Der Euro schafft größeren Wohlstand für alle beteiligten Länder
Marcel Fratzscher
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Alle sieben Euro-Beitrittskandidaten sollten die Gemeinschaftswährung in den nächsten zehn bis 15 Jahren einführen, findet der Berliner Ökonom Marcel Fratzscher. Gerade Deutschland würde davon profitieren.
Der Euro für alle: Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nahm in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union im September 2017 zwar nur wenig Raum ein, löste aber viel Kritik und Unverständnis aus. Denn viele geben Europa und dem Euro die Schuld an der europäischen Krise.
Dabei war die „State-of-the-Union“-Rede von Juncker zukunftsweisend. Der Präsident der EU-Kommission zeigte nicht nur eine Vision auf, er legte auch den Finger in die Wunde der fehlenden Reformen und des erstarkenden Nationalismus in Europa.
Juncker forderte zu Recht die Einführung des Euro in allen Ländern der EU ein. Alle 28 Länder der Union, außer Dänemark und dem – zumindest aktuell noch zur EU gehörenden – Vereinigten Königreich, haben sich vertraglich dazu verpflichtet. Sieben Länder gehören derzeit zu den Euro-Kandidaten: Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Kroatien sowie als einziges westeuropäisches Land Schweden.
Eine Externer Link: Studie des DIW Berlin zeigt, dass sich auf Seiten der Beitrittskandidaten einiges getan hat in den vergangenen Jahren, zumindest wenn man die formalen Kriterien zugrunde legt. Bei den langfristigen Zinsen und den Defiziten der öffentlichen Haushalte liegen alle Länder unterhalb des Referenzwertes. Bei den Staatsschulden wird der Grenzwert von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts lediglich von Ungarn und Kroatien (allerdings von letzterem mit 90 Prozent sehr deutlich) überschritten.
Fünf Konvergenzkriterien für sieben Euro-Kandidaten
Fünf Konvergenzkriterien für sieben Euro-Kandidaten
Fünf Konvergenzkriterien für sieben Euro-Kandidaten: Finanzierungssaldo des Staates (2010-2016) (Grafik zum Download)
(bpb)
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Fünf Konvergenzkriterien für sieben Euro-Kandidaten:
Wechselkurs gegenüber dem Euro (2010-2017) (Grafik zum Download)
Immer weniger Kandidaten verfehlen die Euro-Kriterien
Einzig die Preisstabilität ist bei den meisten Ländern kritisch. Die Inflationsrate im Beitrittsland darf nach den Maastricht-Kriterien nicht um mehr als 1,5 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei EU-Länder mit der niedrigsten Inflationsrate liegen. Da sich die aktuellen drei Referenzländer Spanien, Slowenien und Bulgarien (selbst ein Beitrittskandidat) in einer Phase der Deflation befinden und weit unter dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent bewegen, reißen aktuell alle Euro-Beitrittskandidaten diese Marke.
Die Verfehlung ist aber eher ein Problem der Referenzländer als der Beitrittskandidaten. Künftig dürfte sich die Inflation in den aktuellen Referenzländern wieder normalisieren, womit die Wahrscheinlichkeit, dass die Beitrittskandidaten dieses Kriterium verfehlen, sinken dürfte.
Wirtschaftspolitisch ist es weder sinnvoll noch möglich, den Euro sofort in allen EU-Ländern einzuführen. Schon allein aus formalen Gründen: Die Länder müssen erst einmal die Mitgliedschaft im sogenannten Wechselkursmechanismus II beantragen. Für zwei Jahre vor dem Beitritt muss ein Kandidat dem Mechanismus angehört und damit seinen Wechselkurs zum Euro innerhalb bestimmter Bandbreiten gehalten haben.
Wirtschaftlich ist es jedoch für alle EU-Länder richtig und sinnvoll, dem Euro über die nächsten zehn bis 15 Jahre beizutreten. Eine gemeinsame Währung hilft, günstige Finanzmarktbedingungen zu schaffen, so dass die in vielen Ländern notwendigen Investitionen überhaupt erst getätigt werden können. Nicht zuletzt dient der Euro der Vertiefung des gemeinsamen Wirtschaftens auf einer (preis-)stabilen Grundlage und schafft dadurch einen größeren Wohlstand für alle beteiligten Länder.
Allerdings gibt es derzeit von Seiten der Euro-Kandidaten wenige Bestrebungen, den Euro einzuführen. Gerade die wirtschaftlich stabilen Länder wie Schweden, Polen, Ungarn und Tschechien haben das Projekt Euro-Einführung auf Eis gelegt – vor allem aus politischen und weniger aus ökonomischen Gründen.
Anstatt den Euro als Sündenbock für eigene nationale Fehler zu missbrauchen, sollte die Politik die wirtschaftlichen Vorteile des Euro hervorheben. Der Euro war und ist eine starke und stabile Währung, die vielen Ländern während der Finanzkrise Sicherheit geboten hat. So sind die baltischen Länder genau zu dieser Zeit dem Euro beigetreten, um unter dem Schirm der gemeinsamen Währung Schutz gegen die Risiken globaler Finanz- und Währungsmärkte zu finden.
Gerade Deutschland profitiert von einer starken Eurozone
Auch wenn es mancher in Deutschland nicht einsehen will: Deutschland ist – nicht mehr, aber auch nicht weniger als alle anderen Mitgliedsländer – ein Gewinner des Euro. Der Euro hat den Handel und die Investitionen in Europa gestärkt. Davon hat vor allem die offene, sehr von Exporten abhängige deutsche Volkswirtschaft profitiert, durch mehr Jobs, bessere Einkommen, höhere Produktivität und mehr Wettbewerbsfähigkeit. Tatsache ist: Ohne den Euro stünde Deutschland heute wirtschaftlich bei weitem nicht so gut da.
Juncker erteilte mit seiner Rede zu Recht auch deutschen Politikerinnen und Politikern und Parteien eine klare Absage, die mit populistischen Aussagen einen Austritt einzelner Länder aus der gemeinsamen Währung fordern. Die Behauptung, einzelne Staaten könnten temporär aus dem Euro austreten oder eine parallele Währung einführen, ist wirtschaftspolitisch falsch und meist populistischer Unsinn. Ein solcher Mechanismus kann nie funktionieren und würde lediglich großen Schaden für alle verursachen - auch für die Währung selbst.
Junckers Rede war deshalb ein wichtiger Weckruf an die nationalen Regierungen und auch an eine zukünftige Bundesregierung, die sich dringend den Reformen Europas verschreiben muss. Deutschland hat durch seine Größe und Stabilität eine besondere Verantwortung für Europa. Und ein starkes, florierendes Europa ist vor allem auch zum Vorteil Deutschlands. Schade, dass diese Botschaft am stärksten vom EU-Kommissionspräsidenten transportiert wird. Aber immerhin ist nicht nur der französische Staatspräsident Emmanuel Macron für eine Ausweitung der Eurozone – auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat noch in der Berliner Runde im Anschluss an die Bundestagswahl am 24. September 2017 betont, dass jedes Land, welches formal die Kriterien erfüllt, aufgenommen werden sollte. Die Hoffnung und Erwartung ist, dass die nächste Bundesregierung mehr Verantwortung für Europa übernimmt und den Euro durch Reformen stärkt.
Prof. Marcel Fratzscher, Ph. D. leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und ist Professor für Makroökonomie und Finanzen an der Humboldt-Universität Berlin und Vorsitzender der Expertenkommission zur "Stärkung von Investitionen in Deutschland" der Bundesregierung. Von 2001 bis 2012 war Fratzscher für die Europäische Zentralbank tätig, zuletzt als Leiter der Abteilung International Policy Analysis.
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