Ausländische Investitionen fließen nur, wenn sie ausreichend geschützt sind. Deshalb benötigen EU-Freihandelsabkommen wie Ceta und TTIP moderne Schiedsgerichtsverfahren, fordern Stormy-Annika Mildner und Christoph Sprich vom Industrieverband BDI.
Wirtschaft ist ohne Investitionen nicht denkbar. Menschen investieren aber nur, wenn ihre Investitionen geschützt sind. Das gilt auch bei Investitionen im Ausland. Ausländische Investoren müssen wissen, dass sie in einem fernen Land vor unrechtmäßiger Enteignung oder Diskriminierung gegenüber Inländern geschützt sind. Sie erwarten, dass sie gerecht und billig behandelt werden, dass ihnen beispielsweise nicht der nationale Rechtsweg versperrt wird und dass sie nicht politisch gegängelt werden. Deshalb müssen Staaten ein bestimmtes Maß an Sicherheit bieten, um als Investitionsziel für ausländische Investoren attraktiv zu sein. Und in der Regel wollen die Länder Investitionen anziehen, denn meist werden dadurch Arbeitsplätze geschaffen.
Auslandsinvestitionen sind auch für die deutsche Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Der Auslandsumsatz, den deutsche Unternehmen über ihre Investitionen erwirtschaften, übertrifft die deutschen Exporte um über das Doppelte (2014: 2,6 Billionen Euro versus 1,1 Billionen Euro). Geschützt werden die Investitionen durch völkerrechtliche Investitionsförder- und Schutzverträge (IFV) zwischen den Staaten. Deutschland hat im Jahr 1959 mit Pakistan den ersten IFV weltweit abgeschlossen. Heute verfügt Deutschland mit 129 gültigen IFV über die größte Anzahl dieser Verträge. Wenn ein solcher Vertrag durch einen Staat gebrochen wird, kann der Investor diesen Staat vor einem internationalen Schiedsgericht verklagen (Investor-Staat-Schiedsverfahren, ISDS). Dadurch soll eine neutrale Beurteilung des Falles sichergestellt werden. Einem solchen Gericht gehört keiner der beiden beteiligten Staaten an.
Investitionsschutz und Schiedsgerichte sind wichtig, aber reformbedürftig
Die IFV haben nur einen begrenzten Schutzumfang, doch der Investor ist zumindest vor bestimmten Handlungen des Gaststaates geschützt. So darf er nicht gegenüber anderen Investoren diskriminiert werden. Auch dürfen Investoren weder direkt noch indirekt enteignet werden, wenn sie dafür nicht kompensiert werden. Die Schiedsgerichte, die über Vertragsverletzungen urteilen, können die Maßnahmen des Staates nicht für ungültig erklären, aber dem Investor Schadensersatz zusprechen. Moderne IFV sollten neben diesen Schutzstandards bestimmte weitere Kriterien erfüllen, was heute noch nicht bei allen IFV der Fall ist. So muss die Regulierungshoheit der Staaten gewahrt bleiben und Rechtsbegriffe sollten präzise definiert sein.
Weichenstellung für die Ausrichtung der globalen Investitionspolitik
Für EU-Investoren sind die USA mit Abstand das wichtigste Investitionsziel. Obwohl die USA ein gutes Rechtssystem haben, können Investitionsstreitigkeiten mit den USA für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Ein Investitionsschutzkapitel in TTIP ist also wichtig für deutsche Investoren. Noch wichtiger ist jedoch, dass ein solches Kapitel die Weichen für die Weiterentwicklung der weltweiten Investitionspolitik stellen wird. Denn die USA und die EU bilden zusammen den weltweit größten Wirtschaftsraum.
Schon im Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) und im Freihandelsabkommen der EU mit Vietnam wurden wichtige Reformschritte realisiert. Auch der Verhandlungsvorschlag der EU für ein Investitionskapitel in TTIP enthält Reformansätze, die auf die Bedenken der ISDS-Kritiker eingehen. Zahlreiche Klauseln im TTIP-Vorschlag sichern die Regulierungshoheit der Staaten. Das Recht des Staates, Gesetze im öffentlichen Interesse zu erlassen, bleibt somit gewahrt. Rechtsbegriffe wie indirekte Enteignung oder gerechte und billige Behandlung werden präzise definiert. Entgangene Gewinne sind für sich genommen kein ausreichender Klagegrund. Am markantesten ist vielleicht die von der EU-Kommission vorgeschlagene Einrichtung eines ständigen Gerichtshofs zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. Auch soll ein Berufungsverfahren eingerichtet werden.
Langfristiges Ziel wäre ein multilaterales System, das die weltweite Vielzahl von IFV (derzeit 3.325 Verträge) mit jeweils unterschiedlichen Schutzstandards und Verfahren ersetzt. Ähnlich der WTO sollte ein solcher Mechanismus ein rechtliches Regelwerk und einen Streitschlichtungsmechanismus aufweisen.
Unklar, wie die USA auf den Vorschlag der EU reagiert
Noch ist ungewiss, wie die Gegenseite auf den Vorschlag der EU reagiert. Sicher ist aber, dass die Umsetzung derartiger Reformen große Auswirkungen auf die internationale Investitionspolitik hätte. Durch sinnvolle Reformschritte könnte die Akzeptanz des Systems weltweit gestärkt werden. Dies ist wichtiger denn je, haben doch bereits einige Länder IFV aufgekündigt. Südafrika und Bolivien haben fast alle Investitionsförder- und Schutzverträge mit EU-Ländern gekündigt. Indonesien kündigte im Verlauf des letzten Jahres viele IFV mit Industrieländern und gab bekannt, einen neuen Muster-IFV mit reformierten Schutzsstandards erstellen zu wollen. Ein transatlantisches Abkommen wäre ein wichtiges Signal für diese Länder. Zudem können gemeinsame Grundsätze die Verhandlungsmacht der EU und der USA gegenüber Drittländern stärken und helfen, ihre Ordnungsvorstellungen international durchzusetzen. Daher braucht TTIP ein modernes Investitionskapitel.
Dr. Stormy-Annika Mildner ist Abteilungsleiterin Außenwirtschaftspolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
Dr. Christoph Sprich ist Referent für Außenwirtschaftspolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
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