. Die GegnerInnen waren sich sicher, "daß die allergrößte Mehrheit der deutschen Frauen und Männer das Frauenstimmrecht als ein nationales Unglück" ansehe. Die Trägerinnen der Emanzipationsbestrebungen seien "zum allergrößten Teil ledige Frauen" und als solche "in der Entwickelung stehen[geblieben]"; diese Frauen seien "nie zu voller Menschenblüte" gelangt, so dass "ihr Urteil über Frauenglück deshalb nicht maßgebend sein" könne. Bedauerlicherweise folge ihnen jedoch "eine Anzahl einflußreicher, irregeleiteter oder ehrgeiziger verheirateter Damen der Gesellschaft" – so die Schrift von Langemann und Hummel.

Der Versuch ist erkennbar, die Befürworterinnen des Wahlrechts zu diffamieren und die Frauen in verschiedene Gruppen zu spalten. Die EmanzipationsgegnerInnen betonten in diesem Zusammenhang, dass Mutterschaft und Hausfrauentätigkeit die eigentlichen Aufgaben der Frau seien. "Der Frau gehört das Haus, hier ist ihr Reich und ihre Welt, hier bildet sie sich zur Persönlichkeit, hier leistet sie ihrem Volke die allergrößten Dienste, hier schafft sie ihr Teil an dem Kulturwerk der Menschheit!" Mit diesen Worten versuchte die Antifeministin Helene Hummel ihre Vorstellung vom "Frauenglück" zu beschreiben.

Eine Fehlentwicklung sei deshalb die zunehmende Berufstätigkeit der "neuen Frau". Diese hindere die Frau, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Die Diskussion um einen angeblich die Nation gefährdenden Geburtenrückgang, in der sich auch Antisemiten und Rasseideologen exponierten, wirkte in diesem Kontext als "Katalysator des Antifeminismus" (Ute Planert).

Mit aus heutiger Sicht irritierenden, teilweise absurden Argumentationen versuchten die AntifemistInnen, ihre Ansichten biologisch und somit angeblich wissenschaftlich zu begründen. Ein Großteil des 1912 erschienenen Buches "Frauenstimmrecht" von Friedrich Sigismund wurde durch Ausführungen über körperliche und geistige Unterschiede zwischen Männern und Frauen ausgefüllt. Auch die Tatsache, dass ein Buch wie Paul J. Möbius‘ "Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes" vom ersten Erscheinen 1900 bis zum Jahr 1922 zwölf Auflagen erlebte, passt ins Bild. Breit diskutiert wurde über die Hysterie, die angeblich Frauen betreffe. Insgesamt seien die körperlichen und geistigen Unterschiede zwischen den Geschlechtern so groß, dass sich die gesellschaftliche Aufgabenteilung zwischen Staat und Familie naturgemäß ergebe – und sich das Frauenwahlrecht demnach als widernatürlich herausstellen müsse.

Die Wirkung solcher "wissenschaftlichen" Erkenntnisse sollte nicht unterschätzt werden. Zusammen mit rassenbiologischen, antisemitischen und national-chauvistischen Grundeinstellungen konnte sich so eine Gegnerschaft gegen eine auf Menschenrechten aufgebaute bürgerliche Gesellschaft verfestigen.

Frauenwahlrecht als "nationaler Selbstmord" – gegen die Internationalität

Für die AntifeministInnen war die Tatsache, dass die Frauenbewegung international vernetzt war, bereits Argument genug, um sie abzulehnen. Die Frauenstimmrechtsbewegung sei "kein deutsches Gewächs, sie stammt aus dem Auslande und ist besonders durch die internationalen Frauenkongresse bei uns eingeschmuggelt worden."

Die Politik des deutschen Staates, von dem man "eine Großmachts- und Weltmachtspolitik" erwartete, müsse durch Männlichkeit geprägt werden, weshalb das Frauenstimmrecht einem "nationalen Selbstmord" gleichkomme, so der Antifeminist Werner Heinemann. Ludwig Langemann, langjähriger Vorsitzender des "Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation", formulierte 1913 pathetisch: "Wenn auch alle europäischen Völker am Weibe verkommen sollten, das deutsche Volk, das männlichste Volk der Erde, an dessen Wesen noch die Welt genesen soll, muß im heiligsten Interesse der Menschheit vor diesem Schicksal bewahrt werden."

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam die internationale Kooperation der Frauenbewegung nahezu zum Erliegen – mit der bemerkenswerten Ausnahme der beiden internationalen Frauenfriedenskongresse 1915, die von den AntifeministInnen scharf kritisiert wurden. Die Mehrzahl der Frauen stellte jedoch ihre politischen Bemühungen um das Frauenwahlrecht zurück und engagierte sich an der sogenannten Heimatfront.

Die AntifemistInnen setzten nun auf den militärischen Sieg des männlich-monarchistischen Deutschlands und sahen sich in ihren Ansichten prinzipiell bestätigt. Dass es im Krieg zu einer Annäherung von Sozialdemokratinnen und bürgerlichen Frauenrechtlerinnen kam, die letztlich 1918/19 die Einführung des Frauenwahlrechts beförderte, kann als gewisse Ironie der Geschichte bezeichnet werden.

Resümee

Die GegnerInnen des Frauenwahlrechts warnten politisch vor Internationalismus, Demokratie und Massenherrschaft, argumentierten mit einer naturgegebenen Trennung der Aufgabenbereiche von Männern und Frauen, griffen dabei auf biologische und pseudowissenschaftliche Begründungen zurück. Dass die Argumentation der GegnerInnen des Frauenwahlrechts nicht immer schlüssig war, wurde schon von Hedwig Dohm erkannt, die die Debatte in ihrer Essaysammlung "Die Antifeministen" pointiert karikierte. Die Position der AntifeministInnen war jedoch durchaus relevant und sie kann als eine typische Reaktion auf eine Gesellschaft im Umbruch interpretiert werden. Das Frauenstimmrecht wurde zum "Kristallisationspunkt konservativer Kritik" an den gesellschaftlichen Veränderungen so Kirsten Heinsohn. Es wurde letztlich zum Symbol der Ablehnung einer Modernisierung.

Die mehrfach erwähnte Denkschrift von Langemann und Hummel zitiert einen kirchlichen Redner: "Meine Herren, wenn das [Frauenwahlrecht] erreicht wird, dann ist die Entwicklung von 1789 an ihrem Endpunkte angelangt. Die völlige Atomisierung der Gesellschaft, die völlige Herausreißung der Menschen aus den natürlichen Lebensgemeinschaften hat sich dann vollzogen. Die Entwicklung ist zum Abschluß gekommen, die den Menschen nicht als Persönlichkeit, sondern als Zahl wertet."

Aus Angst vor der modernen Massendemokratie entstand eine erstaunliche Verdrehung der Perspektive, werden doch die individuellen Menschenrechte, die mit der Französischen Revolution postuliert wurden und die bekanntlich kein Geschlecht kennen (sollten), als Verlust der Persönlichkeit angesehen. Das Gegenteil ist der Fall. Und dass die politische Gleichheit der Geschlechter eine notwendige Konsequenz der Ideen von 1789 ist, wird durch die Analyse der Positionen der Gegner des Frauenwahlrechts nur nochmals deutlicher.

Weitere Inhalte

Studium der Geschichte und Mathematik. Promotion 2004, Habilitation 2018. Seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Berlin. Forschungsschwerpunkte: Parlamentarische Kultur(en), europäischer Parlamentarismus.