Die zeitliche Verschränkung des Endes des
Um diese Ereignisse Ende 1918 besser einschätzen zu können, soll im Folgenden der Kampf der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert um das Frauenwahlrecht vorgestellt werden. Hierzu ist es sinnvoll, den langen Prozess in drei Phasen zu unterteilen, nämlich in eine propagandistische Frühphase, die durch die Ideen der Französischen Revolution angestoßen wurde und einen ersten Höhepunkt in der 1848er Jahren hatte. Dann in die Organisationphase, die ab den 1890er Jahren vorbereitet wurde und 1914 durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erst einmal beendet wurde und drittens die eigentliche Kampfphase zwischen 1917 und 1918.
Die propagandistische Frühphase
Ausgelöst durch die Ideen der
"Wohl auf denn meine Schwestern, vereinigt Euch mit mir, damit wir nicht zurückbleiben, wo Alle und Alles um uns neben uns vorwärts drängt und kämpft. (…) Wir wollen unseren Theil fordern: das Recht, das Rein-Menschliche in uns in freier Entwicklung aller unserer Kräfte auszubilden, und das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staat."
Auch in einem anderen Artikel sprach sie sich dezidiert für das weibliche Stimmrecht aus. 1849 erschien das erste Heft des Publikationsorgans 'Die sociale Reform', herausgegeben von Louise Dittmar. In dieser nur vier Ausgaben umfassenden Zeitschrift legte Louise Otto sehr deutlich dar, dass Frauen zu den Gesetzen hinzugezogen werden müssten, welche sie betreffen. Aber nicht nur das. Sie forderte auch, die Frauen dort zu beteiligen, wo es galt, durch Wahl einen Vertreter des Volkes zu bestimmen – sie forderte also das Wahlrecht für die Frau. Die Louise Otto-Expertin Susanne Schötz geht sogar davon aus, dass Otto die erste Frau in Deutschland überhaupt war, die das Wahlrecht für ihr Geschlecht verlangte.
Eine weitere Einzelstimme, die in dieser Frühphase Argumente für ein Frauenwahl- und -stimmrecht bereitstellte, war die wortgewaltige und scharfzüngige Denkerin und Schriftstellerin Hedwig Dohm. In ihrem 1876 veröffentlichtem Werk: 'Der Frauen Natur und Recht' widmete sie einen großen Teil des Buches dem Stimmrecht der Frau. Dieser Text war ein Fanal für das Wahlrecht, ein auch heute noch gut zu lesender Essay, der mit den Vorurteilen seiner Zeit hart ins Gericht ging. Im Gegensatz zu Forderungen aus den vorausgegangenen Jahrzehnten, bei denen nie die Erklärung fehlte, warum die Frauen das Wahlrecht haben sollten, drehte Dohm den argumentativen Spieß um und fragte danach, warum Frauen es nicht hatten. Mit Dohms eigenen Worten:
"Die Frauen fordern das Stimmrecht als ihr Recht. Warum soll ich erst beweisen, daß ich ein Recht dazu habe? […] Der Mann bedarf, um das Stimmrecht zu üben, eines bestimmten Wohnsitzes, eines bestimmten Alters, eines Besitzes, warum braucht die Frau noch mehr? […] Die Gesellschaft hat keine Befugniß, mich meines natürlichen politischen Rechts zu berauben, es sei denn, daß dieses Recht sich als unvereinbar erwiese mit der Wohlfahrt des Staatslebens. Den Beweis dieses Antagonismus zwischen Staatsleben und Frauenrechten haben wir zu fordern. Man wird uns darauf warten lassen bis zum jüngsten Tag und sich inzwischen auf das Gottesgericht berufen, welches die Frau durch den Mangel eines Bartes als unpolitisches Wesen gekennzeichnet hat."
Mit diesen Äußerungen der Publizistin Hedwig Dohm war das Thema Frauenstimmrecht weiter in die Öffentlichkeit vorgedrungen, allerding waren dies bisher lediglich Einzelstimmen. Es zeichnet diese propagandistische Frühphase aus, dass hier das Thema formuliert und argumentativ aufbereitet wurde, es aber nicht zu einem politisch organisierten Kampf kam.
Die Organisationsphase
Lida Gustava Heymann: Broschüre zum Frauenwahlrecht, hrsg., vom Deutschen Verband für Frauenstimmrecht, München 1907. (© AddF Kassel; B-Nr-19775)
Lida Gustava Heymann: Broschüre zum Frauenwahlrecht, hrsg., vom Deutschen Verband für Frauenstimmrecht, München 1907. (© AddF Kassel; B-Nr-19775)
Die Organisationsphase umfasst eine argumentative Vorbereitungsphase ab den 1890er Jahren und die Etablierung der ersten Frauenstimmrechtsverbände ab 1902. Um die Forderung nach dem Wahlrecht innerhalb der Frauenbewegung miteinander diskutieren zu können, wurde das Thema seit den 1890er Jahren, als die Frauenbewegung in ihre Hochphase eintrat, von wichtigen Protagonistinnen der Bewegung in eigenständigen Publikationen dar- und vorgestellt. Auch in den Publikationen der Bewegung, also in den eigenen Zeitschriften der Frauenbewegung erschienen jetzt vermehrt Artikel zu diesem Thema. So veröffentlichte zum Beispiel die Frauenrechtlerin
Nach diesen schriftlichen Vorarbeiten gründete
Neben diesem bürgerlichen Engagement stand der Kampf der Sozialdemokratinnen um ihr Wahlrecht. Die SPD hatte bereits 1891 als einzige Partei das Frauenstimmrecht in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Clara Zetkin, bis 1917 Mitglied der SPD (später USPD dann KPD), gelang es mit dem Internationalen Frauentag einen jährlichen Propagandatag für das Frauenstimmrecht auch in Deutschland zu etablieren. Er wurde 1910 auf der II. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen ausgerufen. Die Frauen fassten hier den Beschluss, in jedem Land einen Frauentag zu installieren, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dienen sollte. Der erste Frauentag fand in Deutschland am 19. März 1911 statt und setzte durch Demonstrationen, eigenständige Publikationen und öffentliche veranstaltungen ein lautstarkes Signal für die Einführung des Frauenwahlrechtes. Clara Zetkin wurde nicht müde zu betonen, dass sie nicht für die bürgerlichen Frauen kämpfen würde, sondern alleine für die Arbeiterinnen.
Die organisierte Phase, in der sowohl die bürgerlichen Stimmrechtlerinnen als auch die Sozialistinnen das Thema Frauenwahlrecht in eine immer breitere Öffentlichkeit trugen, endete abrupt mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die
Die Kampfphase
Die entscheidende dritte Phase, die Kampfphase, begann mitten im Weltkrieg, im Jahr 1917. Hintergrund war die enttäuschende sogenannte Osterbotschaft des deutschen
Im Oktober 1918 erreichten die Proteste einen neuen Höhepunkt. In diesem Monat schickte die breite Frauen-Koalition eine Eingabe an den Reichskanzler, in der um eine Unterredung nachgesucht wurde, damit die "Forderungen der Frauen […], die auch in Deutschland bereits seit Jahrzehnten um politische Gleichberechtigung kämpfen […] eingehend begründet" (Zeitschrift für Frauenstimmrecht, 1./15.11.1918, Nr. 21/22, S. 43) werden könnten. Um diesem Gesuch Nachdruck zu verleihen, kam es Anfang November in Berlin, Hamburg und München zu großen Demonstrationen und Kundgebungen. Zu einer Unterredung mit dem Reichskanzler Prinz Max von Baden kam es dann allerdings nicht mehr, denn dieser inzwischen nicht mehr im Amt.
Am 12. November 1918 erklärte der Rat der Volksbeauftragten, der das politische Heft in die Hand genommen hatte, nachdem die Matrosen in Wilhelmshaven und Kiel durch ihren Aufstand den Sturz der Monarchie eingeleitet hatten, dass zukünftig "alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften […] fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen [sind; K.W.]" Damit war das heiß umkämpfte Frauenwahlrecht in Deutschland Realität geworden. Eingeführt durch den Rat der Volksbeauftragten; argumentativ vorbereitet und massiv gefordert von der Frauenbewegung.