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Als Birgit Mosler und ihr Mann Peter 1998 nach Grieth ziehen, sind sie begeistert, dass der Ort am Niederrhein so idyllisch im Grünen liegt und eine gute Infrastruktur hat. Doch dann verändert sich etwas in der beschaulichen ehemaligen Hansestadt, in der aktuell 840 Menschen leben. Innerhalb weniger Jahre schließen die Post, zwei Bank-Filialen und fast alle Geschäfte. Nur der Friseur und ein Restaurant bleiben.
Einigen Bewohnern ist es irgendwann zu anstrengend, sich für jeden Einkauf ins Auto zu setzen und in die nächste Stadt zu fahren. Sie ziehen weg aus Grieth. In manchen Straßen stehen zwei, drei Häuser nebeneinander leer.
Podcast "Wir im Wandel"Über die Hosts
Sonja Ernst ist freie Journalistin. Sie berichtet über Themen aus Politik und Gesellschaft, vor allem für den Hörfunk, u.a. Deutschlandradio oder SWR. 2022 gewann sie den Peter Scholl-Latour Preis für ihre Reportage "Kinder aus Kriegsvergewaltigungen – Trauma und Schweigen überwinden".
Monika Ahrens ist freie Radiojournalistin und arbeitet im Redaktionsteam des Update-Podcasts von Deutschlandfunk Nova. Sie kommt aus Niedersachsen, hat in Leipzig und Berlin studiert und lebt in Köln.
Fachhochschule erforscht Grieth
Abwanderung,
Ein Mann aus Birgits Freundeskreis, Rolf Becker, ist Professor an der Hochschule Rhein-Waal am Niederrhein. Er möchte, dass sich seine Fachhochschule mit dem Thema Regionalentwicklung beschäftigt. Die FH beantragt Geld für ein Projekt, bei dem sich Forschende einen Ort genau anschauen und analysieren, was er braucht. Im weiteren Verlauf sollen die Wissenschaftler die Bewohner dabei unterstützen, ihre Ideen und Wünsche in die Praxis umzusetzen. Dieser Ort soll Grieth sein.
Die Hochschule Rhein-Waal bekommt 240.000 Euro für das Externer Link: Projekt "Smart Villages", das im Jahr 2013 startet und vier Jahre läuft. Als die Suche nach einer Projektkoordinatorin keinen Erfolg hat, fragt Rolf Becker Birgit Mosler, ob sie sich vorstellen kann, "Smart Villages" mit aufzubauen. Obwohl Birgit bisher in einem ganz anderen Bereich gearbeitet hat, sagt sie zu und bezieht ein Büro in einem leerstehenden Haus am Marktplatz.
Im Dezember 2013 gehen Studierende von der Hochschule Rhein-Waal durch die Straßen Grieths, klingeln an den Haustüren und lassen die Bewohner Fragebögen ausfüllen. Sie wollen genau wissen, was den Griethern in ihrem Ort fehlt und wer sich vorstellen kann, aktiv dabei mitzuarbeiten, dass diese Sachen entstehen. Der Wunsch nach besserer Nahversorgung und nach einem Treffpunkt stehen ganz oben auf der Liste. Außerdem wünschen sich die Leute einen besseren Nahverkehr.
Neuer Laden als Treffpunkt
Nach einer Versammlung, auf der die Ergebnisse der Befragung vorgestellt werden, erklären sich 30 Menschen aus Grieth bereit, an dem Projekt mitzuarbeiten. In dem Haus am Marktplatz entsteht ein neuer Dorfladen mit integriertem Café. Birgit ist auch dabei. Die Gruppe sammelt bei den Bürgern 32.000 Euro an Eigenkapital für die geplante Genossenschaft, und im Sommer 2016 öffnet das Griether Hanselädchen. Seitdem belebt es den Ort spürbar.
Weitere Projekte folgen. Die Stadt Kalkar, von der Grieth ein Ortsteil ist, legt ein Förderprogramm auf, das es jungen Familien ermöglicht, alte Häuser zu kaufen und zu sanieren. Mittlerweile sind in fast alle leerstehenden Häuser in Grieth wieder Menschen eingezogen. Einige befinden sich noch im Umbau.
Gemeinschaft als Standortfaktor
In Grieth am Niederrhein hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Inzwischen leben in der ehemaligen Hansestadt wieder etwa so viele Einwohner wie vor der „Krise“. Der ganze Ort habe sich anders aufgestellt, sagt Birgit Mosler. Die Menschen hätten gelernt, dass man Dinge selber gestalten und damit auch erfolgreich sein könne. Natürlich seien es auch immer globale Trends, die dafür sorgten, dass es auf dem Land Abwanderung und Zuwanderung gäbe. Aber die Entscheidung für einen Ort falle leichter, wenn es dort eine funktionierende Infrastruktur und eine aktive Gemeinschaft gäbe.