Der Schutz der Arbeitnehmerrechte gehört zu den Themen, bei denen gravierende Unterschiede in den USA und in Europa bestehen. Das in Deutschland übliche Modell mit Gewerkschaften, Betriebsräten und Tarifverhandlungen ist in den USA wenig verbreitet – und es gibt sogar Hinweise darauf, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den USA das deutsche Modell nicht bevorzugen. So hat im Februar 2014 bei der Abstimmung im VW-Werk von Chattanooga die Mehrheit der dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Betriebsrat abgelehnt und sich dagegen entschieden, von einer Gewerkschaft bei künftigen Tarifverhandlungen vertreten zu werden.
Die große Angst vieler hiesiger TTIP-Skeptiker in Bezug auf die Arbeitnehmerrechte besteht somit darin, dass sich die EU und die USA auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen könnten. Doch es gibt klare Zusicherungen der Politik und der EU-Kommission, dass die europäischen Standards erhalten bleiben sollen. Zudem ist es den Verhandlungsführern wohl bekannt, dass sie spätestens bei der Ratifizierung keine Mehrheit für TTIP finden würden, sollte das Abkommen das hohe Niveau an Arbeitnehmerschutz in Europa aufs Spiel setzen.
Viele stören sich zudem am geplanten Kapitel zum Thema Investorenschutz und Schiedsgerichte. Wenn unterschiedliche Arbeitsschutzstandards oder deren Anhebung als Handelshemmnis eingestuft würden, so stellt sich für diese Kritikerinnen und Kritiker die Frage, ob dies nicht gleich ein Fall für das Schiedsgericht wäre. Allerdings: Das wäre nur dann der Fall, wenn die Regelungen ausländische Investoren diskriminieren würden – oder wenn sie nicht verhältnismäßig wären.
Deutsche Erfahrungen mit Investitionsschutzabkommen positiv
Die bisherigen Erfahrungen in Deutschland haben gezeigt, dass die Angst vor den Schiedsgerichten übertrieben ist. Deutschland war unter den Erfindern der Investitionsschutzabkommen in den 1950er Jahren und unterhält mittlerweile etwa 130 solcher Abkommen. Dies hat die deutsche Gesetzgebung keineswegs daran gehindert, ein hohes Niveau an Arbeitnehmer-, Umwelt- und Verbraucherschutz zu erreichen. Dabei sind diese Verträge vielfach schon veraltet und lückenhaft und können somit etwa mit der im Abkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) geplanten Modernisierung des internationalen Rechts in Sachen Zusicherung staatlicher Regulierungsrechte, klarer Begriffsdefinitionen und richterlicher Standards nicht mithalten.
Im November 2015 hat die Europäische Kommission ihren Textvorschlag zum Thema Arbeitnehmerrechte veröffentlicht, der der US-amerikanischen Seite in der vorangehenden Verhandlungsrunde vorgelegt wurde
Würde der Textvorschlag Teil des Freihandelsabkommens werden, so sollen die TTIP-Vertragsparteien bei ihrer Gesetzgebung die Kernarbeitsnormen der IAO berücksichtigen und ihre Umsetzung fördern. Dazu gehören die Abschaffung der Kinderarbeit, die Beseitigung aller Formen von Zwangs- und Pflichtarbeit sowie der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, aber auch die Vereinigungsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen, wie sie für Tarifvereinbarungen stattfinden.
Vorschlag der Kommission geht weit über das sonst in Freihandelsabkommen Übliche hinaus
Zu den einzelnen Arbeitsnormen hat die Kommission jeweils einen separaten Paragrafen vorgeschlagen, um einzelne Aspekte genauer zu spezifizieren, die damit verbunden sind. Neben der Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen sollen im Einklang mit den Prinzipien und Rechten bei der Arbeit der IAO die Formierung und die Mitgliedschaft bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden möglich sein. Weiterhin soll das Streikrecht gewährleistet sein sowie für einen effektiven sozialen Dialog gesorgt werden. Zwar sind in dem Textvorschlag bei weitem nicht alle Regelungen konkret erfasst, die das deutsche Arbeitsmarktrecht umfasst. Trotzdem geht die Kommission hier weit über das hinaus, was in Sachen Arbeitnehmerrechte für Freihandelsabkommen typisch ist.