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Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfer

Caspar Dohmen

/ 3 Minuten zu lesen

Das Geschäft von Ratingagenturen besteht darin, die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Staaten und Finanzinstrumenten zu bewerten. Ratingagenturen sind private und gewinnorientierte Unternehmen.

Die drei Ratingagenturen Standards & Poors, Moody's und Fitch vereinen einen Marktanteil von ca. 90 Prozent auf sich. (© picture-alliance/dpa, Justin Lane)

Ratingagenturen helfen mit ihrer Einschätzung der Kreditwürdigkeit (Bonität) Anlegern dabei, die Rückzahlungsrisiken für Zins und Tilgung besser einschätzen zu können. Die Idee einer solchen Agentur hatte der Finanzjournalist John Moody Anfang des 20. Jahrhunderts zur Zeit des großen Eisenbahnbaus in den USA. Für einen einzelnen Anleger war es damals extrem schwierig, einzuschätzen, wie die Eisenbahnbarone geschäftlich dastanden. Moody’s nahm die Gesellschaften unter die Lupe und entwickelte ein einfaches Bewertungsschema, wie es heute noch gilt. Jetzt konnten die Anleger auf einen Blick sehen, wie groß die Bonitätsrisiken eines Unternehmens oder eines Staates waren.

Bedeutendes Rating

Andere Agenturen entstanden wie Standard & Poor’s oder Fitch. Ihre Bewertungsschemata sind prinzipiell gleich. Die jeweiligen Bonitätsnoten besagen, wie viel Prozent der Schuldner dieser Klasse in der Vergangenheit ihre Verpflichtungen im Schnitt nicht erfüllt haben.

Wichtig ist vor allem die Trennlinie, die Fachleute zwischen soliden und spekulativen Anlagen ziehen. Anleihen von Emittenten mit einer Bonitätsnote von Baa3 sowie BBB – und besser, also bis AAA, zählen als Anlage mit guter Qualität, was als „Investment Grade“ (für Investitionen empfohlene Papiere) bezeichnet wird. Ab den Noten Ba1 und BB+ beginnt die Liga der ausfallgefährdeten Schuldner. Man spricht von Junk Bonds (Schrottanleihen). An dieser Unterscheidung orientieren sich in unseren Tagen auch oft staatliche Vorgaben: Zum Beispiel dürfen bestimmte Altersvorsorgegelder nur in Finanzprodukte investiert werden, die Investment Grade aufweisen.

Interessenkonflikt

Ursprünglich bezahlten die Anleger die Ratingagenturen. Heute erbringen die Agenturen die Bewertungen von Staaten ohne Auftrag und für Anlegende kostenlos. Private Unternehmen und Emittenten von Finanzprodukten erteilen in der Regel den Agenturen einen Auftrag zur Bonitätsbewertung und zahlen dafür ein Honorar. Sie verschaffen den Agenturen Zugang zu allen relevanten wirtschaftlichen Daten, auch den unveröffentlichten. Aus dem etablierten Zahlungsmodell kann sich ein Zielkonflikt ergeben, beispielsweise wenn die Agenturen geschönte Bewertungen abgeben, um einen lukrativen Auftraggeber zu halten – und dann Anlegerinnen und Anleger Schaden nehmen.

Ratingagenturen(Fehlende) Kontrolle?

Ab den 1930er-Jahren gewannen Ratingagenturen an Bedeutung – einen weiteren Schub gab es 1975. Damals entschied die US-Regierung, dass nur noch staatlich anerkannte Ratingagenturen vorgeschriebene externe Kontrollen bei Unternehmen durchführen dürften. Die dominierenden Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch haben heute einen großen Einfluss. Unsere Gesellschaft gewährt ihnen großen Spielraum und akzeptiert es, dass die Ratingagenturen sich beispielsweise auf die Pressefreiheit berufen können, womit sie keinerlei Haftung bei Fehleinschätzungen unterliegen.

Nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 gab es Überlegungen zur Gründung einer europäischen Ratingagentur, sie scheiterten jedoch bislang. Neben den drei marktbeherrschenden Ratingagenturen haben sich aber auch spezielle kleine Agenturen etabliert, auch solche, die die Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit bewerten. Beim Ökorating werden alle Bereiche der betrieblichen Wertschöpfungskette unter die Lupe genommen, von Beschaffung über Produktion, Absatz, Logistik, Controlling bis hin zur Finanzierung. Der Einfluss führender Ökoratingagenturen wie der schweizerischen Inrate, Sustainalytics aus den Niederlanden, dem US-Unternehmen Institutional Shareholder Services (ISS) mit dem deutschen Ableger Oekom Research oder der französisch-britischen Ratingagentur Vigeo Eiris mit dem deutschen Partner imug | rating ist verglichen mit Moody’s & Co jedoch verschwindend gering.

Wirtschaftsprüfer

Anfang 2002 gab es fünf große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, „Big Five“ genannt. Dann löste sich Arthur Andersen LLP auf, nachdem es fragwürdige Bilanzen des Skandalunternehmens Enron als korrekt attestiert hatte und damit seine Glaubwürdigkeit verloren hatte. Seitdem gibt es nur noch die „Big Four“: PricewaterhouseCoopers (PwC), Deloitte, KPMG und Ernst & Young. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beschäftigen mehr als eine Million Mitarbeitende weltweit und kommen auf einen Umsatz von rund 181 Milliarden Euro. Ihre Kundenlisten lesen sich wie das „Who is Who“ der Weltwirtschaft, denn sie beraten fast alle großen Unternehmen und Regierungen.

Die Bilanzprüfer sind privatwirtschaftlich organisiert, beschäftigen aber staatlich vereidigte Buchprüfer, die die Bilanzen von Unternehmen durchleuchten und deren Richtigkeit attestieren. Vereidigt bedeutet, dass die Beraterfirmen de facto staatliche Aufgaben erledigen. Denn es liegt im öffentlichen Interesse, dass bei den Unternehmen alle Zahlen stimmen, Steuern korrekt gezahlt werden und Klarheit über Einnahmen, Ausgaben und Gewinne besteht.

Kreative Bilanzgestaltung

Aber die Prüfenden sind in Verruf geraten, weil sie gleichzeitig auch ihre Kunden gewinnorientiert beraten und einen wesentlichen Anteil bei der kreativen Gestaltung von Bilanzen haben, um die Steuerzahlungen der Unternehmen zu drücken. Fachleute sprechen von den „Architekten der Steuergestaltung“, unter anderem mit Blick auf offengelegte Informationen im Rahmen der sogenannten Paradise Paper oder Panama Paper. Sie übernehmen folglich gleichzeitig als Wirtschaftsprüfer wichtige Aufgaben in einem Staat und agieren als Unternehmens- und Steuerberater für ihre Kunden – was zu enormen Interessenkonflikten führen kann. Zusätzlich werden sie als Politikberater herangezogen und können so Einfluss auf die Gestaltung von Gesetzen und die Besteuerung nehmen.

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Caspar Dohmen ist Wirtschaftsjournalist. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft und Politik arbeitete er als Redakteur für den Wiesbadener Kurier, das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung. Heute schreibt er als freier Wirtschaftsjournalist für die SZ, verfasst Hintergrundberichte für den Deutschlandfunk und die ARD-Sender und arbeitet als Buchautor und Dozent u.a. an den Universitäten Witten-Herdecke und Siegen.