Maastrichter Vertrag: Die Außen- und Finanzminister der zwölf EG-Staaten unterzeichnen in Maastricht (Interner Link: 9. - 11. 12. 1991) den Vertrag über die Europäische Union (EU). Er ist als Mantelvertrag angelegt. Nach der Präambel, wonach die europäische Integration auf eine »neue Stufe« gehoben wird, folgen nacheinander: Gemeinsame Bestimmungen (Titel I), Bestimmungen zur Änderung des EWG-Vertrags (Titel II), des EGKS-Vertrags (Titel III) und des EURATOM = EAG-Vertrags (Titel IV), Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Titel V), über die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (Titel VI) sowie die Schlussbestimmungen (Titel VII). Ergänzend sind 17 Protokolle zu unterschiedlichen Materien und 33 Erklärungen in der Schlussakte. Hauptentscheidungen: 1. Säule der EU ist die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Ihre erste Phase hatte am 1. 7. 1990 mit dem liberalisierten Kapitalverkehr und der verstärkt koordinierten Wirtschafts- und Währungspolitik der EG-Staaten begonnen; ihre zweite Phase beginnt am 1. 1. 1994 und endet frühestens am 31. 12. 1996, spätestens am 31. 12. 1998, und zwar mit der Zielsetzung, dass die EU-Staaten strenge Auflagen bezüglich Preisstabilität, Zinsniveau, Haushaltsdisziplin und Wechselkursmechanismen erfüllen; die dritte und letzte Phase beginnt frühestens zum 1. 1. 1997, spätestens zum 1. 1. 1999 für jene EU-Staaten, die die Konvergenzkriterien erfüllen und anstelle ihrer nationalen Währung die neue Europawährung einführen. über sie wacht die unabhängige Europäische Zentralbank (EZB), deren Aufbau das Europäische Währungsinstitut (EWI) in der zweiten Phase vorbereitet. 2. Säule der EU: Die bisherige Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) wird schrittweise zur intergouvernementalen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) weiterentwickelt und die Westeuropäische Union (WEU) als verteidigungspolitische Komponente ausgebaut - als Brücke zwischen NATO und EU. 3. Säule: In der Innen- und Rechtspolitik steht die Zusammenarbeit in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse im Vordergrund: Asyl-, Einwanderungs- und Visapolitik, Bekämpfung des Terrorismus, des Drogenhandels, der Geldwäsche und der organisierten Kriminalität, Aufbau eines Europäischen Polizeiamts (EUROPOL). In einem Protokoll und Abkommen über die Sozialpolitik vereinbaren elf Staaten, zum Schutze von Arbeitnehmern »auf dem durch die Sozialcharta von 1989 vorgezeichneten Weg« weiterzugehen. Großbritannien macht von der Möglichkeit des »opting out« Gebrauch und erhält insoweit einen Sonderstatus. Das Europäische Parlament (EP) erhält neue, aber weniger Kompetenzen als von deutscher Seite vorgeschlagen. Seiner Zustimmung bedürfen u. a. Beitritts- und Assoziierungsverträge, die Ernennung der Kommission und ihres Präsidenten, deren Amtszeit der Wahlperiode anzupassen ist. Das neue Mitentscheidungsverfahren stellt das EP bei Rechtssetzungsakten nur in den Bereichen Binnenmarkt, Bildung, Forschung, Kultur, Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz sowie in Teilbereichen von Verkehr, Telekommunikation und Energie mit dem Rat gleich; es kann diesbezüglich jetzt zwar wirksam Veto einlegen, verfügt aber wie bisher über kein Initiativrecht. Der neu geschaffene Ausschuss der Regionen besteht aus Vertretern regionaler und lokaler Gebietskörperschaften. Er bildet neben der ersten, d. h. gemeinschaftlichen, und der zweiten, d. h. einzelstaatlichen, die dritte, d. h. »substaatlich«-regionale Ebene. Der von den deutschen Bundesländern geforderte Ausschuss hat beratende Funktionen: bei der EG-Strukturpolitik, bei der Arbeitsweise des Agrar-, des Regional- und des Sozialfonds sowie des Kohäsionsfonds, der den »ärmeren« Staaten die Beteiligung an der WWU erleichtern soll. Die Unionsbürgerschaft wird eingeführt. Sie berechtigt jeden Unionsbürger in jedem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunal- und Europawahlen nach dem Wohnsitzprinzip wahrzunehmen. Das EP ernennt einen unabhängigen Bürgerbeauftragten (Ombudsmann), der für Beschwerden über Missstände in der Verwaltung zuständig ist. Das Petitionsrecht wird sanktioniert und ausgebaut. Das neu verankerte Subsidiaritätsprinzip grenzt die Aktionsfelder zwischen EU und Mitgliedstaaten ab. Danach kümmert sich die Gemeinschaft um öffentliche Aufgaben, für die sie nicht ausschließlich zuständig ist, nur dann, wenn die Mitgliedstaaten selbst sie nicht ausreichend lösen können. Sie sollen möglichst bürgernah auf »unteren« Ebenen (Gemeinden, Regionen und Ländern) geregelt werden, damit die viel gescholtene »EU-Bürokratie« nicht ausufert. Sie darf nur so viel entscheiden wie nötig, aber so wenig wie möglich.