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Die Debatten um eine Frauenpartei

Dr. Elke Schüller

/ 6 Minuten zu lesen

So alt wie das Frauenwahlrecht, so alt sind auch die Debatten darüber, ob es nicht sinnvoller sei, eine eigene Frauenpartei zu gründen. Mangelnde Unterstützung von Frauen in Männerparteien, wurde bereits in der Weimarer Republik deutlich.

Ein Poster der Feministischen Partei DIE FRAUEN. Alle Frauenparteien entstanden aus der immer gleichen Unzufriedenheit mit den immer gleichen geschlechtsspezifischen Benachteiligungen und den männlich dominierten Partei- und Machtstrukturen. (© picture-alliance/dpa, dpaweb)

Die Idee einer Frauenpartei entstand in Deutschland bereits kurz nach 1900 innerhalb des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung – also mehr als ein Jahrzehnt bevor Frauen 1918 überhaupt das Wahlrecht erhielten. Seitdem gab es nicht nur immer wiederkehrende Debatten zum Thema vor allem in der Interner Link: Frauenbewegung, sondern auch Parteigründungen: Im Laufe des 20. Jahrhunderts konstituierten sich insgesamt vierzehn Frauenparteien, als erste die "Liberale Frauenpartei" 1907 im Kaiserreich, als letzte (und einzig heute noch existierende) die "Feministische Partei – Die Frauen" 1995 in der Berliner Republik.

Als Definition einer Frauenpartei kann noch immer gelten, was von sozialwissenschaftlicher Seite Mitte der 1920er Jahre anlässlich einer Debatte in der Frauenbewegungszeitschrift "Die Frau" von Hilde Lion formuliert wurde: "Das Vereinigungsmoment der Frauenpartei ist die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht. Ihr politisches Ziel ist die Verstärkung des weiblichen Einflusses im öffentlichen Leben entsprechend der Bedeutung des weiblichen Geschlechts für das Volksganze. Ihr politisches Mittel ist die Bildung einer geschlossenen Frauenvertretung innerhalb des Parlamentes."

Alle Frauenparteien entstanden aus der immer gleichen Unzufriedenheit mit den immer gleichen geschlechtsspezifischen Benachteiligungen und den männlich dominierten Partei- und Machtstrukturen, die bis heute andauern: Weder wurden (und werden) frauenpolitische Interessen ausreichend von den (Männer-)Parteien vertreten, noch waren (und sind) die Frauen auch nur annähernd adäquat ihres Bevölkerungsanteils von mehr als 50 Prozent in Parlamenten und Regierungen vertreten. Eine Frauenpartei galt (und gilt) vielen deshalb als möglicher 'dritter Weg' – jenseits der ‚Männerparteien‘ und auch jenseits außerparlamentarischer Einmischung über die Interner Link: Frauenbewegung – politische Macht erreichen zu können.

Im 20. Jahrhundert gab es drei Phasen besonders intensiver Debatten über eine Frauenpartei, in denen es auch zu Parteineugründungen kam: Die Weimarer Republik, die Nachkriegszeit und die 1970er Jahre in der Bundesrepublik.

Die Idee einer Frauenpartei in der Weimarer Republik

Nachdem 1907 die erste Frauenpartei noch als Konkurrenz für die Interner Link: Frauenstimmrechtsbewegung angesehen und nicht zuletzt deshalb von den aktiven Frauen aus der Frauenbewegung abgelehnt worden war, flammte die Debatte wieder auf, nachdem die Frauen 1918 endlich das aktive und passive Wahlrecht erhalten hatten. In Berlin gründete sich 1919 die "Freie Frauen-Partei Deutschlands", die es allerdings zu keinerlei Bedeutung gebracht zu haben scheint. Wohl auch deshalb, weil der überwiegende Teil der Frauenbewegung weiterhin bei seiner ablehnenden Haltung blieb und stattdessen zunächst für eine Mitarbeit in den ‚Männerparteien‘ plädierte, obwohl die Erfahrungen in und mit diesen bis dahin in jeder Beziehung enttäuschend und frustrierend gewesen waren – wie Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann immer wieder ausführten.

Der von Anfang an äußerst geringe Frauenanteil in den Parlamenten ging im Verlauf der Weimarer Republik weiter zurückging (von 8,7 Prozent in der Nationalversammlung 1919 auf 3,8 Prozent bei der Reichstagswahl 1933). Als sich die politischen Verhältnisse in Deutschland zuspitzten, nahm die Debatte über eine Frauenpartei (und nun auch über ihre abgemilderte Form, eine Frauenliste mit Kandidatinnen verschiedener Parteien) Mitte der 1920er und Anfang der 1930er Jahre wieder neue Fahrt auf und viele prominente Akteurinnen der Frauenbewegung beteiligten sich einer Debatte pro und contra einer eigenen Frauenpartei. Die Ablehnung war nicht mehr so einhellig wie in den früheren Diskussionen: eine Frauenpartei wurde nun teilweise als legitimes letztes Druckmittel den anderen Parteien gegenüber, mithin als berechtigte Waffe erachtet. Der richtige Augenblick zur Gründung einer Frauenpartei galt aber nach wie vor als noch nicht gekommen. Vor 1933 kam es deshalb nicht mehr zu einer Gründung und danach bestand für die nächsten 12 Jahre keine Möglichkeit mehr dazu, denn die Interner Link: NSDAP war die einzige noch in Deutschland zugelassene Partei.

Gründungsboom von Frauenparteien nach 1945

Bis 1945 hatte es zwar wiederholt heftige Debatten über eine Frauenpartei gegeben, aber keine relevante Parteigründung mit auch nur einigermaßen dauerhaftem Erfolg. Nach dem Ende des Nationalsozialismus’ schien einer ganzen Reihe von Aktivistinnen der Nachkriegsfrauenbewegung, die Zeit reif zu sein für eine Frauenpartei. In der amerikanischen Besatzungszone wurde im Herbst 1946 mit der "Sozialen Frauenpartei" die erste Frauenpartei der Nachkriegszeit lizenziert. Eine andere Initiative namens "Frauenpartei" erhielt die Lizenz der Militärbehörden erst nachdem sie sich umbenannt hatte in "Neue Partei". In der britischen Besatzungszone gab es Bemühungen, eine "Deutsche Frauenpartei" zu gründen, was aber zunächst am Widerstand der Besatzungsbehörden scheiterte. Sie konnte sich erst 1951 konstituieren. In der frühen Bundesrepublik kam es noch zu drei weiteren Gründungen: 1951 die "Allgemeine Frauenpartei", die sich 1952 (teilweise) mit der "Deutschen Frauenpartei" zur "Partei der Frauen" zusammenschlossen, und 1952 schließlich die "Unabhängige Frauenpartei".

Genau wie in der Frauenbewegung des Interner Link: Kaiserreichs und der Interner Link: Weimarer Republik stieß das Konzept einer Frauenpartei in den Frauenorganisationen der Nachkriegszeit auf großen Widerspruch und löste heftige Diskussionen aus. Einige ihrer Vertreterinnen, die sich noch an die früheren Debatten erinnerten, belegten mit zahlreichen Argumenten aus der Vorkriegsfrauenbewegung, dass eine Frauenpartei grundsätzlich unpolitisch, unwirksam und längst widerlegte Theorie sei.

Die neue Frauenbewegung – zwischen Autonomie und Institution

Im Rahmen der bundesrepublikanischen Restaurationsphase verschwanden alle in der unmittelbaren Nachkriegszeit konstituierten Frauenparteien wieder von der politischen Bildfläche. Das Konzept einer eigenständigen parteilichen Einmischung der Frauen fiel für fast zwanzig Jahre in einen Dornröschenschlaf, der erst mit den Anfängen der neuen Frauenbewegung um 1970 endete. Diese setzte zwar auf Autonomie statt auf Parteistrukturen, rüttelte aber das allgemeine politische Bewusstsein für die Frauenunterdrückung derart auf, dass auch die Idee einer Frauenpartei auf erneutes Interesse stieß. Zudem bot der historische Tiefstand des Frauenanteils von nur 5,8 Prozent im Bundestag 1972 unter Willy Brandt und seiner Parole "Mehr Demokratie wagen!", entsprechenden Anlass zur Empörung, sodass es zu fünf neuen Parteigründungen kam: 1970 die "Erste Frauenpartei" (alle Erinnerungen an die früheren Frauenparteien scheinen also verschüttet gewesen zu sein), außerdem die "Unabhängige Deutsche Frauenpartei", 1975 die "Deutsche Frauenbewegung" und 1979 als wohl bekannteste die "Frauenpartei", von der sich 1981 die Gruppierung "Frauen ins Parlament" abspaltete.

In der autonom-feministischen Frauenbewegung, die als Basisbewegung gerade auch aus der Kritik am herrschenden Parteiensystem und seiner Stellvertreterpolitik heraus entstanden ist, stießen diese Parteigründungen erneut auf grundsätzliche Bedenken und überwiegende Ablehnung. Sie wurden als Gründung an der Bewegung vorbei angesehen, die Kräfte binde, welche sinnvoller für die Entwicklung anderer, nicht parlamentarischer Organisationsformen eingesetzt werden sollten.

In den 1980er Jahren setzen viele frauenbewegte Frauen ihre Hoffnung in die neugegründete Anti-Parteien-Partei "Interner Link: Die Grünen" und arbeiteten dort mit. Aber auch dieses Modell scheiterte (partiell) und so waren frustrierte ehemalige Grünen-Wählerinnen und -Mitglieder 1995 federführend an der Gründung der "Feministischen Partei – Die Frauen" beteiligt.

Der ungebremste Optimismus der Gründerinnen, die glaubten, sie würden ‚Geschichte machen‘ hat sich bisher in keiner Weise bewahrheitet – weder für diese letzte Frauenpartei, noch für irgendeine andere: Der ‚dritte Weg’ erwies sich als Sackgasse und es gelang keiner Frauenpartei, ein einflussreicher politischer Faktor zu werden. Im Gegenteil, die vierzehn Frauenparteien des 20. Jahrhunderts haben so wenige historische Spuren hinterlassen, dass sie meist selbst nicht einmal von der Existenz ihrer jeweiligen Vorgängerinnen wussten, somit auch nicht aus deren negativen Erfahrungen lernen konnten. Trotz dieser Unkenntnis war allen Frauenparteien eine fast wortgleiche Argumentation eigen, alle waren den Konzeptionen der Geschlechterdifferenz verhaftet und setzten – entgegen aller Erfahrungen mit Differenzen untereinander – einen gemeinsamen Kulturwillen der Frauen und ihre grundsätzliche Andersartigkeit gegenüber dem Mann voraus.

Allen Frauenparteien gemeinsam ist auch, dass sie die grundsätzlichen Schwierigkeiten unterschätzt haben, eine ausreichend große Basis zu erreichen, die jede neue Partei braucht, um sich in der Parteienlandschaft erfolgreich etablieren zu können. Das grundlegendste Problem stellt die allgemeine Vermittlung dar, dass Frauenparteien jenseits des im Namen genannten politischen Schwerpunktes auch noch zu anderen Politikfeldern Aussagen zu machen haben. Das 'Vereinigungsmoment Frau' erwies sich als nicht ausreichend für einen Erfolg – oder mit einem Slogan aus der neuen Frauenbewegung ausgedrückt: Frausein allein ist kein Programm.

Weitere Inhalte

Sozialwissenschaftlerin, Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der Frauenbewegung, politische Partizipation von Frauen, Frauenpolitik und Biographien bedeutender Kämpferinnen für die Interessen der Frauen, Frauen in MINT, Mitarbeiterin des Gender- und Frauenforschungszentrums der Hessischen Hochschulen (gFFZ).