Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Erfolgreicher Euro, aber eine Geldpolitik mit Schwächen | 20 Jahre Euro – eine Erfolgsgeschichte? | bpb.de

Debatte 20 Jahre Euro – eine Erfolgsgeschichte?

Standpunkt von Ulrike Neyer

Erfolgreicher Euro, aber eine Geldpolitik mit Schwächen

Urike Neyer

/ 9 Minuten zu lesen

Die Europäische Zentralbank hat über zwei Jahrzehnte für stabile Preise gesorgt und die Finanzmärkte in den Krisen entscheidend stabilisiert – damit auch die Wirtschaft im Euroraum insgesamt. Doch das Ausmaß der extrem expansiven Geldpolitik war zu groß und die Dauer zu lang, meint die Ökonomin Ulrike Neyer.

Auch wenn der Euro eine Erfolgsgeschichte ist, sollte die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank differenzierter betrachtet werden. (© picture-alliance, Daniel Kubirski)

20 Jahre Euro im Überblick

  • Anfangsjahre: Am 1. Januar 2002 wird der Euro als Bargeld in der Eurozone eingeführt. Viele sehen darin ein wichtiges Symbol der Einigung Europas. Am Anfang beteiligen sich zwölf Länder mit über 300 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern an der Gemeinschaftswährung – das sind Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Mit der Aufnahme Kroatiens im Januar 2023 werden es 20 Länder mit fast 350 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sein.

  • Vorteile einer gemeinsamen Währung: Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen müssen kein Geld beim Einkaufen im Ausland umtauschen. Es gibt kein Wechselkursrisiko, die ökonomische Integration in der Eurozone wird erleichtert. Zinsen und Inflation in der Eurozone sind lange gering. In den Anfangsjahren sorgt die gemeinsame Währung für stabile Preise und beständiges Wirtschaftswachstum in der Eurozone, auch die ökonomisch schwächeren Länder gewinnen an Wohlstand. Insbesondere Deutschland profitiert.

  • Krisenzeiten und Kontroversen: Die weltweite Finanzkrise ab 2007 trifft die Eurozone hart. Vor allem in den Ländern im Süden Europas bricht die Wirtschaftsleistung ein, die Arbeitslosigkeit steigt stark an. Erst das beherzte Eingreifen der Europäischen Zentralbank (EZB) hilft, den Bankrott von Staaten wie Griechenland, Spanien oder Italien zu vermeiden. EZB-Präsident Mario Draghi verspricht 2012, er werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen kaufen, um diese Länder vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.

  • Kritik an Rettungsmaßnahmen: Kritikerinnen und Kritiker der Eurozone betonen, dass die Krisenstaaten nicht genug auf Reformen setzten und die Unterschiede im Währungsgebiet zu hoch seien. Anstatt sich auf ihr wichtigstes Ziel, also stabile Preise, zu konzentrieren, rette die EZB hoch verschuldete Länder mit dem Ankauf von Staatsanleihen. Dagegen vertreten Stimmen in den Krisenstaaten die Auffassung, dass die Sparprogramme, die ihnen auferlegt werden, um Schulden abzubauen und Hilfen von EU, EZB oder IWF zu bekommen, starke wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden verursachten und die Krise letztlich verlängerten.

  • Neue Herausforderungen: Aktuell wird die Gemeinschaftswährung durch Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine erneut strapaziert: Weil die Inflation weit über die von der Zentralbank tolerierten zwei Prozent angestiegen ist, erhöhte die EZB 2022 die Leitzinsen zum ersten Mal seit elf Jahren. Außerdem stellte sie den Ankauf von Staatsanleihen ein. Dies kann möglicherweise die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone abbremsen – und wie bereits in der Eurokrise hoch verschuldete Länder in eine Schieflage bringen.

Der Euro ist eine Erfolgsgeschichte – mit Kroatien hat Anfang 2023 bereits das zwanzigste Land den Euro als Landeswährung eingeführt. Auch wenn die Inflationsrate im Euroraum Ende 2022 mit über zehn Prozent sehr hoch war und damit die Menschen in der Währungsunion vor erhebliche Probleme stellte, ist der Euro eine stabile Währung: Die Inflationsrate lag in den letzten 21 Jahren im Euroraum im Durchschnitt bei 1,9 Prozent.

Von einer derart stabilen, von vielen Menschen genutzten Währung profitiert gerade Deutschland als Handelsnation. Der Handel wird begünstigt, dadurch Arbeitsplätze und somit Wohlstand gesichert und geschaffen. Insgesamt erlaubt der Euro einen einfachen Preisvergleich von Gütern und Dienstleistungen, die in den verschiedenen Ländern des Währungsgebiets angeboten werden. Das führt zu mehr Wettbewerb – und damit zu günstigeren Preisen und einer stärkeren Angebotsvielfalt.

Nach anfänglicher Skepsis hat der Euro inzwischen auch die Menschen in Deutschland überzeugt. Umfragen der Europäischen Kommission (Eurobarometer) ergaben, dass im Frühjahr 1997 in Deutschland nur 32 Prozent der Befragten einer einheitlichen Währung zustimmten. Im Sommer 2022 lag dieser Wert bei 83 Prozent.

Allerdings ist das Vertrauen in die Europäische Zentralbank (EZB) weit weniger stark ausgeprägt. Hier ergab das Eurobarometer vom vergangenen Sommer, dass im Eurowährungsgebiet lediglich 44 Prozent der Befragten der EZB vertrauen. Für Deutschland lag dieser Wert bei 43 Prozent.

Die EZB als Hüterin stabiler Preise


Das vorrangige Ziel der EZB ist, Preisstabilität zu gewährleisten (Artikel 127 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV). Der EZB-Rat, also das Gremium, das die geldpolitischen Entscheidungen trifft, hat dieses Ziel dahingehend operationalisiert, dass er mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent anstrebt.

Die obige Abbildung zeigt, dass bis zur Mitte des Jahres 2021 das Preisniveau im Euroraum grundsätzlich stabil war. Auffällig sind die signifikanten Ausschläge im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 und der Mitte 2013 einsetzende Abwärtstrend, der Anfang 2015 sogar zu einer negativen Inflationsrate führte. Doch nicht nur die damals sehr niedrige Inflationsrate, auch ein relativ niedriges Wirtschaftswachstum, eine hohe Arbeitslosenquote und eine nur schleppende Kreditvergabe der Banken, also das gesamte makroökonomische Umfeld im Euroraum, verlangten nach einer expansiven Geldpolitik. Diese besteht "normalerweise" darin, dass die EZB ihren (kurzfristigen) Leitzins senkt.

Der Leitzins der EZB bestimmt die Liquiditätskosten der Geschäftsbanken. Ein sinkender Zins und damit sinkende Kosten für die Geschäftsbanken sollen die Kreditvergabe der Banken und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ankurbeln. Es soll also mehr konsumiert und investiert werden, damit Preise und die Produktion wieder ansteigen. In den Jahren 2014/2015 hatte der Leitzins der EZB allerdings nahezu seine Zinsuntergrenze erreicht. Weitere Senkungen waren nicht mehr möglich.

Deshalb beschloss die EZB, im großen Umfang Wertpapiere, vor allem Staatsanleihen, anzukaufen (engl. Asset Purchase Programme, APP). Diese geldpolitische Maßnahme wird als Quantitative Easing (QE) bezeichnet. Das Ziel von QE besteht darin, das langfristige Zinsniveau in einer Volkswirtschaft direkt zu senken, um somit Konsum und Investitionen, also die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln und in der Folge Preise und gesamtwirtschaftliche Produktion zu erhöhen. Dieses Ziel hat die EZB erreicht: So wird davon ausgegangen, dass das reale Bruttoinlandsprodukt im Euroraum aufgrund von QE von 2015 bis 2019 kumulativ, also insgesamt über diesen Zeitraum, zwischen 2,5 und 3 Prozentpunkten und die Inflationsrate kumulativ zwischen 1,7 und 2 Prozentpunkten höher ausgefallen sind.

Aber mit QE sind auch unerwünschte Nebenwirkungen verbunden: Ein möglicher Glaubwürdigkeitsverlust der EZB, wenn sie nicht hinreichend überzeugend signalisieren kann, dass die Maßnahme wirklich aus geldpolitischen Gründen erfolgt – also um das Preisniveau zu erhöhen und nicht, um Staatshaushalte zu entlasten. Ein nachlassender Druck auf Regierungen, dringend notwendige strukturelle Reformen durchzuführen, da die Disziplinierung der Finanzmärkte in Form höherer Zinsen abgeschwächt wird. Und nicht zuletzt eine mögliche Fehlinvestition von Kapital und damit verbundene Risiken. Im Extremfall kann es zu einer Blasenbildung an den Vermögensmärkten wie dem Aktien- oder dem Immobilienmarkt kommen. Diese unerwünschten Nebenwirkungen sind umso gravierender, je länger die Dauer und je höher das Ausmaß dieser geldpolitischen Maßnahme sind. So war der Einsatz von QE durch die EZB zwar richtig, aber die Dauer des Einsatzes war zu lang und das Ausmaß zu groß.

Die EZB als Lender of Last Resort


Sowohl in der Finanzkrise (2008/2009) als auch in der Staatsschuldenkrise (2010 bis 2012) und in der Corona-Pandemie (2020) hat die EZB einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte und damit der Wirtschaft im Euroraum geleistet: Sie hat in den Krisen als Kreditgeber der letzten Instanz (engl. Lender of Last Resort, LoLR) für Banken, Staaten und auf Märkten agiert. Ein LoLR soll verhindern, dass ein Schock eine Systemkrise auslösen kann, also einen Zusammenbruch des gesamten Bankensektors einer Volkswirtschaft, ein ungeordnetes Auseinanderbrechen der Währungsunion oder eine massive Einschränkung der Funktionsfähigkeit von Finanzmärkten.

Diese Feuerwehrfunktion hat die EZB in allen drei Krisen übernommen. In der Finanzkrise hat sie als LoLR für Banken agiert, indem sie den Geschäftsbanken massiv Liquidität zur Verfügung stellte. In der Staatsschuldenkrise gab es zunächst das Instrument des Securities Markets Programme (SMP). Unter diesem Programm hat die EZB Staatsanleihen von Mitgliedsländern der Währungsunion gekauft, die in finanziellen Schwierigkeiten waren. Diese Schwierigkeiten wurden von der EZB aufgrund von möglichen Ansteckungseffekten als systemgefährdend für die Währungsunion eingeschätzt. An dem Instrument wurde eine fehlende demokratische Legitimation kritisiert. Zudem, dass diese Staatsanleiheankäufe ohne Auflagen, also bedingungslos erfolgten.

Das Programm wurde deshalb 2012 von den Outright Monetary Transactions (OMT) abgelöst. Dieses Programm erlaubt es der EZB, Staatsanleihen von Ländern in finanziellen Schwierigkeiten zu kaufen, wenn dieses Land unter dem europäischen Rettungsschirm steht, also Mittel aus dem Interner Link: Europäischen Stabilitätsmechanismus (engl. European Stability Mechanism, ESM) bekommt. Damit werden die oben genannten Kritikpunkte am SMP zumindest abgeschwächt: Wenn ein Land Mittel aus dem ESM bekommt, müssen hierzu die nationalen Parlamente aller Mitgliedsländer der Währungsunion zugestimmt haben. Weiterhin ist der Mittelerhalt aus dem ESM nicht bedingungslos, sondern an Auflagen geknüpft. Bislang hat die EZB unter diesem Programm noch keine Anleihe gekauft. Seine pure Existenz wirkte bereits stabilisierend
.

Corona-Pandemie stresste die Märkte


Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat auf den Finanzmärkten erhebliche Turbulenzen ausgelöst. Die Märkte waren hochgradig gestresst, ihre Funktionsfähigkeit massiv eingeschränkt.

Hierauf hat die EZB mit dem Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) reagiert. Dieses Instrument hatte eine doppelte Funktion. Erstens sollte es bewirken, dass die langfristigen Zinsen auf dem niedrigen Niveau blieben, um weiterhin günstige Finanzierungsbedingungen in der Volkswirtschaft aufrechtzuerhalten. Zweitens sollte es die Funktionsfähigkeit der Märkte wiederherstellen und im Zeitablauf aufrechterhalten.

In allen drei Krisen hat die EZB mithin als LoLR agiert – für Banken, Staaten und auf Märkten. Dieses war richtig, denn es bestand jeweils die Gefahr einer Systemkrise. Die EZB ist die einzige Institution im Euroraum, die die Aufgabe eines LoLR glaubwürdig wahrnehmen und so die Gefahr einer Systemkrise bannen kann. Die Wahrnehmung der LoLR-Funktion ist allerdings mit Kosten verbunden, beispielsweise wenn Banken unterstützt werden. Die Gefahr des Auftretens einer Systemkrise und damit die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB tatsächlich als LoLR agieren muss, kann reduziert werden, indem Liquiditäts- und Kapitalanforderungen an die Geldinstitute gestellt werden und die Staaten angehalten sind, Fiskalregeln einzuhalten. Auch bei der Wahrnehmung der LoLR-Funktion steigen die Kosten je größer das Ausmaß des entsprechenden Instrumenteneinsatzes ist. Vor diesem Hintergrund ist das Ausmaß des PEPP zu hoch gewesen.

Sehr kritisch zu bewerten ist das Engagement der EZB in bestimmten Politikbereichen, wie zum Beispiel beim Klimaschutz. Dieser ist zweifelsohne eine der vorrangigsten Aufgaben der Politik – aber nicht der EZB. Sie ist eine unabhängige Institution, das heißt sie unterliegt nicht der demokratischen Kontrolle. Welche Instrumente und in welchem Umfang diese zum Klimaschutz eingesetzt werden, muss von demokratisch gewählten Politikern entschieden werden, nicht von nur 21 stimmberechtigten Mitgliedern des EZB-Rats.

Die hohe Inflation – eine große Herausforderung für die EZB


Die derzeit größte Herausforderung für die EZB ist die sehr hohe Inflation. Die Hauptursache für diese starke Geldentwertung sind die stark gestiegenen Energiepreise seit März 2022 als Folge der Verknappung des Energieangebots, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Allerdings waren die Preise schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 gestiegen, da die gesamtwirtschaftliche Nachfrage kräftig anzog, bedingt durch die Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und die weltweit einsetzende wirtschaftlichen Erholung „nach“ der Pandemie. Weitere Inflationstreiber sind die in der Corona-Pandemie aufgetretenen und teilweise immer noch bestehenden Lieferkettenprobleme, die angebotsseitig erhebliche Probleme verursacht haben. Ebenso hat die Wirtschaftspolitik in den USA, wenn auch nur zu einem geringen Teil, zur Inflation im Euroraum beigetragen. Die Mittel aus der extrem expansiven US-Fiskalpolitik wurden auch im Euroraum nachfragewirksam, und die diesjährigen Zinserhöhungen der US-amerikanischen Zentralbank trugen zur Abwertung des Euro bei, was die zu importierenden Güter verteuert hat.

Schließlich hat die expansive Geldpolitik der EZB im Zuge der Corona-Pandemie die nachfragewirksame Geldmenge im Euroraum erhöht. Dies schuf die Liquidität, um die sehr hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise bezahlen zu können, ohne dass diese Mittel an anderer Stelle gefehlt haben. Ohne diese expansive Geldpolitik wäre die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Jahr 2022 demnach geringer ausgefallen, was dämpfend auf die Inflationsrate und auf die gesamtwirtschaftliche Produktion gewirkt hätte.

Die EZB hat auf die hohen Inflationsraten reagiert, indem sie im März beziehungsweise im Juni 2022 die Nettoankäufe von Wertpapieren in den entsprechenden Ankaufprogrammen (PEPP und APP) eingestellt hat. Sie reinvestiert jedoch die Tilgungszahlungen fällig werdender Anleihen. Auch hat sie im Juli 2022 damit begonnen, ihren Leitzins zu erhöhen.

Fazit: Preisstabilität gewährleistet, geldpolitische Wende zu spät


Die EZB hat angekündigt, ihren eingeschlagenen geldpolitischen Kurs beizubehalten und die Rücknahme ihrer expansiven Geldpolitik fortzuführen. Dieser Schritt kam zu spät, ist aber richtig. Der Leitzins ist noch relativ niedrig, wirkt immer noch nachfragestimulierend. Auch muss die Zentralbank signalisieren, dass die Bekämpfung der hohen Inflation ganz oben auf ihrer Agenda steht, um die Inflationserwartungen zu stabilisieren, und zu verhindern, dass die Preissteigerungen außer Kontrolle geraten.

Über die genauen Zinsschritte will sie von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Auch das ist richtig, denn damit kann sie neue Informationen und neue Entwicklungen jeweils in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Dieses ist gerade unter dem Aspekt der hohen Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung wichtig. Ein weiterer Rückgang der Probleme auf der Angebotsseite und die erwartete Abkühlung der Wirtschaft im Euroraum werden entlastend auf die Inflationsrate wirken.

Auch wenn der Euro eine Erfolgsgeschichte ist, muss die Geldpolitik der EZB differenzierter betrachtet werden.

Positiv zu bewerten ist, dass die Europäische Zentralbank ihr Mandat, also das ihr vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel, die Preisstabilität zu gewährleisten, über 20 Jahre grundsätzlich erfüllt hat. Ferner hat sie in allen Krisen (Finanzkrise, Staatsschuldenkrise, Corona-Pandemie) einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte und damit der Wirtschaft insgesamt im Euroraum geleistet.

Negativ zu beurteilen ist jedoch, dass Dauer und Ausmaß ihrer expansiven Geldpolitik in den vergangenen Jahren zu lang beziehungsweise zu groß waren. Außerdem bewegt sich die EZB in Politikbereichen, die nicht in ihrem Aufgabenfeld liegen. Die aktuell hohe Inflation wird die EZB auch in 2023 vor große Herausforderungen stellen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Inflationsrate, auf die in diesem Artikel Bezug genommen wird, zeigt, wie stark die Verbraucherpreise im Durchschnitt innerhalb eines Jahres gestiegen sind. Es wird die Veränderung des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat betrachtet.

  2. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion bilden das Eurosystem. Es ist das Eurosystem, das die gemeinsame Geldpolitik der Euroländer durchführt. In der Regel spricht man jedoch - nicht ganz korrekt - von der Geldpolitik der EZB. Die Begriffe Eurosystem und EZB werden also häufig synonym verwendet. Dieses wird auch in diesem Beitrag gemacht.

  3. Bis 2003 lag die vom EZB-Rat festlegte Inflationsrate bei "unter zwei Prozent". In dem Jahr wurde das Ziel dann auf "unter, aber nahe zwei Prozent" konkretisiert. Im Jahr 2021 legte der EZB-Rat im Zuge ihrer Strategieüberprüfung die Zielinflationsrate auf zwei Prozent in der mittleren Frist fest.

  4. Vgl. Lagarde, Christine: The Monetary Policy Strategy Review: Some Preliminary Considerations. Rede auf der "ECB and its Watchers XXI Conference" am 30. September 2020 in Frankfurt/Main. Online unter: Externer Link: https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2020/html/ecb.sp200930~169abb1202.en.html (Stand: 10.02.2023)

  5. Der Composite Indicator of Systemic Stress (CISS) aggregiert Stresssymptome über Geld-, Anleihe- Aktien- und Devisenmärkte. Er zeigt damit an, wie stark Finanzmärkte gestresst, das heißt in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt sind. Der Indikator kann Werte zwischen null und eins annehmen. Bei einem Indikator von 0 ist die volle Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte gegeben, bei einem Indikator von 1 sind die Märkte hochgradig gestresst. In der Corona-Pandemie ab Februar/März 2020 stieg dieser Indikator innerhalb weniger Tage von 0 auf 0,7.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Urike Neyer für bpb.de

Sie dürfen den Text unter Nennung der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 und des/der Autors/-in teilen.
Urheberrechtliche Angaben zu Bildern / Grafiken / Videos finden sich direkt bei den Abbildungen.
Sie wollen einen Inhalt von bpb.de nutzen?

Weitere Meinungen zur Debatte

Standpunkt von Werner Plumpe

Die EZB ist endgültig zum politischen Akteur geworden

verfasst von Urike Neyer

Die Wiederkehr der Inflation zeigt das Dilemma des Euro, meint der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe. Die Probleme der Gemeinschaftswährung seien gravierend, ihr Fortbestehen fraglich.

Gesamten Artikel lesen
Standpunkt von Friedrich Heinemann

Eine durchwachsene Bilanz

verfasst von Urike Neyer

Die Partys zum 20-jährigen Bestehen des Euro sind ausgeblieben. Kein Wunder, findet der Mannheimer Ökonom Friedrich Heinemann. Die Gemeinschaftswährung hat nicht nur als Reformmotor gewirkt.

Gesamten Artikel lesen
Standpunkt von Alexander Kriwoluzky

Versprechen erfüllt, aber mit Konstruktionsfehlern

verfasst von Urike Neyer

Die Gemeinschaftswährung ist eine Erfolgsgeschichte, vor allem für Deutschland. Allerdings fehlt dem Euro eine gemeinsame finanzpolitische Grundlage, meint der Berliner Ökonom Alexander Kriwoluzky.

Gesamten Artikel lesen

Prof. Dr. Ulrike Neyer ist Professorin für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Monetäre Ökonomik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). Nach einer Bankausbildung hat sie Volkswirtschaftslehre an den Universitäten in Hamburg und in Swansea (Großbritannien) studiert. Seit 2007 ist sie an der HHU.