20 Jahre Euro im Überblick
Anfangsjahre: Am 1. Januar 2002 wird der Euro als Bargeld in der Eurozone eingeführt. Viele sehen darin ein wichtiges Symbol der Einigung Europas. Am Anfang beteiligen sich zwölf Länder mit über 300 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern an der Gemeinschaftswährung – das sind Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Mit der Aufnahme Kroatiens im Januar 2023 werden es 20 Länder mit fast 350 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sein.
Vorteile einer gemeinsamen Währung: Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen müssen kein Geld beim Einkaufen im Ausland umtauschen. Es gibt kein Wechselkursrisiko, die ökonomische Integration in der Eurozone wird erleichtert. Zinsen und Inflation in der Eurozone sind lange gering. In den Anfangsjahren sorgt die gemeinsame Währung für stabile Preise und beständiges Wirtschaftswachstum in der Eurozone, auch die ökonomisch schwächeren Länder gewinnen an Wohlstand. Insbesondere Deutschland profitiert.
Krisenzeiten und Kontroversen: Die weltweite Finanzkrise ab 2007 trifft die Eurozone hart. Vor allem in den Ländern im Süden Europas bricht die Wirtschaftsleistung ein, die Arbeitslosigkeit steigt stark an. Erst das beherzte Eingreifen der Europäischen Zentralbank (EZB) hilft, den Bankrott von Staaten wie Griechenland, Spanien oder Italien zu vermeiden. EZB-Präsident Mario Draghi verspricht 2012, er werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen kaufen, um diese Länder vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren.
Kritik an Rettungsmaßnahmen: Kritikerinnen und Kritiker der Eurozone betonen, dass die Krisenstaaten nicht genug auf Reformen setzten und die Unterschiede im Währungsgebiet zu hoch seien. Anstatt sich auf ihr wichtigstes Ziel, also stabile Preise, zu konzentrieren, rette die EZB hoch verschuldete Länder mit dem Ankauf von Staatsanleihen. Dagegen vertreten Stimmen in den Krisenstaaten die Auffassung, dass die Sparprogramme, die ihnen auferlegt werden, um Schulden abzubauen und Hilfen von EU, EZB oder IWF zu bekommen, starke wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden verursachten und die Krise letztlich verlängerten.
Neue Herausforderungen: Aktuell wird die Gemeinschaftswährung durch Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine erneut strapaziert: Weil die Inflation weit über die von der Zentralbank tolerierten zwei Prozent angestiegen ist, erhöhte die EZB 2022 die Leitzinsen zum ersten Mal seit elf Jahren. Außerdem stellte sie den Ankauf von Staatsanleihen ein. Dies kann möglicherweise die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone abbremsen – und wie bereits in der Eurokrise hoch verschuldete Länder in eine Schieflage bringen.
Wo waren sie eigentlich, die rauschenden Partys zu 20 Jahren Euro-Bargeld? Als Europas Währung in den ersten Januartagen des Jahres 2002 erstmalig mit Händen zu greifen war, war die Euphorie noch groß. Plötzlich bezahlten Menschen von Finnland bis Italien, von Österreich bis Portugal mit den gleichen Münzen und Geldscheinen. Damit hatte ein bedeutsames Symbol europäischer Einigung die Geldbörsen und den Alltag erreicht. Warum also feierte Europa den zwanzigsten Geburtstag nicht?
Abgesehen davon, dass Konfliktzeiten wenig Lust auf Freudenfeste zulassen, dürften auch enttäuschte Hoffnungen die fehlende Euro-Feierlaune erklären. In der ökonomischen Fachliteratur war schon im Vorfeld der Euro-Einführung oft mit Skepsis diskutiert worden, ob die Europäische Union tatsächlich reif für eine gemeinsame Währung sei. Robert Mundell, Ökonomie-Nobelpreisträger des Jahres 1999, hatte dafür den Begriff des "optimalen Währungsraums" geprägt. Seiner Empfehlung nach sollten nur solche Länder eine Gemeinschaftswährung einführen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zu diesen zählten unter anderem eine hohe Anpassungsfähigkeit durch flexible Arbeitsmärkte und reformfreudige Regierungen.
Viele Forschungsbeiträge in den 1990ern kamen zu dem Schluss, dass eine Währungsunion, die Nord- und Südeuropa umfasst, ökonomisch riskant ist. Allerdings gab es in dieser kontroversen Debatte immer ein wichtiges Argument, das für eine von Anfang an große Währungsunion ins Feld geführt wurde: Der Euro könne wie ein Reformmotor wirken. Länder, die bislang im Reformstau verharrt hätten, würden durch das Euro-Korsett gezwungen, sich zu reformieren und zu modernisieren.
Im Rückblick ist zu konstatieren, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllt hat. Als die Finanzkrise 2008/09 die globale Weltwirtschaft erschütterte, kam die Stunde der Wahrheit für den Euro-Währungsraum. Jetzt wurde augenfällig, dass besonders die Euro-Mitgliedstaaten Südeuropas die ersten zehn Jahre der Euro-Ära keineswegs für umfassende Reformen genutzt hatten. Stattdessen hatten sie an Exportfähigkeit eingebüßt, wichtige Reformdefizite nicht beseitigt und waren noch dazu in eine gefährlich hohe Staatsverschuldung geraten.