Von Henrik Müller
🤔 Was ist los?
Kein Land der Erde bekommt soviel mediale Aufmerksamkeit wie die USA. Während des zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampfs ist das wieder einmal deutlich geworden. Seit Monaten bestimmen die USA tagtäglich die Schlagzeilen bei uns. Das liegt nicht nur an der schillernd-extremen Figur Donald Trumps, sondern letztlich an Amerikas ökonomischer Dominanz. Die starke Wirtschaft bildet die Basis dafür, dass die USA nach wie vor militärisch, technologisch und kulturell führend sind.
Abbildung 1 zeigt die Wirtschaftsleistung pro Einwohner für die USA und einige andere Länder. Während die Europäische Union, Japan, Großbritannien, zuletzt auch China unter erlahmender Produktivität leiden, sodass die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung stagniert, erleben die Vereinigten Staaten das Gegenteil: Die Wirtschaftsleistung pro Kopf nimmt wieder schneller zu. Amerika enteilt seinen Wettbewerbern.
Die US-Dominanz wird dadurch unterstrichen, dass führende Konzerne ihre Konkurrenten abgehängt haben, nicht zuletzt durch massive Investitionen in Forschung und Entwicklung. Das schlägt sich im
Während an deutschen Börsen großenteils Firmen aus Branchen notiert sind, deren Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen – von Allianz (Versicherung) über BASF (Chemie) bis Volkswagen (Auto) – und deren Wertschöpfung inzwischen tendenziell zurückgeht, ist unter Amerikas Topkonzernen keiner, der älter als 50 Jahre wäre. Alle im Deutschen Aktienindex DAX notierten 40 Firmen sind zusammen soviel wert wie Amazon, der viertteuerste US-Konzern, allein.
Junge, schnell wachsende Technologieunternehmen gibt es auch anderswo, doch die USA dominieren dieses Marktsegment. 66 Prozent aller weltweiten „Unicorns“ (Startups mit einer Bewertung von einer Milliarde Euro und mehr) sind in den USA beheimatet, nur acht Prozent in der EU. Ähnlich sind die Verhältnisse bei der Verfügbarkeit von
Wichtig für den fortgesetzten Erfolg der USA ist auch die Größe der dortigen Märkte für Güter, Dienstleistungen, Kapital und Arbeit. Daraus ergeben sich Größenvorteile, die sich wechselseitig begünstigen. Das Resultat sind Produktivitätsfortschritte und eine enorme Machtkonzentration, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in geopolitische Stärke verwandelt.
Die Dynamik der USA ist eine Herausforderung für andere große Wirtschaftsräume. Das betrifft nicht zuletzt die Europäische Union, wie der in diesem Herbst veröffentlichte Externer Link: Report von Mario Draghi, des früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), herausgearbeitet hat.
⚠️ Wo ist das Problem?
Trotz ihrer beeindruckenden technologischen Führungsposition leidet die US-Wirtschaft unter ökonomischen, sozialen, ökologischen und finanzpolitischen Ungleichgewichten. Die Folgen sind nicht nur im Land selbst, sondern weit darüber hinaus spürbar.
Die Vereinigten Staaten Externer Link: verzeichnen chronische Defizite im Außenhandel, das Land kauft also insgesamt mehr Güter und Dienstleistungen als es exportiert. Dies betrifft insbesondere Industrieprodukte. Die Regierung unter Präsident Joe Biden hat mit teuren Subventionsprogrammen versucht, eine Reindustrialisierung der USA voranzutreiben: zum einen, um die Abhängigkeit von China zu verringern, mit dem sich Washington in einem geopolitischen Ringen um die globale Vorherrschaft sieht; zum anderen, um gerade in strukturschwachen Regionen gutbezahlte Arbeitsplätze zu schaffen. Auch, wenn die industriellen Investitionen in den USA zuletzt stark zugenommen haben, ist bislang unklar, ob diese Strategie tatsächlich die gewünschten Resultate liefert. Inzwischen werden die Wirtschaftshilfen durch Zölle ergänzt, die den Import von chinesischen Gütern verteuern sollen, insbesondere auf Elektroautos und Batterien. Der künftige Präsident Donald Trump hat weitere massive Zollerhöhungen gegen Importe angekündigt, auch gegen Importe aus der EU.
Ein Ziel der US-Politik bestand in den vergangenen Jahren darin, China den Zugang zu hochwertigen Technologien zu sperren. Diese Exportbeschränkungen betreffen insbesondere leistungsfähige Computerchips, aber auch Technologien zur Halbleiterfertigung.
Ökonomische Ungleichgewichte betreffen auch den Technologiesektor selbst. Die Machtkonzentration, die sich auf wenige Konzerne beschränkt, lässt Zweifel daran aufkommen, ob Wettbewerber anderswo Chancen haben, die Position der US-Tech-Giganten herauszufordern. In den USA hat das Repräsentantenhaus 2022 einen umfangreichen Bericht zur wachsenden Marktmacht der großen US-Technologiekonzerne veröffentlicht. Die scheidende Regierung hat mit einer entschlosseneren Wettbewerbspolitik versucht, gegenzusteuern – mit überschaubarem Erfolg.