Mit den Verordnungen des Rats der Volksbeauftragen unter Leitung des SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert führte Deutschland am 12. 11. 1918 als eine der ersten Industrienationen das Frauenwahlrecht ein. Damit erfüllte sich eine alte Forderung der Sozialdemokratie, die sie bereits 1891, als erste deutsche Partei, in ihr Parteiprogramm aufgenommen hatte. Das Wahlrecht war indessen kein 'Geschenk' der neuen Republik an ihre Bürgerinnen und auch nur bedingt die 'Belohnung' dafür, dass Frauen während des Weltkrieges 'ihren Mann gestanden' hatten. Vielmehr verkündete der Rat der Volksbeauftragten eine generelle Erweiterung politischer Teilhabe, neben dem Frauenwahlrecht die Einführung des Verhältniswahlrechts, die Senkung des Wahlalters und die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen. 1918 blickten deutsche Frauenrechtlerinnen auf die Arbeit zweier Generationen zurück: Das Frauenwahlrecht war seit Mitte des 19. Jahrhunderts aber nur eine von vielen emanzipatorischen Forderungen der
Washington 1888: Der Internationale Frauenbund
Der Kampf um das Frauenwahlrecht war allerdings nicht nur eine nationale Angelegenheit – er war auch immer international. Nationale Frauenorganisationen hielten sich gegenseitig über ihre Aktivitäten auf dem Laufenden: Ihre Aktivistinnen trafen sich auf internationalen Kongressen und pflegten eine weitverzweigte Korrespondenz; darüber hinaus berichteten Frauenzeitschriften über die emanzipatorischen Fortschritte in anderen Ländern. Vor allem basierte die internationale Vernetzung der Frauenbewegungen auf den persönlichen Kontakten, die Frauen in internationalen Organisationen knüpften. Die älteste und größte dieser Organisationen war der International Council of Women (ICW), der Internationale Frauenbund, dessen Gründung auf die U.S. Frauenrechtlerinnen Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony zurückgeht. Sie reisten bereits 1882 nach England und Frankreich, um eine internationale Vereinigung für das Frauenwahlrecht zu gründen; erst 1888 aber konnten sie diese Idee umsetzen. Der ICW gründete sich auf einer Tagung des amerikanischen Stimmrechtsverbandes in Washington, D.C., hatte aber noch keine Mitglieder, da nur nationale Verbände beitreten konnten, die aber in keinem Land außer den USA existierten. Die Gründung des deutschen Dachverbandes, der
Der ICW war von Anfang an darauf bedacht, Frauen jenseits der Stimmrechtsbewegung anzusprechen. Sein Gründungsaufruf richtete sich an "alle Frauenverbände der Angestellten und höheren Berufe, an Frauenreformvereine und solche, die politische Rechte fordern." Obwohl die Gründerinnen des ICW aus der US-amerikanischen Stimmrechtsbewegung kamen, standen auf dem zweiten internationalen Kongress des Verbandes 1899 in London andere Themen im Vordergrund: Die ersten beiden ständigen Kommissionen des ICW beschäftigten sich mit der rechtlichen Lage verheirateter Frauen sowie der Rolle internationaler Schiedsgerichte für die Friedenssicherung, ein Thema, das etliche Delegierte bereits als 'zu politisch' ablehnten. Hier zeigte sich schon früh das Dilemma des ICW – der Verband konnte sein Ziel, möglichst viele nationale Verbände unter sein Dach zu bringen, nur verwirklichen, wenn er kontroverse Fragen nationaler Politik, also auch das Stimmrecht, ausklammerte. Dennoch schuf der Verband bereits auf seinem nächsten Kongress 1904 in Berlin zwei weitere ständige Kommissionen, eine zum Thema Prostitution und Doppelmoral und eine zum Thema Frauenstimmrecht und Bürgerrechte – letzteres schien Alice Salomon, einer der Organisatorinnen des Kongresses, als "revolutionär", denn das "Frauenwahlrecht … war eine höchst kontroverse Angelegenheit".
Berlin 1904: Der Weltbund für Frauenstimmrecht
Auf dem Berliner Kongress war das Frauenwahlrecht ein Thema unter vielen, wenn auch eines, dessen "weiteste Verbreitung in extenso wünschenswert" war, wie die Organisatorin Marie Stritt im Vorwort des umfangreichen, mehrsprachigen Konferenzberichts betonte. In der Hauptstadt Preußens, wo es noch vier Jahre dauern sollte, bis Frauen sich überhaupt politisch engagieren durften, konnten sich die Kongressteilnehmerinnen über den Stand der Stimmrechtsbewegungen in Holland, den USA, Neuseeland, Schweden und England informieren. Auch in der letzten öffentlichen Abendversammlung unter dem Vorsitz der BDF-Präsidentin Marie Stritt ging es um das Frauenstimmrecht; mit Carrie Chapman Catt, Anna Howard Shaw, und Susan B. Anthony waren drei der prominentesten US-amerikanischen Aktivistinnen vertreten, und schließlich sprach eine Delegierte aus Neuseeland, wo Frauen 1893 das aktive Wahlrecht erhalten hatten. Damit hatte der ICW die Forderung nach dem Frauenwahlrecht zu einem seiner Kernprogrammpunkte gemacht. Er stellte aber den einzelnen Mitgliedsverbänden frei, das Frauenwahlrecht in ihrem eigenen Land zu fordern oder eben nicht. Auch mischte sich der Verband nicht in die Frage ein, welches Frauenstimmrecht die Mitgliedsverbände forderten – ein allgemeines und gleiches, oder eines, das analog zum jeweiligen Männerwahlrecht ausgeübt werden sollte und somit Beschränkungen nach Besitz oder Bildung unterliegen konnte.
Die Unterstützung des ICW für das Frauenstimmrecht war nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sich am Rande des Berliner Kongresses 1904 ein weiterer internationaler Verband explizit zur Durchsetzung des Frauenstimmrechts gründete, die International Women’s Suffrage Alliance (IWSA), der Weltbund für Frauenstimmrecht. Anders als der ICW verfolgte die IWSA von Anfang an nur ein Ziel – die Durchsetzung des Frauenwahlrechts in den Mitgliedsländern. Die Zahl der angeschlossenen nationalen Verbände wuchs bis zum Ersten Weltkrieg von den sechs Gründungsmitgliedern auf 26 an. Die Mitglieder des Weltbundes wollten ausschließlich für die Durchsetzung des Frauenwahlrechts arbeiten und gelobten auf dem Kongress 1911, dass auch Verbände aus Ländern, die bereits das Frauenwahlrecht eingeführt hatten, bis zu seiner vollständigen internationalen Durchsetzung weiterkämpfen würden. Aber auch die IWSA wandte sich bald anderen Frauenfragen zu, darunter Themen wie Zwangsprostitution und ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen.
Das Ziel vor Augen: Deutsche und internationale Entwicklungen nach 1908
Die Gründung des Weltbundes für Frauenstimmrecht und der Fall des Preußischen Vereinsgesetzes 1908 führten dazu, dass die deutschen Frauenstimmrechtsvereine kräftig wuchsen und sich effektiver organisierten. In ihrem Protestformen orientierten sich deutsche Aktivistinnen punktuell an den englischen und US-amerikanischen Suffragetten. Insbesondere die Mitglieder des "Bayrischen Vereins für Frauenstimmrecht" unter der Führung der Juristin
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges schien den Mitgliedern des Weltbundes der Sieg greifbar. Die Amerikanerin Carrie Chapman Catt gab sich in ihrer Ansprache als Präsidentin auf dem Kongress des Weltbundes in Budapest 1913 optimistisch: "Unsere Bewegung hat das letzte Stadium erreicht … Die Parlamente lachen nicht mehr über das Frauenwahlrecht, und Politiker beginnen, der Frage auszuweichen. Dies ist ein untrügliches Zeichen für den nahenden Sieg!" Tatsächlich hatte Neuseeland als erstes Land der Welt bereits 1893 das aktive Frauenwahlrecht eingeführt. In den USA konnten Frauen in den Staaten Wyoming, Utah, Washington, Kalifornien, Oregon, Kansas, Arizona und Illinois das volle Stimmrecht ausüben; nahezu überall konnten weiße Frauen auf Gemeindeebene wählen. Auch in Großbritannien war seit 1870 vielerorts das lokale oder regionale Frauenstimmrecht sukzessive eingeführt worden. In Europa hatten das damals noch russische Großherzogtum
Ein Jahr nach Kriegsende konnten Frauen in rund einem Dutzend europäischer Länder wählen, und bis 1931 kamen noch einmal zehn Länder in Europa dazu. Der