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Die Abkommen stellen die Verbraucher nicht schlechter

Andreas Freytag

/ 4 Minuten zu lesen

Die Freihandelsabkommen TTIP und CETA senken nicht automatisch die Standards für Konsumenten. Auch die Möglichkeiten der Bundesregierung, Gesetze zu erlassen werden nicht angetastet, meint der Jenaer Ökonom Andreas Freytag.

(© Universität Jena)

TTIP und CETA sind mehr als nur Zollsenkungsabkommen. Die Zölle zwischen der EU und den Vereinigten Staaten sowie Kanada abzubauen, ist dabei der kleinste Schritt – sie sind meist ohnehin schon sehr niedrig. Die Europäische Kommission drängt zudem darauf, dass das staatliche Beschaffungswesen der USA für europäische – vor allem mittelständische – Unternehmen geöffnet wird. Die transatlantischen Verträge sehen auch Kooperationen bei Regulierungen sowie eine Investitionsschutzvereinbarung vor. Kritikerinnen und Kritiker fürchten, das könne negative Folgen für den Verbraucherschutz haben. Erstens befürchten sie, dass der Investorenschutz die Möglichkeit der Bundesregierung zur Regulierung verringert, und zweitens, dass sich niedrigere US-Standards durchsetzen. Dem wäre in der Tat vorzubeugen.

Abgesehen davon, dass US-amerikanische – oder auch kanadische – Standards keineswegs flächendeckend unter den europäischen liegen, sind die Sorgen weitgehend unbegründet. Bei Standards sind grundsätzlich zwei Wege denkbar: Man kann jeweils einheitliche Normen für jedes Produkt und jede Dienstleistung wählen, also eine Ex-ante-Harmonisierung vornehmen. Dies ist politisch schwierig und ökonomisch zweifelhaft, da man durch die Vorabfestlegung auf einen Standard künftige Innovationen von vornherein politisch ausschließt.

Deshalb wird bei TTIP vermutlich die zweite Option, die gegenseitige Anerkennung von Standards, die einzig realistische Möglichkeit sein. Dies macht auch deshalb Sinn, als es bei vielen Produkten nicht nur jeweils einen europäischen und US-amerikanischen Standard gibt, sondern oft viel mehr. Die EU hat mit der gegenseitigen Anerkennung (bekannt als Ursprungslandprinzip) bereits recht gute Erfahrungen gemacht. Für die Bereiche, in denen man sich nicht einigen kann – zum Beispiel bei genmodifizierten Lebensmitteln – dürfte es eine Liste mit Ausnahmen geben.

Ausdehnung gegenseitiger Anerkennung auf Entwicklungsländer empfehlenswert

Die Sorge, dass die Standardsetzung bei TTIP oder CETA zulasten dritter Länder gehen könnte, ist berechtigt. Deshalb schlagen einige Beobachter vor, dass die gegenseitige Anerkennung zumindest auf Entwicklungsländer ausgedehnt wird. Dann könnten zum Beispiel Anbieter aus Uganda in die USA nach europäischen Standards und umgekehrt verkaufen. Dies erfordert recht großzügige Ursprungsregeln. Angesichts der immer stärkeren Aufspaltung der Wertschöpfungsketten machen zu enge Ursprungsregeln aber ohnehin wenig Sinn. Auch viele deutsche Produkte stammen aus mehreren Ländern, der Ursprung eines Produkts Made in Germany ist oft weit gestreut.

Keineswegs jede Regulierung ist zudem ein Handelshemmnis – das sehen auch Deregulierungsbefürworter so. Deshalb sollte die Zusammenarbeit bei künftigen Regulierungen vertieft werden, um möglichst abgestimmt zu handeln: Im öffentlichen Bericht der Europäischen Kommission über die zwölfte TTIP-Verhandlungsrunde aus dem März 2016 ist dazu von "regulatorischer Kohärenz" die Rede. Dieser Teil der Verhandlungen erweckt bei vielen besonderes Misstrauen. Sie sehen die Gefahr, dass Lobbygruppen das Feld insofern kapern, als dass sie bestimmte Regulierungen zu ihren Gunsten beeinflussen, zum Beispiel beim Umwelt- oder Gesundheitsschutz. Hier ist in der Tat dafür Sorge zu tragen, dass der Prozess der regulatorischen Kohärenz transparent verläuft.

Auch über den Investitionsschutz muss diskutiert werden. Zwar ist es nicht in allen Teilen der Welt gewährleistet, dass ausländische Investoren Inländern gleichgestellt sind. Im Verhältnis zwischen den Rechtsstaaten beiderseits des Atlantiks erscheint es jedoch unnötig, auf private Schiedsgerichtsverfahren zu setzen. Man kann sich in Europa und den USA auf die Justiz verlassen. In diesem Fall haben die Investoren nichts zu befürchten.

Bedeutsam sind die politischen Signale insbesondere von TTIP

Gleiches gilt, wenn man dem Vorschlag folgen würde, bilaterale Rechtsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten vor einem multilateralen Gerichtshof auszutragen, der etwa bei der Welthandelsorganisation WTO angesiedelt sein könnte. So ist es jetzt bei CETA geplant, und so soll es auf Wunsch der EU-Kommission auch bei TTIP eingefügt werden. Damit wären Intransparenz und Willkür wohl kaum mehr möglich. Es ist zu erwarten, dass private Schiedsgerichtsverfahren in Europa und der Verzicht auf Investorenschutz in den USA abgelehnt werden – die multilaterale Lösung scheint da ein geeigneter Kompromiss. Ein abschließendes Wort sei zu den möglichen Wirkungen der transatlantischen Integration erlaubt. Die vorliegenden ökonometrischen Schätzungen der Effekte von TTIP und CETA auf Außenhandel, Beschäftigung und Wohlstand zeigen bis auf wenige Ausnahmen durchgängig einen leichten Anstieg des Handels und der Beschäftigung beiderseits des Atlantiks.

Bedeutsamer sind jedoch die politischen Signale insbesondere von TTIP. Das Abkommen kann für einen Schub in der weltweiten Integration sorgen. Es kann den "Goldstandard" beim Investitionsschutz begründen und dafür sorgen, dass europäische und amerikanische Produktstandards auch in Entwicklungsländern angewendet werden. Ein Scheitern von TTIP könnte dagegen dazu führen, dass die weltweit vorherrschenden Standards künftig in Asien festgelegt werden, die Europäische Union würde dann in eine Außenseiterrolle gedrängt; Verbraucherinnen und Verbraucher würden dadurch eher schlechter gestellt. Das kann niemand, der an einer gedeihlichen Zukunft des Kontinents interessiert ist, wollen. Das macht Kritik nicht überflüssig, spricht aber gegen Fundamentalopposition.

(© dpa, Erwin Elsner)

Standpunkt Klaus Müller:



Interner Link: "Es muss Vertrauen aufgebaut werden, dass das Abkommen dem Gemeinwohl dienen will und nicht den Interessen derer, die die besten Legenden zu erzählen wissen."

Prof. Dr. Andreas Freytag hat an der Friedrich-Schiller-Universität Jena den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik inne und ist Honorarprofessor an der Universität Stellenbosch, Südafrika. Er forscht vornehmlich zu Problemen der Entwicklungsländer und zu Fragen des Außenhandels und schreibt unter anderem eine regelmäßige Kolumne für die Wirtschaftswoche.