Das Politbüro der SED tritt unter dem Zwang pausenloser Massenproteste und unzufriedener Mitglieder (»Wir sind die Partei«; »Für eine Parteiführung, die auf das Volk hört«) geschlossen zurück und dankt damit ab - ein ungewöhnlicher Vorgang. Das ZK bestätigt Egon Krenz erneut einmütig als Generalsekretär. Es wählt mit Gegenstimmen ein verkleinertes »reformiertes« Politbüro. Ihm gehört neu der bisherige Erste Sekretär der Bezirksleitung Dresden, Hans Modrow, als umstrittener »Reformer« an. Er wird auch für das vakante Amt des Regierungschefs vorgeschlagen. Nachdem Ungarn seine Westgrenze geöffnet (Interner Link: 11. 9. 1989) und dieser Dammbruch immer wieder neue Fluchtwellen ausgelöst hatte (»Wir wollen raus«), sah sich die SED-Führung außerstande, diese »Volksabstimmung mit den Füßen« zu verhindern - dies war zwar seit dem 13. 8. 1961 mit dem Bau der Mauer gelungen, nun aber endgültig misslungen. Doch stellte dieser Massenexodus das erstarrte SED-Regime weniger infrage als vielmehr und letztendlich der permanente Massenprotest mehrheitlich bleibewilliger Bürger (»Wir bleiben hier«). Sie demonstrierten für politische Veränderungen und Reformen, indem sie ihre Unzufriedenheit auf die Straße trugen. Ihnen ging es primär um vorenthaltene demokratische Freiheiten und Rechte. Sie übten ständig Druck auf die in sich zerstrittene, reformunfähige SED-Führungsspitze aus. Diese scheute offenbar davor zurück, die geplante »chinesische Lösung«, d. h. die blutige Niederschlagung der Protestbewegung, und damit den Bürgerkrieg zu wagen. So sah sich das handlungsunfähige SED-Politbüro zunächst in die Defensive gedrängt, dann zum Rückzug und zuletzt zur Abdankung gezwungen.