Befürworterinnen und Befürworter von Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP betonen regelmäßig positive Effekte auf die Arbeitsplätze. Die neue Strategie der EU-Kommission "Trade for All" vom Oktober 2015
So schreibt der US-amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman 1993, das Niveau der Beschäftigung sei eine makroökonomische Variable, die kurzfristig von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, langfristig von der natürlichen Rate der Arbeitslosigkeit abhänge, die von mikroökonomischen Größen wie Zöllen kaum beeinflusst würden. Handelspolitik sollte hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die wirtschaftliche Effizienz beurteilt werden, so Krugman, nicht mit fragwürdigen Argumenten über neu zu gewinnende oder zu verlierende Arbeitsplätze.
Wenn Handelsliberalisierung zu einer Belebung des Wettbewerbes führt, treten zwei entgegengesetzte Effekte auf. Wenn die durchschnittliche Marktmacht der Unternehmen fällt, sinken die Preise, der Output steigt und die Firmen fragen mehr Arbeit nach. Aber die Effizienzgewinne durch Freihandel senken bei konstanter Produktionsmenge auch die notwendige Beschäftigung. Die Frage ist daher, ob der Outputeffekt den Effizienzgewinn dominiert. Der Gesamteffekt ist also a priori uneindeutig.
Ökonomen sehen die Vorteile von Freihandel nicht vordergründig in neuen Arbeitsplätzen
Daher sehen die meisten Ökonomen die Vorteile von Freihandel nicht vordergründig darin, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dafür sind ganz andere Maßnahmen notwendig: geld- und fiskalpolitische Stimulierung bei konjunktureller Arbeitslosigkeit und geeignete Arbeitsmarktpolitiken bei hoher struktureller Arbeitslosigkeit. Der Abbau von Zöllen und anderen diskriminierenden Marktzutrittsbarrieren führt zwar nicht zu mehr, aber zu besseren Jobs.
In den vergangenen Jahren hat die Forschung Fortschritte gemacht. Neue Einsichten wurden durch eine Abkehr von Modellen mit perfekt funktionierenden Arbeitsmärkten, durch bessere Daten und neue statistische Methoden möglich. Damit lassen sich Schlussfolgerungen auch für TTIP und CETA ziehen.
Zahlreiche nationale und internationale empirische Studien weisen sehr klar nach, dass Unternehmen, die global aktiv sind, relativ zu anderen Firmen höhere Bruttolöhne zahlen. Dabei wird bereits herausgerechnet, dass international tätige Firmen typischerweise besser qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen. In Deutschland verdienen sie auch gut zehn Prozent mehr als ihre Kolleginnen und Kollegen in Firmen, die nicht exportieren.
Die Untersuchungen sagen indes nichts darüber aus, ob Handelsliberalisierung die Anzahl solcher guter Jobs tatsächlich erhöht. Einerseits eröffnen sich neue Absatzchancen im Ausland. Damit steigt der Anteil von Firmen in einer Branche, die die genannte Lohnprämie anbieten. Andererseits kann zunehmender Wettbewerbsdruck durch starke ausländische Unternehmen für andere heimische Firmen und Branchen aber zu gegenteiligen Effekten führen. Weil Handelsliberalisierung immer diese beiden Seiten hat, gibt es fast zwangsläufig sowohl unter den Unternehmen als auch unter den Arbeitnehmern Gewinner und Verlierer.
Nettoeffekte der Marktöffnung mit China sehen Deutschland als Gewinner
Die dramatisch zunehmenden Importe aus China können so für die Deindustrialisierung der USA zumindest teilweise verantwortlich gemacht werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dabei ihren Arbeitsplatz verloren, konnten nur schwer und häufig nur zu niedrigeren Löhnen Beschäftigung in anderen Branchen finden.
Handelsliberalisierungen führen laut Untersuchungen tatsächlich häufig zu temporär höherer Arbeitslosigkeit. Die Nutzung von neuen Marktchancen und der daraus folgende Jobaufbau brauchen Zeit, während intensiverer Wettbewerb sehr rasch zu Jobabbau in unproduktiven Firmen führt. Die Periode höherer Arbeitslosigkeit ist allerdings eher kurz: Schon etwa sechs Quartale nach der Liberalisierung kehrt die Arbeitslosigkeit zum Ausgangsniveau zurück und sinkt danach weiter auf ein langfristig etwas geringeres Niveau.
In einer Studie zu möglichen Effekten von TTIP haben Kollegen und ich 2013 diesen Mechanismus in ein klassisches Modell des Außenhandels eingebaut und dann die Effekte auf die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung berechnet.
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