Die Handelspolitik ist einer der wenigen Themenbereiche, in denen US-Präsident Donald Trump seit langem konsistente Positionen erkennen lässt. Bereits als New Yorker Immobilieninvestor in den 1980er Jahren sprach Trump in Fernsehauftritten wiederholt davon, dass andere Länder, die USA wirtschaftlich ausnutzen und unfair behandeln würden.
Es war daher nicht überraschend, dass Trump ab 2015 eine aggressive Position beim Handelsthema zu einem Markenkern seiner Präsidentschaftskandidatur machte. So behauptete er im Wahlkampf zum Beispiel, Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation (WTO) habe zum größten "Job-Raub" der US-amerikanischen Geschichte geführt.
In der Handelspolitik setzte sich Trump damit stark von traditionellen Positionen der Republikaner ab. Diese galten lange als die Freihandelspartei. Die Mehrheit der republikanischen Kongressmitglieder hatte noch 2015 für Obamas TPP gestimmt.
Wodurch zeichnet sich Trumps handelspolitisches Denken nun aus? Es lassen sich zwei argumentative Hauptstränge erkennen. Zum einen sieht Trump den internationalen Handel eindeutig als ein Nullsummenspiel, in dem immer nur eine Seite wirklich gewinnen kann. In Trumps Sichtweise haben die USA in diesem "Spiel" seit Jahrzehnten verloren. Beleg hierfür sind für ihn die langjährigen amerikanischen Handelsdefizite, die er als Zeichen von Schwäche deutet. Zum anderen, lässt sich auch eine Abneigung gegen regionale oder multilaterale Vereinbarungen erkennen. Aus Trumps Sicht sind bilaterale Verhandlungen, in denen die USA aufgrund ihrer Größe und Macht immer am längeren Hebel sitzen, komplizierteren und Kompromisse erfordernden mehrstaatlichen Formaten vorzuziehen. Beide Aspekte dominieren mittlerweile die US-Handelspolitik.
Handelsdefizite und Handelsüberschüsse
Es ist Trumps erklärtes Ziel, das US-Handelsdefizit zu verringern. Dieses Defizit, das größte weltweit, lag 2017 bei etwa 552 Milliarden US-Dollar und betrug somit 2,85 Prozent des amerikanischen Bruttosozialprodukts.
Handelsdefizite sind kein neues Phänomen der amerikanischen Wirtschaft. Zum letzten Mal wies die amerikanische Handelsbilanz 1975 einen Überschuss auf.
Zwischen 1999 und 2011 gingen laut einer Untersuchung rund 2,4 Millionen Arbeitsplätze als direkte Folge steigender Importe aus China verloren.
Wenngleich in der Wissenschaft eine rege Debatte über den genauen Anteil des Handels an verlorenen Industriejobs und steigender Ungleichheit in den USA geführt wird
Die direkten Handlungsmöglichkeiten des Präsidenten bei der Verringerung bilateraler Handelsdefizite sind allerdings begrenzt. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass diese zu großen Teilen nicht von konkreten Handelsmaßnahmen, wie zum Beispiel Zöllen oder Importquoten verursacht werden, sondern durch makroökonomische und strukturelle Entwicklungen und Bedingungen entstehen.
Dies hat den Präsidenten bisher allerdings nicht davon abgehalten, öffentlich brachial auf die Verringerung der Handelsdefizite der USA zu drängen.
Handelsabkommen und WTO
Der Versuch, das Handelsdefizit zu senken, ist auch treibende Kraft hinter Trumps Anliegen, die Handelsabkommen der USA neu auszurichten. In den offiziellen Zielsetzungen des US-Handelsbeauftragten für die im August 2017 begonnenen Neuverhandlungen des nordamerikanischen NAFTA-Abkommens stand die Senkung der bilateralen Handelsdefizite mit Mexiko und Kanada an erster Stelle.
Auch mit Blick auf die EU hat der US-Präsident immer wieder Kritik in diese Richtung geäußert und behauptet, Europa sei "fast so schlimm wie China, nur kleiner."
Die US-Regierung machte ebenfalls ihre Ankündigung wahr, das NAFTA-Abkommen neu zu verhandeln. Die Forderungen der Amerikaner seit Sommer 2017 waren dabei teilweise so brüsk, dass einige Beobachter sie als reinen Vorwand für einen möglichen Rückzug der USA aus dem Abkommen deuteten.
Ähnliches gilt auch für die Einstellung der Regierung gegenüber der WTO. Trump hat wiederholt damit gedroht, aus der WTO auszutreten, sollte diese sich seinen Plänen in den Weg stellen. Insbesondere der Appellate Body, das Berufungsgremium der WTO ist der US-Regierung ein Dorn im Auge. Zwar verhinderten die USA bereits unter Präsident Barack Obama die Neubesetzung eines Richterpostens, doch auch Trump hat bisher weitere Berufungen blockiert, so dass das Gremium droht, endgültig handlungsunfähig zu werden.
Hauptziel der US-Handelspolitik ist und bleibt China
Hauptziel der amerikanischen Handelspolitik ist und bleibt allerdings China. Im Frühjahr 2018 verlangte die US-Seite, dass China seinen Handelsüberschuss gegenüber den USA innerhalb von zwei Jahren um 200 Milliarden US-Dollar senken soll, was von der chinesischen Seite abgelehnt wurde. Dann wurde auch China mit Stahl- und Aluminiumzöllen belegt. Im Sommer verhängten die USA unter Berufung auf unlautere chinesische Handelspraktiken zunächst Strafzölle auf Importe im Wert von 50 Milliarden, im Herbst 2018 auf Einfuhren im Wert von 200 Milliarden Dollar. Eine Erhöhung und eine Erweiterung dieser Zölle hat Trump bereits in Aussicht gestellt, sollte China nicht auf die US-Forderungen eingehen. Die chinesische Seite hat ihrerseits Gegenmaßnahmen gegen amerikanische Importe eingeleitet. Eine weitere Eskalation erscheint so gut wie sicher.
Der äußerst aggressive Umgang mit Handelspartnern und die hitzige Rhetorik aus Washington lassen keinen Zweifel an den Zielen der US-Handelspolitik unter Trump. Unklarer ist, wie sich diese Grundausrichtung im Detail niederschlagen wird. Innerhalb der US-Regierung gibt es hierüber immer wieder heftigen Streit zwischen eher moderaten (wie Finanzminister Steven Mnuchin) und vehementeren Kräften (wie Handelsminister Robert Lighthizer). Der Präsident selbst zeigt durch seine häufigen und aggressiven öffentlichen Ausgerungen sowie seinen Unwillen, auf Gegenargumente einzugehen, dass er persönlich auf Konfrontation als Mittel seiner Handelspolitik setzt.
Noch ist unklar, inwiefern andere Akteure, wie etwa der seit den Midterm-Wahlen 2018 zur Hälfte von den Demokraten geführten Kongress, Trumps Ambitionen einhegen werden können. Für die Handelspartner der USA und insbesondere die EU ergibt sich daraus eine Situation, in der sie einerseits auf die aktiven Maßnahmen der US-Seite mit eigenen Gegenmaßnahmen reagieren und andererseits eine möglichst produktive und hinhaltende Verhandlungsatmosphäre aufrechterhalten müssen, um Zeit zu gewinnen. Angesichts der politischen Volatilität in Washington dürfte dieser Balanceakt immens schwierig werden.
Der Beitrag ist eine gekürzte und aktualisierte Fassung des in der APuZ 4-5/2018 erschienenen Textes