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🤔 Was ist los?
Seit Donald Trump im Januar 2025 zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt wurde, machen Zölle wieder Schlagzeilen. Nahezu im Tagestakt prasseln auf die Öffentlichkeit Drohungen, Ankündigungen, Absagen und Aufschübe ein – sowie Reaktionen von Handelspartnern, Unternehmen und Börsen. Damit kehrt ein Instrument ins Arsenal der Wirtschaftspolitik zurück, das über viele Jahrzehnte als überholt und schädlich galt.
Besondere Bedeutung haben dabei die Beziehungen zu den wichtigsten US-Handelspartnern Mexiko und Kanada. Mit den beiden Nachbarländern sind die USA seit den 1990er Jahren in der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) verbunden; das Abkommen verhandelte Trump in seiner ersten Amtszeit (2017-2021) neu und benannte es in Interner Link: USMCA um. Obwohl die drei Volkswirtschaften eng verflochten sind, ähnlich wie die EU-Länder untereinander, wollen die USA Güterimporte mit Zöllen in Höhe von 25 Prozent belegen. Bei Redaktionsschluss (Mitte März 2025) war unklar, ob bestimmte Gütergruppen oder Branchen doch noch ausgenommen würden – oder ob die Zölle überhaupt eingeführt werden.
Was sind Zölle?
Abgaben an den Staat, die beim Übergang über die Zollgrenze eines Landes oder eines Zollgebietes zu entrichten sind. In den vergangenen Wirtschaftsepochen dienten Zölle als Instrument der Einnahmebeschaffung für den Staat (Finanzzölle) sowie zur Beeinflussung der Wirtschaftsstruktur, z. B. als Schutzzölle, um die inländischen Anbieter vor der Auslandskonkurrenz zu schützen.
Aus: Lexikon der Wirtschaft, Zoll, Interner Link: www.bpb.de/21282.
Tatsächlich in Kraft gesetzt haben die USA Zollerhöhungen gegen China, die bislang um 20 Prozentpunkte angehoben wurden, Interner Link: zuzüglich zu den Zöllen, die bereits seit Trumps erster Amtszeit gelten. Angedroht hat der Präsident auch Maßnahmen gegen die Europäische Union (EU). Außerdem sind sogenannte reziproke Zölle angekündigt. Demnach sollen für verschiedene Länder unterschiedliche Sätze gelten, je nachdem, wie hoch dort die Zölle für US-Importe sind. Einige betroffene Länder haben Gegenmaßnahmen in Aussicht gestellt und teilweise bereits ergriffen.
Auch in den vergangenen Jahrzehnten der Interner Link: Globalisierung gab es immer wieder Handelskonflikte. In den 1980er Jahren beschränkten die USA die Einfuhr japanischer Autos. Die beiden großen Flugzeugbauer Boeing (USA) und Airbus (EU) boten immer wieder Anlass zu Streitigkeiten wegen – angeblicher – staatlicher Beihilfen. Zuletzt richteten sich Schutzmaßnahmen insbesondere gegen chinesische Importe: Sowohl die USA als auch die EU erhoben Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte, auf E-Autos, Batterien oder Solarpanele. Der Vorwurf unfairer Geschäftspraktiken – nämlich die massive Subventionierung bestimmter Branchen – seitens Chinas stand im Raum.
Die aktuelle Zuspitzung hat eine völlig andere Qualität. Es geht nicht mehr darum, Wettbewerbsverzerrungen zu begegnen und ein ebenes Spielfeld im Rahmen der Interner Link: Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) herzustellen. Nun geht es zum einen um reinen Protektionismus: Die Trump-Administration will inländische Produzenten gegenüber der ausländischen Konkurrenz systematisch bevorzugen. Trump, der sich selbst immer wieder als „Tariff Man“ bezeichnet hat, möchte zudem die Staatseinnahmen teilweise auf Ausländer verlagern – indem Exporteure einen Teil der US-Steuerlast übernehmen. Zölle sind für Trump zum anderen ein Instrument der Machtpolitik: mit der Androhung von massiven Handelsverlusten will der US-Präsident andere Länder auch zu Zugeständnissen in anderen Politikfeldern, etwa in der Migrationspolitik, bringen.
🫠 Ist das schlimm?
Zölle gelten in den Wirtschaftswissenschaften prinzipiell als schädlich. Und zwar insbesondere aus folgenden Gründen: Zölle…
schaden dem eigenen Land unmittelbar. Verbraucher und importierende Unternehmen im Inland bezahlen den überwiegenden Teil der Einfuhrsteuern in Form von Preisaufschlägen.
behindern den Wettbewerb. Da inländische Produzenten vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden, sinkt der Innovationsdruck. Entsprechend leidet die Produktivität.
begünstigen den Lobbyismus. Unternehmen investieren Geld und Personal, um die Politik dazu zu bringen, ihnen Schutz vor Wettbewerb zu gewähren. Auch das behindert die eigentliche Wertschöpfung.
erhöhen den Inflationsdruck. Auf geschützten Märkten mit schwacher Produktivitätsentwicklung kann sich leichter eine Preisdynamik verfestigen als bei offenen Grenzen.
destabilisieren die internationalen Beziehungen. Andere Länder reagieren typischerweise mit Vergeltungsmaßnahmen. Bei einem Handelskrieg schrauben die beteiligten Regierungen Zug um Zug die Zölle nach oben. Das Handelsvolumen schrumpft zusammen.
führen insgesamt zu Wohlstandsverlusten. Den beteiligten Nationen geht es am Ende schlechter als in einer Situation des Freihandels.
Können Zölle nicht auch gerechtfertigt sein? Im Prinzip ja. Das gilt insbesondere bei unfairem Wettbewerb. Wenn ausländische Konkurrenten von ihrer Heimatregierung Subventionen erhalten und deshalb ihre Produkte zu niedrigeren Preisen anbieten können – oder wenn sie versuchen, durch einen Verkauf unter Produktionskosten („Dumping“) Marktanteile zu gewinnen –, sind Ausgleichszölle mit internationalem Handelsrecht in Einklang.
Ähnliche Erwägungen können bei temporären Wirtschaftskrisen oder sicherheitspolitisch relevanten Branchen zum Tragen kommen. In Situationen, in denen ausländische Wettbewerber als Monopolisten auftreten oder sich zu Kartellen zusammengeschlossen haben und dadurch ungerechtfertigt hohe Preise verlangen, gelten Zölle als Möglichkeit, einen Teil der ausländischen Über-Gewinne in die eigene Staatskasse umzulenken („profit shifting“).
Auch andere Fälle von Marktversagen, etwa bei übermäßiger Belastung der Erdatmosphäre durch den Ausstoß von Treibhausgasen, sind Importabgaben prinzipiell gerechtfertigt. So will die EU Klimazölle auf Güter einführen („Carbon Border Adjustment Mechanism“ oder CO2-Grenzausgleichmechanismus), auf die im Herkunftsland keine ausreichenden Emissionsabgaben bezahlt wurden und die deshalb einen Preisvorteil gegenüber inländischen Konkurrenzprodukten genießen. Zu den Phänomenen des Marktversagens zählt auch die Existenz von technologiebedingten Markteintrittshürden. Wenn beispielsweise große Produktionseinheiten besser und günstiger arbeiten als kleine („economies of scale“), kann es gerechtfertigt sein, heimische Branchen solange zu schützen, bis sie zu kritischer Größe herangewachsen sind („Erziehungszoll“-Argument). Eine Strategie, die südostasiatische Entwicklungsländer bei ihrer Industrialisierung seit den 70er Jahren verfolgt haben.
Allerdings begründet die US-Regierung ihre Zölle nicht systematisch, sondern fallweise. Schlimmer noch: Trump bringt diverse handelsfremde Argumente vor – von angeblich zu laxen Grenzkontrollen für Migranten und Drogenschmuggler bis zur Durchsetzung von Gebietsansprüchen, wie er sie gegenüber Kanada oder Grönland erhebt.
Ständige, überraschende Zollankündigungen oder -aufhebungen sorgen für ein hohes Maß an handelspolitischer Unsicherheit. Damit fehlt Unternehmen eine solide Planungsgrundlage. Produktionsaktivitäten in die USA zurück zu verlagern lohnt sich aber nur, wenn klar ist, dass Zölle für längere Zeit gelten. Blieb dies aber ungewiss, weil die Regierung einen Zick-Zack-Kurs fährt, warten Unternehmen ab und stellen Investitionen zurück – was wiederum negative Auswirkungen auf Wachstum und Wohlstand hat.
Der Indikator für die handelspolitische Unsicherheit in den USA, der von Ökonomen der US-Notenbank FED ermittelt wird, erreicht aktuell die höchsten jemals gemessenen Werte (Grafik 1). Ein etwas anders konstruiertes Krisenbarometer, das unser Externer Link: Dortmunder Forschungszentrum DoCMA berechnet, zeigt, wie stark sich die geopolitische Unsicherheit auch in Deutschland niederschlägt (Grafik 2).
📰 Ist das neu?
Zölle gibt es länger als die modernen Staatswesen. Früher sicherten sie die Einnahmen von Anrainern der Handelswege. Später füllten sie die Staatsbudgets von Ländern, die es nicht schafften, ein effektives Steuersystem aufzubauen. Das Einnahmenargument zählt für wohlhabende Länder nicht mehr. Der Finanzbedarf der Staaten ist heute so groß, dass die USA auch bei für Trump günstigen Annahmen nur einen kleinen Teil ihrer Steuereinnahmen durch Zölle ersetzen könnten, wie Ökonomen des Peterson Institute for International Economics Externer Link: berechnet haben. Als Nebenwirkung kämen die Preiswirkungen der angekündigten Zölle gegen die Mexiko, Kananda und China einer Steuererhöhung gleich – der US-amerikanische Durchschnittshaushalt würde laut PIIE mit 1.200 Dollar im Jahr Externer Link: mehrbelastet. Die Wirkungen wären außerdem bei den unteren 60 Prozent der Einkommensverteilung am stärksten spürbar.
Leider gibt es für die derzeitige Zuspitzung ein historisches Vorbild. Im Sommer 1930 verhängten die USA inmitten einer schweren Wirtschaftskrise hohe Zölle, um heimische Branchen zu schützen. Trotz eindringlicher Warnungen von Konzernlenkern und Ökonomen unterzeichnete der damalige Präsident Herbert Hoover das Gesetz der beiden Kongressabgeordneten Reed Smoot und Willis Hawley („Interner Link: Smoot Hawley Act“). Es setzte eine Spirale in Gang. Andere Länder reagierten mit Vergeltungsmaßnahmen und ließen ebenfalls die Zollschranken herunter. Binnen weniger Jahre schrumpfte der Welthandel auf einen Bruchteil seines vorigen Volumens. Der Handelskrieg der 30er Jahre kannte nur Verlierer, der entfesselte Protektionismus vergiftete die internationalen Beziehungen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es Jahrzehnte, bis der internationale Austausch wieder frühere Niveaus erreicht hatte – was zeigt, wie stark das protektionistische Beharrungsvermögen ist.
Echte Bewegung kam in die Liberalisierung des Handels erst ab den 80er Jahren. Wegen der schädlichen wirtschaftlichen Wirkung haben die meisten Staaten seither Handelsbeschränkungen schrittweise aufgehoben. Das gilt insbesondere für wohlhabende westliche Länder. Aber auch Schwellenländer wie China und Indien, die noch in den 2000ern Jahren hohe Zölle verlangten, haben die Sätze stark abgesenkt (Grafik 3).
🤑 Wer will was?
Schon bevor Trump ins Weiße Haus einzog, war die Ära der großen Liberalisierung vorbei. Seit der Finanzkrise von 2008 nimmt die Integration der Weltwirtschaft nicht mehr weiter zu, sondern bröckelt allmählich (siehe Grafik 4).
China entwickelte sich zum Störfaktor. Der starke Einfluss des Staates, der strategisch dazu animierte, weltweit ganze Branchen zu dominieren und großzügig Subventionen austeilte, hat den Glauben an die unbedingten Segnungen des Freihandels auf eine harte Probe gestellt. Die resultierende Deindustrialisierung in vielen westlichen Ländern, zumal in den USA, hat regional soziale Verwerfungen hinterlassen. Inzwischen geht es auch um rohen Nationalismus („America first“). Fragen der Versorgungssicherheit im Konfliktfall – bei kritischen Bauteilen, Rohstoffen und Nahrungsmitteln – beschäftigen Regierungen und Öffentlichkeit.
⏩ Was passiert als Nächstes?
Bislang halten sich andere Länder gegenüber den USA zurück. Sie antworten nicht mit protektionistischen Breitseiten, sondern mit einer Taktik der Nadelstiche: Einzelne US-Produktgruppen werden mit Zöllen belegt. Dadurch soll die innenpolitische Dynamik in den USA beeinflusst werden. Wer selbst Schmerzen spürt, lobbyiert vielleicht in Washington für eine weichere Gangart in Handelsfragen, so das Kalkül.
Dass es zu einer Eskalation kommt, ist durchaus wahrscheinlich. Wenn die USA die Einfuhr erschweren, suchen Exporteure anderswo neue Märkte. Das gilt insbesondere für chinesische Unternehmen. Sie sitzen auf enormen Überkapazitäten und versuchen, ihren Absatz zu stabilisieren. Ländern wie die EU, Großbritannien, Australien oder Japan droht deshalb ein starker Anstieg chinesischer Billigimporte. Sie werden versuchen, Verwerfungen zu vermeiden, und ebenfalls Zölle erheben. Eine Kettenreaktion, die wiederum chinesische Gegenmaßnahmen auslösen könnte.
Die Erfahrung der 30er Jahre zeigt, dass ein zunächst von einem Land begonnener Konflikt leicht außer Kontrolle geraten und auf weitere Bereiche übergreifen kann. So ist es keineswegs abwegig anzunehmen, dass der Zollwettbewerb auf die Währungsbeziehungen übergreift. Die großen Handelsmächte würden dann auch Manipulationen der Wechselkurse ins Repertoire aufnehmen. Der Handelskrieg würde sich zum Währungskrieg ausweiten. Dass er sich einen schwächeren Dollar wünscht, hat Donald Trump immer wieder anklingen lassen. Denn ein schwacher Dollar würde zu günstigeren US-Produkten führen und den USA damit einen enormen Wettbewerbsvorteil bescheren. Die USA könnten andere Länder dazu nötigen, ihre Währungen gegenüber dem Dollar aufwerten zu lassen, um diese preisliche Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Exportwirtschaft zu verbessern. Trump könnte ein solches wechselkurspolitisches „Wohlverhalten“ etwa mit militärischen Beistandszusagen verknüpfen.
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🧐 Wer weiß mehr?
Boer, Lukas und Rieth, Malte (2024). The Macroeconomic Consequences of Import Tariffs and Trade Policy Uncertainty. Externer Link: https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2024/01/19/The-Macroeconomic-Consequences-of-Import-Tariffs-and-Trade-Policy-Uncertainty-543877. Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds zur Frage, welche Auswirkungen Zölle und handelspolitische Unsicherheit auf Inflation, Wachstum und Beschäftigung haben.
Bown, Chad (2025). Trump's trade war timeline 2.0: An up-to-date guide. Externer Link: https://www.piie.com/blogs/realtime-economics/2025/trumps-trade-war-timeline-20-date-guide. Angesichts all der Trumpschen Ankündigungen verliert man leicht den Überblick. Dieser Blog vom Peterson Institute for International Economics wird ständig um alle Wendungen und Irrungen aktualisiert.
Caldara, Dario, Matteo Iacoviello, Patrick Molligo, Andrea Prestipino, and Andrea Raffo (2020), "The Economic Effects of Trade Policy Uncertainty,"Journal of Monetary Economics, 109, S. 38-59. Bauanleitung für den Trade Policy Uncertainty Index.
James, Harold (2001). “The End of Globalization: Lessons from the Great Depression. Harvard University Press” Schon früh warnte der Wirtschaftsprofessor aus Princeton, dass die Widerstände gegen die Globalisierung zunehmen. Die Wirtschaftskrise nach dem Crash von 1929 und der folgende Handelskrieg boten reichhaltiges Anschauungsmaterial.
Kindleberger, Charles (1986). “The World in Depression, 1929-1939 (History of the World Economy in the Twentieth Century, Vol 4)”. Standardwerk zur Depression und zur verheerenden Dynamik des Handelskriegs.
Müller, Henrik, Blagov, Boris, Schmidt, Torsten, Rieger, Jonas und Jentsch, Carsten (2025). The macroeconomic effects of asymmetric uncertainty shocks. Journal of Economic Asymmetries. Externer Link: https://doi.org/10.1016/j.jeca.2025.e00410
Welthandelsorganisation (WTO). Tariff Profiles. Externer Link: https://www.wto.org/english/res_e/statis_e/tariff_profiles_list_e.htm. Handelspolitische Steckbriefe von mehr als 170 Ländern.
Woods, Ngaire (2023). Superpowers are forsaking free trade. Externer Link: https://www.imf.org/en/Publications/fandd/issues/2023/06/superpowers-are-forsaking-free-trade-ngaire-woods. Kritischer Kommentar zum um sich greifenden Protektionismus aus der Vor-Trump-Ära.