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António Fernandes Coelho ist Fahrradkurier – oder Dienstbote, wie er sich selbst nennt. Er arbeitet für einen der App-basierten Logistikdienste, die Essen und zunehmend auch Lebensmittel nach Hause liefern.
Die Logistik beim Bestellen und Liefern wird über eine App abgewickelt, die die Kuriere per Smartphones bedienen. Diese App zeigt den Fahrerinnen und Fahrern an, wo sie Essen abholen und wo sie es hin liefern. Auch die Bezahlung läuft automatisch über die App.
Podcast "Wir im Wandel"Über die Hosts
Sonja Ernst ist freie Journalistin. Sie berichtet über Themen aus Politik und Gesellschaft, vor allem für den Hörfunk, u.a. Deutschlandradio oder SWR. 2022 gewann sie den Peter Scholl-Latour Preis für ihre Reportage "Kinder aus Kriegsvergewaltigungen – Trauma und Schweigen überwinden".
Monika Ahrens ist freie Radiojournalistin und arbeitet im Redaktionsteam des Update-Podcasts von Deutschlandfunk Nova. Sie kommt aus Niedersachsen, hat in Leipzig und Berlin studiert und lebt in Köln.
App-basierte Lieferdienste boomen
António Coelho lebt in Frankfurt am Main. Seit 2015 arbeitet er als Fahrradkurier und seit 2019 engagiert er sich im Betriebsrat. Zu Beginn ist der 49-Jährige bei Foodora beschäftigt. Das Unternehmen war eines der ersten in der Branche. Ende 2018 wurde Foodora Deutschland von Lieferando übernommen. Lieferando dominiert zurzeit den Markt für Essens-Lieferungen.
Im Sommer 2021 – zwischen Juli und August – liefen über das Unternehmen rund 38 Millionen Bestellungen. Das waren zehn Millionen Bestellungen mehr als im Sommer 2020. Den während der Pandemie hat sich das Bestellverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher nochmal geändert. Die Haushalte bestellen mehr per Internet nach Hause. Auch nach Ende der Coronakrise wird das Geschäft weiterlaufen.
Dieser Boom hat auch zur Folge, dass immer mehr Fahrradkuriere durch die Städte flitzen. Dabei sind Lohn, Arbeitsbedingungen sowie die Ausstattung der Rider immer wieder Thema. Auch in den Medien.
Beruf: Radkurier
Bei vielen Kurieren wächst zu Beginn der Frust. 2018 starten Rider in ganz Deutschland die Kampagne "Liefern am Limit". Sie fordern mehr Mitsprache und kritisieren die Arbeitsbedingungen. Auch António Coelho will etwas ändern. 2019 wird er in den ersten Betriebsrat von Foodora für Frankfurt am Main und Offenbach gewählt. 2020 steht die Betriebsratswahl für Lieferando Frankfurt am Main und Offenbach an, nachdem Lieferando Foodora Deutschland übernommen hatte. António Coelho tritt erneut an und wird wieder in den Betriebsrat gewählt.
Der Betriebsrat arbeitet zum Thema Datenschutzbestimmungen der App, aber auch zur Ausstattung der Rider. Denn die Kuriere nutzen in der Regel ihr eigenes Smartphone und ihr eigenes Fahrrad. Die Ausstattung der Kuriere beschäftigt auch die Gerichte. Am 10. November 2021 entschied das Externer Link: Bundesarbeitsgericht, dass Ridern die "essentiellen Arbeitsmittel" zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese umfassen ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes internetfähiges Mobiltelefon. Ansonsten muss eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung erfolgen. Das Urteil stärkt die Fahrerinnen und Fahrer, auch wenn die Fragen noch offen sind, wie hoch eine Kompensationsleistung sein sollte.
Basislohn statt Subunternehmer
Die Kuriere streiten auch für einen höheren Lohn. Lieferando zum Beispiel zahlt den Kurieren einen Basistarif von 10 Euro die Stunde. Auch wenn keine Lieferung reinkommt. Damit liegt der Stundenlohn knapp über dem Mindestlohn, der zurzeit bei 9 Euro 60 liegt. Die Fahrerinnen und Fahrer sind fest angestellt und haben unbefristete Verträge. Das gilt nicht aber für alle Unternehmen, und viele Rider werden weiterhin als Subunternehmerin oder -unternehmer pro Auftrag bezahlt.
Kuriere, die sehr häufig fahren, können durch Boni den Lohn aufstocken. Dafür müssen sie eine bestimmte Zahl an Bestellungen im Monat abwickeln. Viele der Kuriere fahren aber in Teilzeit oder auch nur wenige Stunden in der Woche. Zum Lohn hinzu kommt Trinkgeld. Laut António Coelho macht das im Schnitt 1 Euro 50 die Stunde. Laut Lieferando kommen die Fahrerinnen und Fahrer im Durchschnitt auf rund 13 Euro die Stunde, ohne Trinkgeld.