Die Handelspolitik der USA ist im amerikanischen Wahlkampf Zielscheibe der Kritik von links wie von rechts geworden. Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump, möchte bestehende Handelsabkommen wie Nafta kündigen und fordert sogar Strafzölle auf Produkte aus Mexiko, die zu Arbeitsplatzverlusten in den USA geführt haben. Auch das von der Obama-Administration ausgehandelte Freihandelsabkommen TPP mit elf pazifischen Anrainerstaaten, die mit den USA 40 Prozent des Weltbruttosozialproduktes auf sich vereinen, lehnt Trump vehement ab.
Hier trifft er sich mit den Kritikerinnen und Kritikern des Freihandels auf demokratischer Seite, insbesondere des Bernie-Sanders-Flügels der demokratischen Partei, der TPP und andere Freihandelsabkommen für Arbeitsplatzverluste unter Industriearbeitern verantwortlich macht. Sanders ist sogar so weit gegangen, auch Exporte für problematisch zu halten, weil sie überwiegend großen Konzernen zugutekommen. Sanders’ Kritik an Freihandelsabkommen hat mittlerweile auch den Mainstream der Demokraten erreicht und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton dazu gebracht, von TPP abzurücken. Dabei hatte sie es zuvor als den "Goldstandard" für Handelsabkommen bezeichnet.
TPP-Ratifizierung durch Republikaner vor großen Hürden
Ähnliche Prozesse lassen sich auch bei Republikanern feststellen. Zwar hat die Fraktionsführung im Repräsentantenhaus und im Senat im Juni 2015 noch die Trade Promotion Authority verabschiedet, ein Gesetz zur vereinfachten Ratifizierung von Freihandelsabkommen. Auf dem Parteitag der Republikaner im Juli 2016 ließ sie jedoch verlautbaren, die Ratifizierung von TPP vorläufig nicht mehr anstreben zu wollen. Das könnte sich jedoch ändern, wenn Trump die Wahl verliert. Selbst in den handelspolitischen Verlautbarungen von Trump finden sich Invektive gegen Mexiko, China und TPP, doch keine Ablehnung jeglicher Freihandelsabkommen. Somit ist auch TTIP unter Trump nicht ausgeschlossen.
Während Präsident Obama an TPP festhält, will seine Partei - vor allem der Flügel um Bernie Sanders - es einer kritischen Prüfung unterziehen. TTIP findet keine Erwähnung. Einer der engsten Vertrauten der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton, der Gouverneur des US-Bundesstaates Virginia Terry McAuliffe, hat darauf hingewiesen, dass die Kritik an Freihandelsabkommen bei Clinton und vielen gemäßigten Demokraten vor allem wahltaktischer Natur sei.
Freihandelsabkommen scheinen derzeit schlechte Karten in den USA zu haben. Die vielen "Weg mit TPP"-Plakate auf beiden Parteitagen belegen dies. Amerikanerinnen und Amerikaner sehen mehrheitlich Freihandel als wohlstandsmehrend an, doch sehen eine Mehrheit in beiden Parteien Importe als eine Bedrohung für Arbeitsplätze. Sie würden für Handelsbeschränkungen sogar höhere Preise in Kauf nehmen.
Über TTIP wird kaum öffentlich diskutiert
Wie lässt sich hier die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft einordnen? Vor allem fällt auf, dass über TTIP kaum öffentlich diskutiert wird. TPP und eine Revision des amerikanischen Freihandelsabkommens Nafta sowie die chinesische Billigkonkurrenz stehen im Vordergrund der Debatte. Die Liberalisierung des transatlantischen Handels wird hingegen nicht als Bedrohung wahrgenommen. Dies kann nicht überraschen, denn die Kritik an Nafta und TPP macht sich an dem Umstand fest, dass es sich überwiegend um Länder mit niedrigen Sozial- und Umweltstandards handelt. Die USA müssen hingegen kaum europäische Billigimporte befürchten.
Die großen Wirtschaftsverbände der USA unterstützen TTIP vorbehaltlos. Sie sehen in dem Abkommen nicht nur neue Marktchancen, sondern auch eine Möglichkeit, Regeln im transatlantischen Wirtschaftsraum zu definieren, die ein Gegengewicht zu China bilden. Hier geht es vor allem um Industrienormen und Standards. Unter dem Motto "Rule-makers" statt "Rule-takers" erwartet die amerikanische Industrie Regelungen in Bereichen wie Elektromobilität, künstlicher Intelligenz, netzgesteuerter Energiesysteme, Robotertechnik sowie Nanotechnik. Diese sollen den Anbietern Vorteile gegenüber der Konkurrenz aus Asien verschaffen. Amerikanische Unternehmen sehen zudem eine Interessenidentität mit Europa bei Themen wie dem Schutz geistigen Eigentums und bei Vorkehrungen gegen Unternehmen aus Drittländern, die in Staatsbesitz sind.
Nur wenige Branchen sehen TTIP als problematisch an, darunter die US-Milchwirtschaft, die geografische Herkunftsbezeichnungen für Käse ablehnt, die maritime Schifffahrt sowie Unternehmen, die vom geschützten Markt für öffentliche Aufträge in den USA profitieren. Was die amerikanischen Gewerkschaften betrifft, so wird TTIP sogar als Chance begriffen, die eigene Position zu stärken. Allerdings liefe das auf den Import europäischer Standards hinaus, was selbst in einer demokratisch geführten Regierung keine Unterstützung fände.
US-Wirtschaft verunsichert Austritt Großbritanniens aus der EU
Politisch eine untergeordnete Rolle spielen die makroökonomischen Auswirkungen des Abkommens. Die von Forschungsinstituten prognostizierten Zuwächse am Bruttoinlandsprodukt (um ein Prozent) fallen zu gering aus, um als politische Munition zu taugen. Viel größere Probleme bereitet US-Exporteuren die Aufwertung des Dollars gegenüber dem Euro. Verunsichert ist die Wirtschaft auch durch den geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU. Damit wäre TTIP weniger attraktiv, da der in Frage kommende europäische Markt kleiner würde und sich die Möglichkeiten für US-Finanzdienstleister verschlechtern dürften.
Für die wichtigsten Akteure der amerikanischen Wirtschaft ist TPP das prioritäre Abkommen. Das gilt auch für die Obama-Administration, die nach den Wahlen den Kongress noch dazu bewegen wird, TPP zu verabschieden. Besonders nach einer Niederlage von Trump könnte die Administration die umwelt- und sozialpolitischen Kapitel von TPP hervorheben.
TTIP wäre da nur eine komplementäre Zugabe. Zudem werden amerikanische Entscheidungsträger sehr genau die Diskussion in Europa um das mit Kanada abgeschlossene Abkommen CETA beobachten. Sollte sich die Ratifizierung dieses für die EU vorteilhaften Abkommens als schwierig gestalten, wird man vorerst weniger bereit sein, politisches Kapital in TTIP zu investieren.
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