Droht der Eurozone die Gefahr einer Deflation? Meine Antwort auf diese Frage ist eindeutig: Nein. Dies will ich im Folgenden begründen, indem ich eine Reihe von vorgelagerten Fragen diskutiere: Was verstehe ich unter Deflation? Wie kommt es zur
Was ich unter Deflation verstehe
Das Gespenst der Deflation geht um in Europa. Auslöser ist der Fall der Konsumentenpreise weit unter den
Wie es zur Deflation kommt
In unserem Kreditgeldsystem produzieren die Banken privates Schuldgeld, indem sie Kredite vergeben und den Kreditbetrag dem Girokonto des Kreditnehmers gutschreiben. Dieses von den Banken produzierte Schuldgeld wird auch Innengeld genannt. Daneben produziert die Zentralbank Bargeld und leiht den Banken Reservegeld für Zahlungen untereinander. Das von der Zentralbank produzierte Geld wird Außengeld genannt. Das Außengeld passt sich der Nachfrage an, die durch die Produktion von Innengeld getrieben wird.
Eine Finanzkrise entsteht, wenn Kredite massenweise ausfallen. Schreiben die Banken diese Kredite ab, vernichten sie das mit ihnen geschaffene Innengeld. Wenn nun die Zentralbank das Außengeld nicht aktiv ausweitet, schrumpft die gesamte Geldmenge. Wenn Geld knapper wird, steigt seine Kaufkraft. Dies drückt sich darin aus, dass die Preise für Güter und Vermögenswerte auf breiter Front sinken.
Die Konsequenzen von Deflation
Harmonisierte Verbraucherpreisindizes (HVPI) (bpb) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de
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Oft wird behauptet, dass Deflation die Konsumenten veranlasst, Ausgaben in Erwartung sinkender Preise zurückzuhalten. Dadurch entstünde eine Spirale von sinkenden Preisen und sinkender Nachfrage. Entsprechende Untersuchungen widerlegen allerdings diese Behauptung. Ein weiteres Indiz, das gegen diese Behauptung spricht, ist, dass in Japan auch in den Jahren der Deflation die Sparquote der privaten Haushalte fiel.
Unbestritten ist dagegen, dass Deflation ausstehende Schulden in preisbereinigter Größe gemessen steigen lässt. Wenn die realen Einkommen nicht gleichermaßen wachsen, kann es zu Schwierigkeiten beim Schuldendienst kommen. Im schlimmsten Fall brechen so viele Schuldner unter einer steigenden realen Schuldenlast zusammen, dass sie ihre Gläubiger mit in die Zahlungsunfähigkeit ziehen. Schulden werden dann in einem depressiven wirtschaftlichen Umfeld durch Bankrott abgebaut. Irving Fisher, ein bekannter Ökonom, der die Weltwirtschaftskrise miterlebte, prägte dafür den Begriff der Schuldendeflation.
Warum die Inflation im Euroraum so niedrig ist
Seit die
Warum trotz niedriger und zum Teil sogar negativer Raten für die Konsumentenpreisinflation eine Deflation in der Eurozone unwahrscheinlich ist
Wie eingangs beschrieben entsteht Deflation durch Geldmangel. In einem Kreditgeldsystem kann es zur Geldvernichtung kommen, wenn von den Banken über Kreditvergabe geschaffenes Innengeld durch den Ausfall fauler Kredite vernichtet und nicht durch die Zentralbank mit neuem Außengeld ersetzt wird. Dies war in den 1930er Jahren der Fall. In den USA sank die Geldmenge M1 (Bargeld und Sichteinlagen) zwischen 1929 und 1933 um mehr als 25 Prozent. Dagegen haben die Zentralbanken heute ihre Bilanzen und damit das von ihnen produzierte Außengeld stark ausgeweitet. Seit 2007, dem Jahr in dem die Finanzkrise begann, hat sich das Bilanzvolumen der US-Zentralbank Federal Reserve und der Bank von England verfünffacht, das der Bank von Japan und der EZB hat sich immerhin verdoppelt.
Dank dieser Aktion ist die gesamte Geldmenge M3 (M1 und einige länger laufende Bankverpflichtungen) seit 2007 nicht wie in den 1930er Jahren gefallen, sondern gestiegen, und zwar um 55 Prozent in den USA und um 15 Prozent in der Eurozone. Jüngst hat sich die Inflation in den USA beschleunigt, im Euroraum aber verlangsamt. Die Reaktion der Zentralbanken bestand darin, dass die Federal Reserve einen weniger expansiven, die EZB dagegen einen expansiveren Kurs in der Geldpolitik eingeschlagen haben. Solange die Zentralbanken alles daran setzen, die umlaufende Geldmenge trotz Abschreibungen fauler Bankkredite weiter zu erhöhen, ist eine Deflation sehr unwahrscheinlich.
Peter Bofinger (© picture-alliance/dpa)
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