Die von der Gemeinsamen Verfassungskommission (GVK) vorgeschlagenen Grundgesetzänderungen, die zu heftigen Kontroversen zwischen Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuss geführt hatten, treten in Kraft. Es handelt sich vor allem um folgende Verfassungsartikel: Erweiterter Art. 3 GG: Der Staat hat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken (Abs. 2). Verboten wird, Behinderte zu benachteiligen (Abs. 3). Eingefügter Art. 20a GG: Der Staat hat die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen. Damit wird der Umweltschutz zum Staatsziel. Erweiterter Art. 28 Abs. 2 GG: Die finanzielle Eigenverantwortung bei der kommunalen Selbstverwaltung wird gewährleistet. Neuer Art. 29 Abs. 8 GG: Die Länderneugliederung wird erleichtert. Die Länder können sie durch Staatsvertrag regeln. Er bedarf der Zustimmung des Bundestags und der Bestätigung durch Volksentscheid in jedem beteiligten Land bzw. Landesteil. Nach dem neuen Art. 118a GG kann die Neugliederung der Länder Berlin und Brandenburg abweichend von Art. 29 GG erfolgen. (Interner Link: 27. 4. 1995) Geänderte Art. 72, 74 und 75 GG: Die Kompetenz des Bundes betreffend die konkurrierende Gesetzgebung und die Rahmengesetzgebung wird durch eine Erforderlichkeitsklausel (»Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse«) eingeschränkt. Der Bund behält unter dieser Voraussetzung die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (neu u. a. für die Staatshaftung, die künstliche Befruchtung beim Menschen, die gentechnische Veränderung von Erbinformationen, für die Transplantation von Organen und Geweben) sowie die Rahmengesetzgebung, die nur noch in Ausnahmefällen Vollregelungen enthalten darf. - Bei Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Erforderlichkeitsklausel erfüllt ist, entscheidet das Bundesverfassungsgericht (eingefügter Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG). Geänderte Art. 76, 77 und 80 GG: Die Beratungsfristen für Stellungnahmen des Bundesrats oder der Bundesregierung zu Gesetzesvorlagen können ggf. von sechs auf neun Wochen verlängert werden. Der Bundesrat hat bei Zustimmungsgesetzen in angemessener Frist Beschluss zu fassen. Er kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlass zustimmungspflichtiger Rechtsverordnungen zuleiten und hat insoweit ein neues Initiativrecht. Geänderter Art. 87 Abs. 2 GG: Soziale Versicherungsträger bleiben landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts, wenn sich ihr Zuständigkeitsbereich nicht über mehr als drei Länder erstreckt und das aufsichtführende Land bestimmt ist. Der neue Art. 125a GG regelt die Fortgeltung von Bundesrecht, das auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung und der Rahmengesetzgebung vor dem 15. 11. 1994 erlassen worden ist.