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Severin Rommeler lebt in Sauldorf, in Baden-Württemberg. In seinem Ort liegen Gleise, aber der Personenverkehr wurde in den 1970er Jahren eingestellt. Es gibt lediglich sporadischen Güterverkehr. Das wollen der 27-Jährige und der Förderverein Ablachtalbahn ändern: Sie wollen die Strecke Stockach-Mengen reaktivieren.
Stockach liegt rund 20 Kilometer nördlich von Radolfzell am Bodensee, Mengen liegt noch weiter nördlich, an der Donau. Die Strecke Stockach-Mengen macht gut 40 Kilometer aus.
Ablachtalbahn – die Verbindung zwischen Bodensee und Donau
Im Juni 2020 wurde der Förderverein Ablachtalbahn gegründet. Zu Beginn sind es 35, mittlerweile zählt der Verein 200 Mitglieder. Bald kommt die Idee auf, zunächst einen Freizeitverkehr voranzutreiben.
Nur ein Jahr später, im Sommer 2021 ist es soweit. Zum ersten Mal rollt die "Biberbahn", so nennt der Förderverein das Freizeit-Angebot. Der Zug fährt zwischen Stockach und Mengen – und weiter bis nach Radolfzell. Die Teilstrecke Stockach-Radolfzell wurde 1996 reaktiviert, seitdem gibt es dort wieder einen normalen Personenverkehr.
Die Biberbahn hingegen fährt bislang nur an Sonn- und Feiertagen, nur zwischen April und Oktober, zusätzlich in der Adventszeit. Ab 2023 soll es das Angebot zusätzlich am Samstag geben.
Podcast "Wir im Wandel"Über die Hosts
Sonja Ernst ist freie Journalistin. Sie berichtet über Themen aus Politik und Gesellschaft, vor allem für den Hörfunk, u.a. Deutschlandradio oder SWR. 2022 gewann sie den Peter Scholl-Latour Preis für ihre Reportage "Kinder aus Kriegsvergewaltigungen – Trauma und Schweigen überwinden".
Monika Ahrens ist freie Radiojournalistin und arbeitet im Redaktionsteam des Update-Podcasts von Deutschlandfunk Nova. Sie kommt aus Niedersachsen, hat in Leipzig und Berlin studiert und lebt in Köln.
Die Biberbahn soll im Stundentakt fahren
Denn beim Freizeitverkehr soll es nicht bleiben. Die Strecke soll reaktiviert werden, sodass unter der Woche Personenzüge im Stundentakt fahren.
Dafür setzen sich Severin Rommeler und der Förderverein ein. Zum einen sorgen sie dafür, dass die Biberbahn rollt. Die Mitglieder helfen zum Beispiel bei der Streckenpflege oder sind als Zugbegleiter tätig. Zum anderen, so Severin Rommeler, sorgt der Verein für Transparenz. "Wir machen regelmäßige Veranstaltungen und wir sind Ansprechpartner für Schwierigkeiten, auch jetzt schon im Freizeitverkehr."
Der Verein hat das Thema Bahnfahren in der Region wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. So will man früh Verständnis für die Streckenreaktivierung aufbauen, so Severin Rommeler. Denn: "Wenn man einfach sagt: Wir reaktivieren jetzt hier, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dann ist der Widerstand natürlich deutlich größer."
Widerstand gibt es trotzdem, vor allem von einzelnen Anwohnerinnen und Anwohnern entlang der Strecke. Sie fürchten Lärmbelästigung. Die Kritik halte sich im Rahmen, so Severin Rommeler, man sei im Gespräch.
Severin Rommeler in der Ablachtalbahn (bpb, Sonja Ernst) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de
Severin Rommeler in der Ablachtalbahn (bpb, Sonja Ernst) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de
Energieverbrauch und Mobilitätswende
Der Umstieg vom Auto auf die Bahn ist letztlich eine Klimaschutzmaßnahme, denn Bahn oder auch Bus sind im Verhältnis zum Pkw oder auch Flugverkehr energiesparender und klimaschonender. Pro Person und Reise sind die CO2-Emissionen bei Bahn und Bus deutlich geringer.
Bislang dominiert das Auto die Mobilität in Deutschland. Wenn man Schiffs- und Flugreisen außen vorlässt, dann legen die Deutschen 89 Prozent des motorisierten Personenverkehrs mit dem Auto zurück. Sechs Prozent mit der Bahn, vier Prozent mit dem Bus und ein Prozent mit Tram oder U-Bahn, so das Externer Link: Statistische Bundesamt. Die Pkw-Dichte in Deutschland ist auf einem Rekordhoch: Zum Stichtag 1. Januar 2022 waren 48,5 Millionen Personenkraftwagen zugelassen, in 2021 waren es noch 48,2 Millionen.
Bahn als klimaschonende Alternative
Auch für Severin Rommeler geht es beim Umstieg vom Auto auf die Bahn um den Aspekt, möglichst klimaschonend unterwegs zu sein. Er ist davon überzeugt, dass die Reaktivierung klappen kann. "Das ist die passende Strecke. Wir haben den entsprechenden Bedarf, wir haben die Nachfrage und es gibt keine besseren Zeiten, als jetzt eine Bahnstrecke zu reaktivieren", sagt der 27-Jährige.
Künftig wird sich Rommeler sogar noch mehr für die Strecke stark machen können: Seit März 2023 ist er Bürgermeister der Gemeinde Sauldorf. Als parteiloser Kandidat konnte er die Wahlen im Herbst 2022 gewinnen.
Kosten-Nutzen einer Streckenreaktivierung
Doch bis zur Reaktivierung sind noch ein paar Schritte zu nehmen. Zurzeit läuft eine Machbarkeitsstudie, die die Kosten und Nutzen abwägen soll. Die anstehenden Investitionen werden aktuell auf 20 Millionen Euro geschätzt. Ebenso sind die Kosten des späteren Betriebs und der Aspekt Klimaschutz entscheidend für die Studie. Außerdem wird überprüft, wie viele Menschen das Angebot wahrscheinlich nutzen werden. Das Ergebnis wird für den Frühsommer 2023 erwartet.
Für die Ablachtalbahn kann die Machbarkeitsstudie durchaus positiv ausfallen. Die Gleise liegen noch, was Kosten spart. Die Region zieht zudem eher neue Bewohnerinnen und Bewohner an, als dass Menschen weggehen. Nicht zuletzt zeigt der Förderverein durch sein Engagement, dass Menschen in der Region eine Alternative zum Auto haben wollen.