Wie fast immer in der Ökonomie können Fragen nicht einfach mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden. Vielmehr hängt vieles von vielen Faktoren ab, zum Beispiel davon, wie rigide die Klimaziele sind und welche Maßnahmen genau ergriffen werden. Nehmen wir an, der Ausstoß von Triebhausgasemissionen sollte in einem Land in fünf Jahren um 50 Prozent gesenkt werden. Dann würde wohl kaum jemand leugnen, dass so ambitionierte Ziele nur mit ganz erheblichen Einschränkungen bei Produktion und Konsum möglich wären und die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen wahrscheinlich leiden würde.
Aus Sicht vieler Ökonomen dürfte die Ausgangsfrage auch deshalb schwierig zu beantworten sein, weil Volkswirtschaften als Gesamtes nicht miteinander konkurrieren. Diese Bilder werden von den Medien oft benutzt, sind aber eigentlich irreführend. Im Wettbewerb zueinander stehen Unternehmen und auch Individuen. Einzelne Standorte konkurrieren ebenso miteinander, wenn sie zum Beispiel um die Ansiedlung von Firmen werben. Bei der Ansiedlung oder der Erweiterung von Produktionsstandorten vergleichen Unternehmen zahlreiche Standortfaktoren nach Kosten und Nutzen. Für arbeitsintensive Branchen wie die Textilindustrie spielen Arbeitskosten eine große Rolle. Daher haben sich viele arbeitsintensive Industriezweige von Deutschland aus in Länder verlagert, in denen die Löhne deutlich niedriger sind als bei uns.
"Aus klimapolitischer Sicht ist zu befürchten, dass durch Produktionsverlagerungen das Problem des Carbon Leakage auftaucht"
Viele energieintensive Unternehmen verlagern seit einiger Zeit ihre Produktionsstätten Zug um Zug an Standorte mit geringeren Energiekosten. Das sieht man daran, dass das sogenannte Nettoanlagevermögen – also in etwa der wertmäßige Bestand der Produktionsanlagen – in energieintensiven Branchen in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit 2000 um etwa zehn Prozent gefallen ist, während der Wert für nicht-energieintensive Branchen um etwa fünf Prozent zugenommen hat. Aus klimapolitischer Sicht ist zu befürchten, dass hier das Problem des sogenannten Carbon Leakage auftaucht: Die Unternehmen verlagern nur ihre Standorte und damit auch ihre Treibhausgasemissionen, ohne dass global weniger Treibhausgase ausgestoßen werden.
Wie sehr Klimaziele die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beeinflussen, hängt zudem von mindestens zwei weiteren Faktoren ab: Da ist zum einen die Frage, welche Klimaschutzmaßnahmen andere
Außenhandelssaldo im Vergleich - Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP)
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Staaten ergreifen. Verteuern zum Beispiel viele Staaten – etwa innerhalb der EU – die Energienutzung in ähnlicher Weise, dann ändern sich auch die Energiekosten relativ zueinander nicht wesentlich: Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wäre kaum berührt. Setzt aber ein Staat allein auf hohe Energiepreise, so ist zu befürchten, dass es nach und nach zu dem genannten Carbon Leakage-Problem kommt.
Zum anderen ist wichtig, wie teuer der Klimaschutz ausgestaltet wird. Viele Ökonomen favorisieren Modelle handelbarer Emissionsrechte wie das Emissionshandelssystem der EU. Die Idee ist folgende: Für die gesamte EU wird eine Obergrenze für die Gesamtmenge an CO2 festgelegt, die von allen Unternehmen der Stahlproduktion, Stromerzeugung, Zementherstellung und einer Reihe anderer Branchen zusammen ausgestoßen werden darf. Diese Obergrenze wird nun jährlich gesenkt. So werden Unternehmen gezwungen, entweder weniger oder aber klimaschonender zu produzieren.
Stellen wir uns nun vor, ein Kraftwerk A könnte 1000 Tonnen CO2 reduzieren, was aber mit Kosten von 15.000 Euro verbunden wäre, und eine Reduktion von 2000 Tonnen CO2 würde 35.000 Euro kosten. Kraftwerk B hätte Kosten von 25.000 Euro für eine CO2-Reduktion von 1000 Tonnen und 60.000 Euro für 2000 Tonnen CO2-Reduktion. Man kann nun sofort sehen, dass es günstiger ist, wenn Kraftwerk A gleich 2000 Tonnen einspart als wenn Kraftwerk A und B je 1000 Tonnen einsparten. Hier genau setzt die Idee vom Emissionshandel an. Wenn insgesamt 2000 Tonnen CO2 reduziert werden sollen und jedes Kraftwerk dementsprechend für je 1000 Tonnen weniger Zertifikate - sie berechtigen zum Ausstoß einer bestimmten Menge Emissionen - bekommt, dann lohnt es sich für Kraftwerk A trotzdem 2000 (statt den geforderten 1000) Tonnen zu reduzieren und die nicht genutzten Emissionsrechte – zum Beispiel für 22.500 Euro – an Kraftwerk B zu verkaufen, das dann seine Emissionen nicht zu reduzieren braucht. Der Handel mit den Emissionsrechten führt deswegen dazu, dass gerade die Unternehmen anfangen, CO2 zu reduzieren, die das am günstigsten können, da sie am stärksten vom Verkauf ihrer Emissionsrechte profitieren.
Durch das Erneuerbare Energien Gesetz kommt es nicht zu einer direkten Absenkung der Emissionen, sondern nur zu einer Verlagerung
Im Gegensatz zum Europäischen Emissionshandelssystem, in dem die zulässige CO2-Menge bis 2020 um jährlich 1,74 Prozent und ab 2021 um jährlich 2,2 Prozent abgesenkt wird, wird durch die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien direkt kein CO2 reduziert, weil die nicht benötigten Emissionsrechte einfach weiterverkauft werden können. Es gibt keine automatische Reduktion der CO2-Menge wie beim Europäischen Emissionshandelssystem. Durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) kommt es also nicht zu einer direkten Absenkung der Emissionen in Deutschland, sondern nur zu einer Verlagerung.
Trotzdem wird die Förderung der erneuerbaren Energien oft auch mit Klimaschutzzielen begründet. Dabei steigt der CO2-Ausstoß in Deutschland seit 2009 wieder an, während in derselben Zeit viele andere EU-Staaten ihren CO2-Ausstoß erheblich reduziert haben. Da sich die sogenannte EEG-Umlage zugleich fast verfünffacht hat (von 1,3 auf 6,24 Cent pro Kilowattstunde), kritisieren nicht nur viele Ökonomen, sondern auch der Weltklimarat das deutsche EEG als teuer und in Bezug auf den Klimaschutz als wirkungslos, während es die Wettbewerbsfähigkeit stromintensiver Unternehmen in Deutschland gefährden kann.
Wie also ambitionierte Klimaziele die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beeinflussen, hängt von vielen Faktoren ab – vor allem aber auch davon, mit welchen Instrumenten die Ziele erreicht werden sollen.
Thomas Fricke (© Privat)
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