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Die Risiken sind hoch, die Vorteile gering

Sabine Stephan

/ 4 Minuten zu lesen

CETA und TTIP bringen selbst laut den wissenschaftlichen Studien der Freihandelsbefürworter nur wenig Jobs und Wachstum, bergen aber dafür viele Gefahren, warnt die Ökonomin Sabine Stephan.

(© IMK)

Die EU-Kommission versteht nicht, warum immer mehr Bürgerinnen und Bürger gegen die Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) Sturm laufen. Noch 2013 sah die Welt ganz anders aus. Bis zum Beginn der TTIP-Verhandlungen wurden Freihandelsabkommen nämlich geräuschlos und unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt. Das hat sich nun geändert. Der Widerstand in der Bevölkerung rührt daher, dass immer mehr Menschen merken, dass sie von der Politik unzureichend oder falsch über den Inhalt und die Tragweite von CETA und TTIP informiert werden. Tatsächlich geht es bei dieser neuen Generation von Handelsabkommen weniger um Handel, sondern um Deregulierung, Marktöffnung und Investorenschutz. Die Menschen begreifen zunehmend, dass Ceta und TTIP ihre Lebens- und Arbeitswelt weitaus stärker beeinflussen könnten als die Politik es ihnen weismachen will. Und sie wollen wissen, welche Vor- und Nachteile sie von CETA und TTIP haben.

Die Befürworterinnen und Befürworter sehen in TTIP in erster Linie einen Motor, der die lahmende europäische Konjunktur wieder zum Laufen bringt. So behauptete die EU-Kommission unter Verweis auf eine von ihr beim Centre for Economic Policy Research (CEPR) in Auftrag gegebene Studie, dass ein ambitioniertes Abkommen hunderttausende neue Arbeitsplätze schaffen könne. TTIP sei das kostengünstigste Konjunkturpaket, das man sich vorstellen könne. Vor dem Hintergrund, dass die meisten europäischen Länder seit Jahren mit schwachem Wirtschaftswachstum und hoher Arbeitslosigkeit kämpfen, ist dies ein außerordentlich schlagkräftiges Argument. Es gewinnt noch an Glaubwürdigkeit, wenn es von wissenschaftlichen Studien angeblich belegt wird.

Verschwindend geringes Plus beim Wirtschaftswachstum

Ergebnisse, die die Behauptungen der EU-Kommission stützen, sucht man in der Studie des CEPR vergeblich. Für das sehr optimistische Szenario eines umfassenden Freihandelsabkommens, dem die Annahme zugrunde liegt, dass alle Zölle beseitigt und sogenannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie Importquoten oder unterschiedliche Standards in sehr großem Umfang abgebaut werden, kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU am Ende einer Anpassungsphase von zehn Jahren nach Inkrafttreten um knapp 0,5 Prozent höher wäre als ohne TTIP. Das heißt: In diesem 10-Jahres-Zeitraum würde die Wachstumsrate des EU-BIP jedes Jahr um durchschnittlich 0,05 Prozentpunkte höher ausfallen – was verschwindend gering ist. Des Weiteren werden in der Studie überhaupt keine Aussagen zu möglichen Arbeitsplatzgewinnen oder -verlusten gemacht. Diesen Aspekt kann man mit dem Modell, das in der Studie verwendet wird, gar nicht untersuchen, weil in diesem Modell immer Vollbeschäftigung herrscht.

Das ifo Institut hat die Auswirkungen von TTIP für Deutschland berechnet. Danach wäre das hiesige reale BIP pro Kopf am Ende einer Anpassungsphase von zehn bis 20 Jahren 1,6 Prozent höher als ohne TTIP. Legt man einen Anpassungszeitraum von 15 Jahren zugrunde, würde die Wachstumsrate des BIP in dieser Zeit jedes Jahr um durchschnittlich 0,1 Prozentpunkte höher liegen – ebenfalls ein winziger Effekt. Im Gegensatz zur CEPR-Studie werden in den ifo-Untersuchungen auch Beschäftigungseffekte ermittelt: Unter der Annahme, dass durch TTIP Arbeitsplätze geschaffen, aber keine vernichtet werden, könnten im Durchschnitt bis zu 12.000 neue Jobs pro Jahr entstehen. Bei Berücksichtigung möglicher Jobverluste reduziert sich der Beschäftigungseffekt auf 1.700 neue Jobs pro Jahr.

Ein großer blinder Fleck bei den Kosten der Abkommen

Die Studienergebnisse sind eindeutig: Selbst unter außerordentlich optimistischen Annahmen sind die erwarteten Wachstums- und Beschäftigungseffekte durch TTIP winzig. Und wie hoch wären die Kosten eines umfassenden Freihandelsabkommens? An dieser Stelle haben die Studien einen großen blinden Fleck.

Makroökonomische Kosten werden lediglich als vorübergehende Anpassungskosten betrachtet. Soziale Kosten, die durch den substantiellen Abbau regulatorischer Maßnahmen und durch Schadenersatzzahlungen an ausländische Unternehmen im Rahmen des Investorenschutzes entstehen könnten, finden überhaupt keine Erwähnung. Für die EU-Kommission ist der Abbau nicht-tarifärer Hemmnisse gleichbedeutend mit der Beseitigung unnötiger Regelungen. Diese Sichtweise greift entscheidend zu kurz. Viele Regulierungsmaßnahmen insbesondere im Bereich Umwelt- und Verbraucherschutz haben zum Ziel, Kosten von der Allgemeinheit abzuwenden oder diese zu begrenzen. Würde man bei der Beurteilung von CETA und TTIP berücksichtigen, dass der Gesellschaft durch den Abbau solcher Regelungen beträchtliche Kosten entstehen und dass diese zum Beispiel über Steuererhöhungen finanziert werden müssten, was wiederum dämpfende Effekte auf Wachstum und Beschäftigung haben würde, dürfte die ohnehin magere Bilanz dieser Handelsabkommen noch deutlich schlechter ausfallen.

(© Privat)

Standpunkt Gabriel Felbermayr:



Interner Link: "Der Vorteil von TTIP liegt nicht in höherer Beschäftigung, sondern in besseren Jobs: Der durchschnittliche Reallohn läge gemäß den Simulationsergebnissen mit TTIP in Deutschland um mehr als zwei Prozent höher als ohne."

Fussnoten

Fußnoten

  1. J. Francois, M. Manchin, H. Norberg, O. Pindyuk, P. Tomberger (2013): Reducing Transatlantic Barriers to Trade and Investment. An Economic Assessment, London.

  2. Ebenda, Tabelle 16, S. 46

  3. G. Felbermayr, M. Larch, L. Flach, E. Yalcin, S. Benz (2013a): Dimensionen und Auswirkungen eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, München, Tabelle III.12, Panel [E], S. 97.

  4. Vgl. G. Felbermayr, B. Heid, S. Lehwald (2013b): Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (THIP). Wem nutzt ein transatlantisches Freihandelsabkommen? Teil 1: Makroökonomische Effekte, Gütersloh, Tabelle 11, S.41.

  5. Vgl. G. Felbermayr et al. (2013a), Tabelle III.13, Panel [C], S.100.

  6. Vgl. W. Raza, B. Tröster, R. von Arnim (2016): The blind spots of trade impact assessment: macroeconomic adjustment costs and the social costs of regulatory change. In: European Journal of Economics and Economic Policies: Intervention, Vol. 13, S. 87-102.

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Sabine Stephan für bpb.de

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Dr. Sabine Stephan ist Leiterin des Referats Ökonometrie im Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung an der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.