Trotz offensichtlicher Probleme erklärten Finanzexperten Anfang der 2000er Jahre die Marktbedingungen für weitgehend optimal. Sie vertrauten auf mathematische Modelle, in denen ideale Bedingungen angenommen wurden, die es im wirklichen Leben nicht gibt. Zum Beispiel besagte die Effizienzmarkthypothese, dass Finanzmärkte stets für eine effiziente Preisbildung und damit eine Stabilisierung der Wirtschaft sorgten, indem hohe Risiken mit hohen Aufschlägen und niedrige Risiken mit geringen Aufschlägen bei Finanzprodukten versehen würden. Eine Sichtweise mit Fehlern, denn Risiken sind, anders als in der modernen Finanztheorie unterstellt, keinesfalls genau berechenbar. An ihren Modellen hielten die Expertinnen und Experten dennoch fest, beispielsweise auch nach dem Beinahe-Bankrott des Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998. Dabei handelt es sich hierbei gemäß den genannten Modellen um ein „Ereignis“, das, statistisch betrachtet, nur einmal alle drei Milliarden Jahre eintreten sollte. Und das Ereignis war beileibe kein Einzelfall.
Marktversagen
In der Finanzkrise 2007/2008 gab es dann reihenweise Ereignisse, die aus der Sicht der Modelle noch unwahrscheinlicher waren. Investmentbanker sprachen angesichts der geplatzten Blase am US-Häusermarkt und einiger Phänomene von mehreren „25-Sigma-Ereignissen“. In seinem Buch „Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt: Die bizarre Geschichte der Finanzen“ schreibt John Lanchester: „Es wäre genauso, als würde man in Großbritannien 21-mal hintereinander im Lotto gewinnen. So sieht die Wahrscheinlichkeit eines einzigen 25-Sigma-Ereignisses aus. Und Goldman Sachs behauptete, sie mehrere Tage in Folge erlebt zu haben. Das ist so falsch, dass man es schon gar nicht mehr in Worte fassen kann. Es sollte eigentlich menschlich nicht möglich sein, so spektakulär danebenzuliegen. Und dabei geht es hier ja letztendlich um einen Verfall der Immobilienpreise, der dazu führte, dass Leute mit geringer Kreditwürdigkeit Schwierigkeiten bekamen, ihre Hypotheken zurückzuzahlen. Daraus macht man dann ein Ereignis, das buchstäblich das Allerunwahrscheinlichste war, was jemals in der Geschichte des Universums hätte passieren können.“
Viele Beobachterinnen und Beobachter hatten eine Krise schon lange vorhergesehen. Schließlich hatte sich binnen 30 Jahren die Gesamtverschuldung der Industrieländer, also der Staaten, Unternehmen und Privatpersonen, fast verdoppelt. Das musste aus ihrer Sicht irgendwo und irgendwann ein böses Erwachen geben. Und es war auch nicht überraschend, dass Privatpersonen in den USA letztlich der Auslöser waren, denn deren hohe Verschuldung war immer wieder Thema gewesen. Schließlich hatte ein durchschnittlicher Haushalt vor dem Platzen der Immobilienblase Schulden in Höhe von etwa 10.000 US-Dollar. Hinzu kamen Verbindlichkeiten aus Kreditkartenschulden und vor allem Immobilien.
Einen Interner Link: gewaltigen Berg Schulden häuften viele US-Bürgerinnen und -Bürger an, weil sie sich Häuser oder Wohnungen zulegten, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Das Eigenheim für jeden schien greifbar nah, erhielten doch massenhaft Geringverdiener Kredite, bei denen die Banken früher abgewunken hätten. Man sprach von Ninja-Krediten, was für „No income, no job or asset“ (weder Einkommen noch Arbeit noch werthaltiger Besitz) stand. In dieser Ära der Kreditpolitik stieg die Anzahl der Hausbesitzenden in den Vereinigten Staaten von 1994 bis 2006 um ganze fünf Prozentpunkte auf 69 Prozent. Auf die US-Wirtschaft wirkte dieser Bauboom wie ein gewaltiges Konjunkturprogramm.
Man muss auch von einem Staatsversagen sprechen, denn diese Entwicklung war politisch gewünscht und wurde zudem von der Interner Link: US-Zentralbank mit niedrigen Zinsen befeuert. Im Jahr 2003 lag der Leitzins und damit der Preis, zu dem sich Banken bei der US-Notenbank die Leitwährung der Welt ausleihen konnten, deutlich unterhalb der Inflationsrate. De facto bekamen die Menschen also Geld geschenkt, wenn sie einen Kredit aufnahmen. Und davon machten sie reichlich Gebrauch.
Die Bombe platzt
Jahrelang kletterten die Immobilienpreise, und die Immobilienbesitzer wurden auf dem Papier immer wohlhabender, was viele veranlasste, immer neue Kredite aufzunehmen. Viele Schuldnerinnen und Schuldner verfielen einer Reichtumsillusion, genauso übrigens wie deren Gläubiger. Wie so oft in der Finanzkrisengeschichte reichte ein kleines Ereignis, um das Kartenhaus zum Einsturz zu bringen. In diesem Fall war es eine geringe Zinserhöhung der US-Zentralbank Anfang 2007. Erst flaute der Immobilienboom ab, dann platzten die ersten Finanzierungen. In den USA sind die meisten Kreditverträge mit variablen Verzinsungen abgeschlossen, weswegen auf die Zinserhöhung der Fed für viele Hausbesitzer eine Erhöhung ihrer Zinslast auf dem Fuß folgte. Viele waren überfordert, ihre Kredite zu bedienen. Genauso erging es übrigens vielen Hausbesitzern, als die Immobilienblasen 2007 und 2008 in Spanien und Irland platzten. Überall standen einzelne Menschen und Familien vor dem finanziellen Ruin.
Weil Geldschulden und Geldvermögen korrespondieren, musste zwangsläufig auch irgendwo auf der Welt Vermögen schrumpfen, wenn massenweise Kredite ausfielen. Und das geschah nun auch in großem Umfang, zur Überraschung vieler Leute übrigens auch in Deutschland, obwohl es hierzulande seinerzeit keine Immobilienblase gegeben hatte. Jetzt merkten die Menschen, was globale Finanzmärkte bedeuten. Ein Alarmsignal war die Pleite zweier von der Investmentbank Bear Stearns verwalteter Hedgefonds im Juni 2007; beide hatten mit Schrottpapieren auf Immobilien von Besitzerinnen und Besitzern mit geringem Einkommen spekuliert. Die Wertkorrektur auf solche Schrottpapiere riss jetzt Milliardenlöcher in diverse Bankbilanzen, vor allem in den USA und Europa. Die riskanten Finanzderivate, die den ausgebenden Banken zuvor exorbitante Gewinne gebracht hatten, waren zu einem „finanziellen Massenvernichtungsmittel“ mutiert, wie es Warren Buffett ausdrückte, selbst einer der größten globalen Investoren. In Deutschland waren als Erste die SachsenLB und die IKB Deutsche Industriebank betroffen, sie standen 2007 vor dem Aus und wurden mit öffentlichen Geldern gerettet.
Banken geraten ins Trudeln
Am Anfang des 20. Jahrhunderts unterlegten die Geldhäuser ihr Geschäft im Schnitt noch mit einem Eigenkapitalanteil von 25 Prozent. Vor Beginn der Finanzkrise waren es 2007 teils weniger als drei Prozent. Damit reicht ein Wertverlust bei den Anlagen einer Bank von drei Prozent aus, um das Eigenkapital vollständig aufzuzehren und die Bank in die Insolvenz zu treiben.
Warum verhalten sich Bankmanager so riskant? Die Antwort ist einfach: Je geringer der Eigenkapitalanteil bei einem Kredit ist, desto höher ist die Verzinsung des Eigenkapitals, sprich der Gewinn der Bank. Von einem höheren Gewinn profitieren bei aktiennotierten Banken die Aktionärinnen und Aktionäre und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn die Bank ihnen zu ihrem Fixgehalt noch einen Bonus zahlt. Es gab also vor der Krise einen sehr großen Hebeleffekt bei diversen Banken: Die Deutsche Bank nutzte beispielsweise 2008 einen Hebel, d. h. einen Multiplikationsfaktor von 59,1; sprich, sie handhabte mit einem Eigenkapital von 33,7 Milliarden Euro eine Bilanzsumme von 1.990,7 Milliarden Euro. Allerdings gilt der Mechanismus natürlich auch umgekehrt, dann werden nicht die Gewinne, sondern die Verluste gehebelt – wie nach dem Platzen der Subprimeblase.
Im September 2008 ging die Investmentbank Lehman Brothers pleite. Jetzt trauten sich Banken untereinander nicht mehr und gaben sich gegenseitig keine kurzfristigen Kredite mehr, wodurch viele Häuser in Liquiditätsnöte kamen. Viele Banken wären pleitegegangen, wenn Notenbanken wie die Fed, EZB und Bank of England nicht als „lender of last resort“ (Verleiher in der Not) den Banken große Geldmengen für deren Liquidität zur Verfügung gestellt hätten. Diverse Regierungen sorgten mit Finanzspritzen, Bürgschaften sowie teilweisen oder kompletten Verstaatlichungen dafür, dass den Banken das Eigenkapital nicht ausging.
Die Problemursachen bei Banken waren jedoch unterschiedlich, es gab also gewissermaßen mehrere Interner Link: Bankenkrisen. Da waren die Institute in Ländern wie Irland und Spanien, teilweise auch in den USA, die unmittelbar an dem Immobilienboom beteiligt waren. Sie wurden in Mitleidenschaft gezogen, weil ihre Kundinnen und Kunden die Kredite nicht mehr bedienten.
Dann gab es eine Gruppe von Banken in Staaten, die überschuldet waren, vor allem in Griechenland. Diese Banken hatten eigentlich eine vernünftige Geschäftspolitik betrieben. Als ihre Heimatstaaten jedoch international kein Geld mehr bekamen, wurden sie in deren Finanzierung einbezogen und gerieten dadurch in Schwierigkeiten. Außerdem gab es Banken beispielsweise aus Deutschland, auf deren Heimatmarkt es weder eine Immobilien noch einen maroden Staat gab; sie waren aber der Ansicht gewesen, sie könnten hohe Gewinne im Ausland machen, sei es durch den Kauf „toxischer Papiere“ in den USA oder durch Kredite an den griechischen Staat oder irische oder spanische Banken.
Die „Staatsgarantie“
Im Oktober 2008 traten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor die Fernsehkameras und erklärten, die Bundesregierung werde die Sparguthaben der Bürgerinnen und Bürger schützen. Spätestens jetzt wusste jeder – hier ist eine schwere Krise im Gang. Für die meisten Deutschen war eine solche Finanzkrise eine ganz neue Erfahrung. Nun wurde quer durch alle Fernsehprogramme und Zeitungen über Geld, Verbriefungen, Ratingagenturen diskutiert. Jetzt, als die von den Finanzmärkten ausgelösten Probleme im Herz des Kapitalismus, der Wall Street in New York und den europäischen Finanzzentren London und Frankfurt am Main, angekommen waren, schien die Zeit reif für überfällige Reformen. Es kam noch schlimmer: Denn die Rettung ihrer Banken überforderte einige Staaten in Europa, auf die Bankenkrise folgte hier die Staatsschuldenkrise. Einige EU-Staaten benötigten selbst internationale Hilfe, darunter Irland, Spanien, Portugal, Griechenland und Zypern.
„Rettungsschirme“
Zunächst waren die Regierungen der Eurozone überzeugt gewesen, dass die Interner Link: Staatsschuldenkrise ein vorübergehendes Phänomen sein werde. Sie beschränkten sich deswegen im Juni 2010 auf die Schaffung eines zeitlich befristeten Rettungsschirms – die Europäische Finanzierungsfazilität (EFSF) –, um den Staatsbankrott von Euromitgliedsländern zu verhindern. Aber bald benötigten neben Griechenland auch Irland und Portugal Hilfe. Das war die Geburtsstunde des dauerhaften Rettungsschirms, des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Damit versicherten sich die Euroländer 2012 dauerhaft ihre gegenseitige Solidarität innerhalb der Währungsunion – eine Kündigungsklausel gibt es in dem Vertrag nicht. Der Rettungsschirm kann vorbeugend oder im akuten Fall Kredite vergeben und auch Bürgschaften übernehmen. Damit können Länder dann ihre Staatsschulden finanzieren oder angeschlagenen Banken frisches Kapital zur Verfügung stellen. Im Gegenzug müssen die Empfängerstaaten aber ihre Staatshaushalte sanieren und dafür einen verbindlichen Plan vorlegen.
Der ESM hat seinen Sitz in Luxemburg und verfügt über ein Stammkapital von 700 Milliarden Euro. Deutschland – der wichtigste Geldgeber – verfügt aufgrund seiner Stimmrechte de facto über eine Vetomöglichkeit. Drei Rettungsprogramme („Rettungsschirme“) gab es bislang unter dem Dach des ESM: Spanien erhielt 2012 zur Stabilisierung seiner Banken 41,3 Milliarden Euro; das Programm endete wie geplant 2014. Zypern begab sich von 2013 bis 2016 unter den Rettungsschirm und erhielt 6,3 Milliarden Euro an Hilfskrediten. Griechenland war von 2015 bis 2018 in dem Hilfsprogramm des ESM, hatte aber zuvor bereits zwei Hilfspakete erhalten – insgesamt waren es Hilfen in Höhe von 86 Milliarden Euro.
Von systemrelevanten Banken
Die Dinosaurier sind irgendwann ausgestorben, für Bankriesen gibt es dagegen eine Art gesellschaftliche Überlebensgarantie. Zur Begründung verweisen Politik und Wirtschaft auf die Gefahren, die trudelnde Großbanken wie zuletzt die schweizerische Credit Suisse in einer Volkswirtschaft bewirken können. Geht ein „systemrelevantes“ Institut pleite, besteht eben die große Gefahr, dass andere Banken mit untergehen. Das liegt an der engen Verflechtung der Geldhäuser. Welche Kettenreaktionen möglich sind, zeigte die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers. Eine weitere Pleite einer systemrelevanten Bank riskierte daraufhin keine Regierung mehr in den USA und Europa. Teilweise wurden Krisenbanken verstaatlicht, in Großbritannien beispielsweise die achtgrößte Bank des Landes, Northern Rock, und das zehntgrößte Geldhaus, die Royal Bank of Scotland. Zuletzt musste sich die Großbank Credit Suisse im März 2023 mit der Konkurrentin UBS zwangszusammenschließen – nach einer Intervention durch das schweizerische Finanzministerium, die Schweizerische Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht des Landes.
Als die Bankenkrise nach der Interner Link: Pleite der US-Bank Lehman Brothers auf Deutschland übergriff, schuf die Bundesregierung im Oktober 2008 einen speziellen Fonds, den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin), auch Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) genannt. Der Fonds war mit einem gehörigen Volumen von 100 Milliarden Euro ausgestattet, was damals etwa einem Drittel des Bundeshaushalts entsprach. Der Fonds konnte Hilfskredite vergeben und Garantien und Bürgschaften aussprechen. Wenn Finanzinstitute die Hilfe des Fonds in Anspruch nahmen, mussten sie dafür marktübliche Zinsen zahlen und bestimmte Auflagen (z. B. bezüglich Geschäftspolitik, Höhe des Eigenkapitals und der Managergehälter) erfüllen. So gab es reihenweise staatliche Geldspritzen und Milliardenbürgschaften unter anderen für die Commerzbank, die Hypo Real Estate (HRE), die Industrie- und Kreditbank (IKB), die Düsseldorfer Hypothekenbank, die Aareal Bank, die Corealcredit Bank und diverse Landesbanken wie BayernLB, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), SachsenLB, HSH Nordbank und Westdeutsche Landesbank (WestLB). Die HSH Nordbank wurde auf Druck der EU 2018 an Privatinvestoren verkauft, die WestLB auf Druck der EU 2012 aufgelöst und Geschäfte in eine sogenannte Bad Bank ausgelagert.
Bad Bank
Unter einer Interner Link: Bad Bank versteht man ein gesondertes Geldinstitut, das Geschäftsbestände einer in Schwierigkeiten geratenen Bank aufnimmt und für deren Abwicklung zuständig ist. Dabei kann es sich um Geschäftsbereiche oder Wertpapiere handeln, ob Kredite, Derivate oder Anleihen von Unternehmen oder Staaten. Bei einer Bankenkrise kann die Gründung solcher Bad Banks ein geeignetes Instrument sein, um die Insolvenz von Geschäftsbanken abzuwenden. Denn eine Bad Bank kann die in sie ausgelagerten Papiere über einen langen Zeitraum halten, in dem ihr Wert häufig wieder ansteigt. Von toxischen Wertpapieren sprechen manche Experten, wenn diese nur noch weniger als die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes erreichen. Für die Verpflichtungen von Bad Banks, die während der Finanzkrise unter anderen in Deutschland und den USA gegründet wurden, übernehmen Dritte die Haftung. Dies kann die öffentliche Hand, ein Einlagensicherungsfonds oder eine Bankengruppe sein.
Auch einige Sparkassen wurden während in Folge der Finanzkrise gestützt, etwa die Flensburger Sparkasse, die Nord-Ostsee-Sparkasse, die Sparkasse Südholstein oder die Spar- und Leihkasse zu Bredstedt. Hilfsmaßnahmen beim SoFFin konnten bis Ende 2015 beantragt werden. Seither werden die Beteiligungen verwaltet, die Stabilisierungsfunktion hat der Bankenabwicklungsmechanismus der EU übernommen. Seit 2018 ist der Fonds Teil der „Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH“, einem Finanzdienstleistungsunternehmen im Eigentum des Bundes.
„Too big to fail“
Wenn ein Unternehmen pleitegeht, dann wird es abgewickelt. Die Gläubiger erhalten meist nur einen kleinen Teil ihrer Ansprüche. Das gilt übrigens auch für kleine und mittelgroße Banken. In den Jahren 2000 bis 2012 gingen beispielsweise in Deutschland 15 Banken pleite und wurden ziemlich geräuschlos abgewickelt. Dazu zählten Adressen wie das Bankhaus Partin im baden-württembergischen Bad Mergentheim, die Weserbank in Bremerhaven oder die Gontard & MetallBank in Frankfurt. In den USA sind allein seit dem Ausbruch der Finanzkrise mehr als 450 Banken abgewickelt worden. Großbanken werden dagegen regelmäßig von Staaten gerettet wie jetzt wieder in der Finanzkrise. Aufgrund der impliziten Staatsgarantie haben die Bankriesen sogar einen gehörigen Wettbewerbsvorteil. Ihre Gläubiger können damit rechnen, dass sie im Fall einer Schieflage aufgefangen werden, eben „too big to fail“ (zu groß, um zu versagen) sind.
Das honorieren die Interner Link: Ratingagenturen mit einer besseren Bonitätsbewertung, was die Refinanzierungskosten der Bankriesen senkt, sie können billiger Mittel auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Die Bank of England schätzt den Wert dieses Vorteils für die systemrelevanten Häuser auf bis zu eine Billion US-Dollar jährlich. Aufgrund dieser indirekten Subvention machen diese Banken höhere Gewinne, was ihren Aktionärinnen und Aktionären höhere Dividenden und ihren Managern höhere Bonuszahlungen beschert. Die Vorteile der impliziten Staatsgarantien sind privatisiert, die Kosten werden bislang sozialisiert.
Anreiz zur Systemrelevanz
Wenn die pure Größe für eine Bank eine Art Bestandsgarantie darstellt und damit außerdem auch noch Wettbewerbsvorteile verbunden sind, darf es niemanden überraschen, dass viele Geldhäuser so lange wachsen und fusionieren wollen, bis sie endlich zum Klub der systemrelevanten, geschützten Institute zählen. Dass dies tatsächlich der Grund für viele Fusionen von Banken in den vergangenen Jahren war, haben Forscher der US-Zentralbank aufzeigen können. In der Krise sind einige Bankriesen noch mehr gewachsen. So übernahm beispielsweise die Bank of America die Investmentbank Merrill Lynch oder JPMorgan Chase schluckte Bear Stearns. Die Interner Link: großen Geldinstitute in Europa haben eine ähnliche Dimension wie ihre amerikanischen Konkurrenten. Allerdings sind die Volkswirtschaften deutlich kleiner, in denen die europäischen Großbanken beheimatet sind. Das Risikopotenzial der Bankriesen für unsere Gesellschaften ist dementsprechend hoch. Die Bilanzsumme der Deutschen Bank beträgt beispielsweise drei Viertel der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres. Die Bilanzsumme der UBS ist nach der Fusion mit der Credit Suisse mit 1,5 Billionen Franken sogar doppelt so groß wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Eine Pleite solcher Banken würde auch die großen europäischen Volkswirtschaften vor gewaltige Probleme stellen.
„Die Konsequenzen eines Bankrotts einer internationalen Großbank wären heute wahrscheinlich gravierender als im Jahr 2008 im Fall von Lehman Brothers; ihre Rettung könnte ein Land völlig ruinieren“, warnen die beiden renommierten Wissenschaftler Martin Hellwig und Anat Admati. „Die traumatische Erfahrung mit der Insolvenz von Lehman Brothers hat die meisten Regierungen zu dem Schluss gebracht, es dürfe auf keinen Fall noch einmal zur Insolvenz einer großen, global tätigen Bank kommen. Sollte jedoch irgendeine dieser sehr großen Banken in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, so könnte es sich erweisen, dass sie nicht nur zu groß ist, als dass man sie bankrottgehen lassen könnte, sondern auch zu groß, als dass man sie retten könnte.“
Wer zahlt die Rechnung?
Wer die vorangegangenen Finanzkrisen studiert hatte, der wusste, was passiert. Wie schon in vielen anderen Bankenkrisen finanzierten die Bürgerinnen und Bürger mir ihren Steuerzahlungen die staatlichen Rettungspläne zum Ausgleich schlechter Bankbilanzen. Die Gewinne hatten vorher andere eingestrichen. Und so sollte es auch diesmal sein. Allein von 2008 bis 2012 haben die europäischen Staaten laut der Europäischen Kommission in ihre Banken 5,1 Billionen Euro Steuergeld gepumpt. Einen relativ großen Anteil mussten die deutschen Steuerzahlenden für die heimischen Banken aufbringen. Laut IWF kostete die Rettung maroder Geldhäuser Deutschland zwischen 2008 und 2011 zwölf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts, also mehr als einen Jahreshaushalt des Bundes. Die USA kam dagegen mit fünf Prozent der Wirtschaftsleistung aus, was vor allem daran liegen dürfte, dass dort mehrere Hundert Banken abgewickelt wurden und entsprechend deren Gläubiger herangezogen wurden.
Bis Ende 2017 summierten sich die Kosten aller öffentlichen Haushalte laut Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Deutschland für die Stützung der Banken auf 59 Milliarden Euro. Am teuersten war die Hypo Real Estate mit 20,3 Milliarden Euro, gefolgt von der BayernLB mit 9,7 Milliarden Euro, der IKB mit neun Milliarden Euro, der WestLB mit sechs Milliarden Euro, der HSH Nordbank mit 4,8 Milliarden Euro, der Commerzbank mit 4,6 Milliarden Euro und der LBBW mit 3,2 Milliarden Euro. Darin enthalten sind ausgereichte Garantien, Kredite und Kapitalspritzen. Diese Summe ist aber nur vorläufig und sie könnte noch steigen (die Grünen selbst schätzen die Kosten der Bankenrettung für die Steuerzahler auf 68 Milliarden Euro). Pro Bürgerin und Bürger sind es bei 83 Millionen Einwohnern ca. 820 Euro. Eine vierköpfige Familie hat also mehr als 3.200 Euro für die Pleitebanken bezahlt. Außerdem haben die Menschen auch noch indirekte Kosten der Bankenkrise tragen müssen wie Entlassungen, Kosten für Konjunkturpakete und die Eurokrise, die Folgen der Nullzinsen, etwa Probleme bei der Altersvorsorge oder steigende Mieten.
Die Profiteure der Bankenrettungen sind natürlich nicht die Banken selbst, sondern diejenigen, die diesen für ihre Geschäfte Geld geliehen haben, seien es Fonds, Versicherungen oder auch Unternehmen beziehungsweise vielmehr die hinter ihnen stehenden Privatpersonen. Den Preis zahlt die Allgemeinheit. Aus der Rettung der Banken ergeben sich weitere indirekte Belastungen. Zum Beispiel mussten die Sparerinnen und Sparer in der Eurozone lange Zeit mit niedrigen Zinsen leben, mit denen die EZB klammen Banken helfen und die Wirtschaft der Krisenländer ankurbeln wollte. Trotz der zuletzt wieder steigenden Zinsen, gilt jedoch: Solange die Zinsen unterhalb der Inflationsrate liegen, schmilzt das Geldvermögen der Sparerinnen und Sparer auf den Konten.
Zum ganzen Bild der Verteilungswirkungen einer solchen Finanzkrise gehören auch weitere Folgen der Krisenpolitik. Während die Geldvermögen in großem Ausmaß geschützt wurden, kürzten viele Regierungen staatliche Ausgaben, ob für Bildung, Gesundheit, Infrastruktur oder Soziales, worunter alle Bürgerinnen und Bürger litten, besonders solche mit kleinen Einkommen.