Das alljährliche Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos gilt als weltweiter Marktplatz für neue Ideen. Seit etwa vier Jahren beherrscht dort die digitale Revolution in Wirtschaft und Gesellschaft die Köpfe der globalen Eliten. Insbesondere das Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz und großen Datenmengen verändert ganze Wirtschaftszweige – und damit auch den internationalen Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Informationen.
Das hat Folgen für Welthandel und Globalisierung. Dass der Protektionist Donald Trump zu einem Zeitpunkt Präsident der USA wurde, da die Digitalisierung viele Unternehmen zu einem radikalen Wandel zwingt und zahlreiche Arbeitsplätze gefährdet, ist kein Zufall. Trump und die digitale Revolution sind zwei Seiten derselben Medaille. Der US-Präsident versucht, den Wandel durch neue Handelsbarrieren abzubremsen. Das ist jedoch ein Kampf gegen Windmühlen. Die Globalisierung hat längst ihr Gesicht verändert. Gegen den globalen Austausch von Daten sind Stahlquoten und Strafzölle auf importierte Waschmaschinen machtlos.
Als sich die Volkswirte der Schweizer Großbank Credit Suisse 2017 mit der Zukunft der Weltwirtschaft befassten, prophezeite eines ihrer drei Szenarien noch das Ende der Globalisierung. Ein Grund dafür war, dass die Wachstumsraten des Welthandels nach der Finanzkrise 2007/08 dramatisch zurückgingen und nur noch halb so hoch waren wie die globale Wirtschaftsleistung. Als dann noch Trump mit seinem nationalistischen Motto "America first" die Welt erschreckte, schien das Ende der Globalisierung besiegelt.
Datenverkehr schon wichtiger als klassischer Güteraustausch
Das McKinsey Global Institute (MGI), Denkfabrik der gleichnamigen Unternehmensberatung, sieht das hingegen anders: Die Globalisierung stoße nicht an ihre Grenzen, verändere aber mit der Digitalisierung ihr Erscheinungsbild. Die Bedeutung des klassischen Güteraustauschs gehe zurück, dafür würde der internationale Datenverkehr immer wichtiger.
Nach Berechnungen der MGI-Forscherinnen und Forscher hatten die globalen Güter-, Kapital- und Datenflüsse die weltweite Wirtschaftsleistung allein im Jahr 2014 um rund 7,8 Billionen Dollar erhöht. Davon gingen 2,8 Billionen Dollar auf das Konto des internationalen Datenverkehrs. Die digitalen Informationsflüsse steuerten damit mehr zum globalen Wachstum bei als der herkömmliche Güterverkehr.
Diese Zahlen zeigen nach Ansicht von Freihandelsbefürwortern, dass Wachstumschancen vergeben werden, wenn sich Länder national abschotten. "Länder, die mehr handeln, können dadurch ihr Wachstum um bis zu 25 Prozent erhöhen", sagt MGI-Direktor James Manyika. Für diese Entwicklung seien auch große Internetplattformen wie Amazon, eBay, Facebook und Google verantwortlich, die weltweite Vertriebswege öffneten. "Kleine und mittelgroße Unternehmen können ihre Verkäufe vervielfachen, wenn sie digitale Plattformen nutzen", so Manyika. Sie würden dadurch zu "Micro-Multinationals". Rund zwölf Prozent des weltweiten Güterhandels werden heute bereits über solche Handelsplattformen abgewickelt.
Digitalisierung wird auch für Verwerfungen sorgen
Allerdings dürfte die Digitalisierung der Wirtschaft auf den Arbeitsmärkten für erhebliche Verwerfungen sorgen. "Es besteht das Risiko, dass die digitale Ungleichheit zunimmt", meint MGI-Direktor Manyika. Seiner Ansicht nach lässt sich etwa ein Drittel aller Tätigkeiten automatisieren, die in rund 60 Prozent der Jobs in Amerika ausgeübt werden. Desgleichen prophezeit der IT-Branchenverband Bitkom in einer Studie, dass in Deutschland in den kommenden fünf Jahren mehr als drei Millionen Jobs durch Roboter und Software ersetzt werden, auch wenn die Digitalisierung der Wirtschaft andererseits neue Arbeitsplätze schaffen wird.
Die großen US-Internetplattformen wie Google, Facebook und Amazon haben in vielen Märkten bereits eine dominante Position erreicht. Die EU-Kommission hat deshalb 2017 eine Geldstrafe von 2,4 Milliarden Euro gegen Google verhängt, und das Bundeskartellamt untersucht, ob Facebook Nutzerdaten missbraucht, um seine Marktmacht auszubauen. Zwar scheint es unwahrscheinlich, dass sich die Macht solcher Unternehmen so einhegen lässt. Dennoch sehen einige Beobachter hierin einen ersten großen Stimmungswandel gegenüber den Internetkonzernen, der ihren Einfluss auf den globalen Datenverkehr mindern könnte.
Johannes Pennekamp (© F.A.Z.) Johannes Pennekamp (© F.A.Z.) | Johannes Pennekamp: |