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Ein transatlantisches Abkommen für den Mittelstand | Globaler Handel | bpb.de

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Ein transatlantisches Abkommen für den Mittelstand

Michael Hüther

/ 4 Minuten zu lesen

Ob beim Investitionsschutz oder bei der Standardisierung: Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen birgt TTIP viele Chancen und Vorteile, betont der Kölner Ökonom Michael Hüther.

Michael Hüther (© Institut der deutschen Wirtschaft Köln)

Zwar können sich für den Freihandel in Deutschland drei Viertel der Bevölkerung begeistern, gegen TTIP hingegen formiert sich eine öffentlich stark präsente Mehrheit. Nicht nur auf den ersten Blick verbirgt sich hier ein Widerspruch, denn auch unter den TTIP-Skeptikern findet sich breite Zustimmung zu Freihandel und Globalisierung.

Analysen der TTIP-Skeptiker zeigen interessanterweise, dass diese ihre Kritik an den Institutionen der EU und deren vermeintliches Demokratiedefizit auf das Abkommen projizieren. In gewisser Weise ist damit der Widerstand gegen TTIP in eine Reihe zu stellen mit der Abstimmung der Briten über den Austritt aus der EU. Auch hier wurden Ängste mobilisiert und projiziert.

Wichtig ist deshalb, über den Sachverhalt aufzuklären, ohne ihn weder zu verklären noch zu verteufeln. Es ist dabei auch an der Zeit, mit einem der großen Mythen auszuräumen: TTIP sei ein Abkommen, geschrieben von und für Großkonzerne – so eine weitverbreitete Kritik. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) würden durch ein Absenken der Qualitätsstandards und eine Verschärfung des Wettbewerbs aus dem Markt gedrängt, selbst vor Schiedsgerichten würde der kleine Mittelständler benachteiligt, heißt es weiter.

TTIP ist – das wird bereits hier deutlich – in verschiedener Hinsicht ein besonderes Abkommen. Erstens: Es umfasst mit den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zwei der stärksten und größten Wirtschaftsräume. Ein Abkommen würde die Weltwirtschaft als Ganzes betreffen, die Folgen für die Entwicklungsländer sind sorgsam zu wägen.

Zweitens: Es geht um freien und fairen Handel mit Waren und Dienstleistungen, es geht aber ebenso um freien und fairen Kapitalverkehr. Auf letzteres zielt der Eigentumsschutz ausländischer Investoren, für den bislang die stark kritisierten privaten Schiedsgerichte herangezogen werden. Die Kritik sieht hier einen Hebel, die nationale Gesetzgebung zu schwächen.

Drittens: Es geht nicht nur um die Absenkung von Zöllen, sondern ebenso um die Harmonisierung nichttarifärer Handelshemmnisse. Hier vermuten viele einen Abbau des etablierten Umwelt- und Verbraucherschutzes.

Sorgen um die deutschen Hidden Champions unbegründet

Abgesehen von der generellen Kritik werden Sorgen um den deutschen Mittelstand als Argument gegen TTIP vorgetragen. Der Mittelstand ist weniger international aufgestellt als die Handvoll global tätiger deutscher Großkonzerne, wenngleich wir viele Weltmarktführer aus dessen Reihen in Deutschland haben, und viele Mittelständler als "Hidden Champions" in ihren Märkten eine starke Position aufweisen. Diese Untergruppe der Mittelständler sind hochspezialisierte Exporteure, die Nischenmärkte global dominieren. Daran soll und wird TTIP auch nichts ändern.

Deutsche Mittelständler haben es in ihrer teilweise über hundertjährigen Unternehmensgeschichte geschafft, sich ändernde Marktkonditionen frühzeitig zu erkennen und sich ständig an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Der im Schwarzwald ansässige Hersteller von Sanitärkeramik Duravit ist ein Beispiel für einen solchen Mittelständler. In den fast 200 Jahren seit der Unternehmensgründung hat sich die Firma vom lokalen Geschirrproduzenten zum stark internationalisierten Exporteur gewandelt. Andere Beispiele: Der Reinigungstechnikhersteller Kärcher oder der Tunnelbaumaschinenproduzent Herrenknecht. Die Liste ließe sich fast beliebig lang fortsetzen.

Zunächst bedürfen die Mittelständler ganz besonders der Rechtssicherheit bei Auslandsinvestitionen, da sie nicht so kapitalstark wie die Multis sind. In den US-Bundesstaaten gelten anders als bei uns nicht automatisch die von Washington unterzeichneten völkerrechtlichen Abkommen. Der Investorenschutz hat deshalb gerade für den Mittelstand eine hohe Bedeutung.

Gerade für KMU ist die Prüfung amerikanischer Standards häufig kostspielig

Aber: Würden die KMU im Falle von TTIP durch das Harmonisieren von Qualitäts- und Prüfungsstandards von Großkonzernen in einen ruinösen Preiswettbewerb getrieben?

Eine Harmonisierung von Anforderungen unterschiedlichster Art schafft für alle Anbieter ein identisches Spielfeld. Eine Bedrohung wäre nur für einen Mittelstand plausibel, der allein preisgetrieben seine Marktposition erringen konnte. Dann mögen Spezialisierungsvorteile entfallen. Der deutsche Mittelständler ist aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass er – zu adäquaten Kosten – insbesondere kundenspezifisch hochwertige Produkte und Lösungen erbringt. Er beherrscht besser als andere komplexe Anforderungen, und er würde dabei künftig von Kosten entlastet, denen kein Differenzierungsvorteil entgegensteht, weil doppelte Prüfungen entfallen oder sich ein aufwendiger Umbau bei ansonsten gleicher Funktionalität erübrigt.

Gerade für KMU ist eine Prüfung der amerikanischen Standards und Vorschriften häufig zu kostspielig, als dass sich ein Markteintritt lohnen würde. Mittelständler bieten häufig Zwischenprodukte an und vertiefen die Arbeitsteilung. Hier liegt ein großes Potenzial, denn der deutsch-amerikanische Warenhandel entfiel bereits im Jahr 2015 zu 40 Prozent auf eben diese Zwischenprodukte.

Über eine noch stärkere Arbeitsteilung können Unternehmen weiterhin ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Am Ende würde so das Qualitätssiegel "Made in Germany" gestärkt werden. Damit auch alle kleinen Unternehmen Gehör finden, wird des Weiteren ein spezieller KMU-Ausschuss gebildet werden. Dieser soll sicherstellen, dass die Interessen des europäischen Mittelstandes auch bei Abschluss des Freihandelsabkommens gewahrt bleiben. Wir brauchen diese Unternehmen – sie bilden schließlich nicht nur bei uns das Rückgrat der europäischen Volkswirtschaft.

(© UnternehmensGrün)

Standpunkt Katharina Reuter:



Interner Link: "Branchenspezifische Abkommen sind zu bevorzugen – damit es nicht dazu kommt, dass schwächere Branchen (in Europa zum Beispiel die Landwirtschaft) den Interessen von stärkeren Branchen (zum Beispiel der Automobilwirtschaft) geopfert werden."

Prof. Dr. Michael Hüther, Jahrgang 1962, ist Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln und Honorarprofessor für Allgemeine Volkswirtschaftslehre an der European Business School Oestrich-Winkel.