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Expertenchat zur Energiewende | Energiepolitik | bpb.de

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Expertenchat zur Energiewende Chatprotokoll vom 5.3.2013

/ 12 Minuten zu lesen

Autor (© bpb, istock.com/Aaltazar)

Moderator: Der Bundesumweltminister warnte kürzlich davor, dass die Energiewende über eine Billion Euro kosten könnte und fordert daher eine Strompreisbremse. Hat er mit seinen Befürchtungen recht? Und was genau bewirkt diese Strompreisbremse?

Claudia Kemfert: Ich kann diese hohe Zahl von 1 Billion nicht nachvollziehen. Aus meiner Sicht werden wichtige Komponenten nicht gegengerechnet und unnötig Angst geschürt, dass die Energiewende nicht machbar und nicht finanzierbar sei. Ganz so wie ich es in meinem Buch "Kampf um Strom" beschrieben habe: es werden Mythen verbreitet, damit das Image der Energiewende leidet und die öffentliche Akzeptanz schwindet. Das ist sehr schade!

Man muss unterscheiden zwischen Kosten und Investitionen. Investitionen in neue Zukunftsmärkte bringen Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Je mehr heimische Energieträger wir nutzen, desto weniger müssen wir importieren. Und je weniger Energie wir verbrauchen, desto mehr KOSTEN werden eingespart.

Auch ohne Energiewende muss man investieren: alte durch neue Kraftwerke ersetzen, Netze modernisieren und erneuern und vor allem viel Geld in fossile Energien stecken.

Hubertus Bardt: Die Zahl von einer Billion Euro ist natürlich sehr hoch, hier gibt es unterschiedliche Schätzungen. Klar ist aber, dass die Energiewende zunächst einmal erhebliche Kosten mit sich bringt. Über die EEG-Umlage werden Haushalte und Unternehmen belastet. Es muss verhindert werden, dass die Kosten weiter steigen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen.

Die Strompreisbremse selbst hat drei Säulen: Fördersätze für neue Anlagen sollen stärker reduziert werden, Fördersätze für bestehende Anlagen sollen auf Zeit etwas abgesenkt werden und die Industrie soll mit Mehrkosten belastet werden.

Robibo: Der Bundesumweltminister sagt, die Energiewende könne über eine Billion Euro kosten. Was wird es die Gesellschaft (langfristig) kosten, wenn die Energiewende nicht kommt?

Claudia Kemfert: Die Kosten für erneuerbare Energien werden im Zeitablauf sinken, daher werden wir uns mittelfristig auf jeden Fall besser stellen. Je mehr Kosten für fossile Energien eingespart werden, desto besser

Kostengünstig heißt aber vor allem, dass mehr und mehr Energie eingespart wird. Zudem schaffen wir einen wichtigen Zukunftsmarkt, der uns mittelfristig besser stellt. Ohne Energiewende wären wir definitiv schlechter dran - und es wäre auch nicht automatisch billiger.

Hubertus Bardt: Die Ziele der Energiewende sind gar nicht so umstritten. Es geht aber darum, die Zusatzinvestitionen innerhalb von vertretbaren Grenzen zu halten. Langfristig ist die Hoffnung, dass wir ein erneuerbares Energiesystem auch erfolgreich auf internationalen Märkten anbieten und so einen echten Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Es geht also nicht darum, ob die Energiewende kommt. Sondern es geht darum, dass sie möglichst kostengünstig realisiert wird.

Isarmatros: Frage an Hubertus Bardt: Die Energiewende ist ein politisches Projekt, was Eingriffe in den Markt, auch gegen wirtschaftliche Entwicklungen, rechtfertigen kann. Inwiefern drohen höhere Stromkosten, wenn doch auch der Strompreis festgelegt werden kann?

Hubertus Bardt: Der Strommarkt basiert auf Regeln, und die Umstellung auf regenerative Quellen gehört dazu. Insofern kommt es auf den Charakter der Regeln an. Wenn man nun einen festen Endkundenpreis für Strom festlegen würde, gäbe es keinen Wettbewerb mehr auf der Anbieterseite. Und die Zusatzkosten müssten ja doch getragen werden, so dass sich an grundlegenden Kostensituation nicht viel ändern würde. Was wir brauchen ist Wettbewerb um effiziente und innovative Lösungen.

Claudia Kemfert: Der Strompreis wird ja nicht "festgelegt", sondern ergibt sich aus verschiedenen Faktoren. Erneuerbare Energien haben keine Grenzkosten sodass der Börsenpreis ungeeignet ist als Marktindikator für das System. Daher brauchen wir andere Vergütungssysteme, die alles zusammenbringen.

A.Johann: Steht die Deckelung des EEG der Energiewende kontraproduktiv gegenüber? Gemäß dem Credo: Atomkraft NEIN - Investitionssicherheit bei erneuerbaren Energien aber AUCH NEIN?

Claudia Kemfert: Ich halte nichts von einer Deckelung, da man das System so anpassen muss, dass es ausreichend finanzielle Anreize für den Einsatz erneuerbarer Energien, Netze und mittelfristig auch Speicher gibt. Wir brauchen ein kluges Marktdesign, ein EEG 2.0, keine Schnellschüsse.

Hubertus Bardt: Eine Deckelung des EEG würde natürlich den Ausbau begrenzen. In den letzten Jahren hatten wir aber die Situation, dass Jahr für Jahr ein Mehrfaches an Photovoltaik zugebaut wurde, als von der Bundesregierung angepeilt. Hier kann man schon Gründe für eine Bremse anführen. Aber natürlich darf es nicht dazu kommen, den Ausbau zu stoppen. Noch einmal: Es geht bei der Diskussion um die Kosten nicht darum, die Energiewende zu verhindern. Und hierfür brauchen wir in der Tat eine klare Perspektive für einen Strommarkt mit erneuerbaren Energien.

Claudia Kemfert: Man läuft mit einer solchen Deckelung Gefahr, dass man die Energiewende insgesamt ausbremst und die falschen Signale gibt, Investoren abschreckt.

Latryon: Rückfrage an Hubertus Bardt: Durch einen zu offenen Wettbewerb werden heute relativ ineffiziente Technologien nicht weiter gefördert. Besteht dadurch nicht die Gefahr, langfristig rentable Technologien (wenn ausreichend erforscht) schlicht als unrentabel abzuschieben?

Hubertus Bardt: Das EEG gibt es inzwischen seit bald 13 Jahren, das Vorläufersystem seit den 90er Jahren. Irgendwann muss man einmal klären, welche Technologien eine Chance haben. Und das kann am besten der Wettbewerb. Wenn wir aber für einzelne Technologien noch weiterhin Förderbedarf sehen, dann gibt es dafür eine breite Palette von Lösungen - von der Forschungsförderung bis zur Einspeisevergütung. Wir brauchen aber einen Übergang in eine wettbewerbliche Ordnung. Ich halte es für kaum vorstellbar, dass wir 2050 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen haben, und den dann durchgehend fördern.

Claudia Kemfert: Man braucht in der Tat ein Marktdesign, welches keine Technologien ausschließt, sondern die Anbieter selbst entscheiden lässt, was rentable und sinnvoll ist. Daher das Plädoyer für ein EEG 2.0.

Ich denke nicht, dass wir ein dauerhaftes Fördersystem brauchen, aber ein System, welches in der Lage ist ausreichende Anreize für erneuerbare Energien und andere zu geben

Latryon: @ClaudiaKemfert: Sie erwähnten öfters ein "EEG 2.0". Dass Anpassungen notwendig sind, ist unumstritten. Wie sieht ihr Konzept eines EEG 2.0 aus?

Claudia Kemfert: Wir sollten dies gut durchdenken und keine Schnellschüsse machen. Die grenzkostenorientierten Märkte werden in der Zukunft ausgedient haben. Wir benötigen mehr Flexibilität und Vergütungen, die kunden- und lastorientierte Marktakteure hervorbringen.

Wir benötigen auf jeden Fall ein erneuerbare Energien Lastprofil und mehr verbrauchsnahe Vergütungen. Die Stromlieferanten könnten eher als die Übertragungsnetzbetreiber eine solche zeitnahe und kundenorientierte Leistung erbringen. das würde das System ändern. Man sollte sich die verschiedenen Vorschläge zur Weiterentwicklung des EEG genau anschauen und besprechen.

Schreiber: Welche Prognosen gibt es eigentlich für die Steigerung des Stromverbrauchs in Deutschland und der EU bis 2020 und bis 2050? Gibt es 2050 in Europa noch stromfressende Großindustrie? Und auf wie viele Einwohner sind Deutschland und EU bis dahin geschrumpft?

Claudia Kemfert: Es gibt verschiedene Szenarien: Wenn wir alles tun, um Strom und Energie einzusparen, dann kann der Stromverbrauch auch sinken. Demografischer Wandel tut sein Übriges. Wenn wir aber munter weiter konsumieren (so genannter Rebound Effekt: wir konsumieren mehr obwohl wir sparen), dann kann der Stromverbrauch auch steigen.

Hubertus Bardt: Ohne die "stromfressende Großindustrie" hätten wir kein Kupfer, kein Aluminium, kein Stahl.... Hoffentlich haben wir auch diese Industrien noch in der Zukunft in Deutschland. Die Bundesregierung hat sich einen sinkenden Stromverbrauch bis 2020 als Ziel gesetzt. Ich bin da pessimistisch. Auch wenn der Energieverbrauch in den letzten Jahren zurückgegangen ist, ist der Stromverbrauch fast konstant geblieben. Viele Effizienztechnologien verbrauchen Strom. Wir können kaum darauf hoffen, dass die Probleme der Stromversorgung dadurch gelöst werden, dass wir den ganzen Strom nicht mehr brauchen. Gleichzeitig zeigt sich daran, wie wichtig die Energieeffizienz ist.

Torsten: Die Finanzierung des Ausbau der erneuerbaren Energien und Stromnetze erfolgt auch durch eine Umlage auf den Strompreis. Wenn das dann alles fertig ist und Gewinne abwirft, wohin fließen diese dann?

Hubertus Bardt: Die erneuerbaren Energien bekommen einen Fixpreis für in der Regel 20 Jahre. Wenn eine Anlage z.B. nach 15 Jahren finanziert ist, verdient der Betreiber Geld, solange die Anlage läuft (einen Teil behält der Staat natürlich als Steuern).

Claudia Kemfert: Nach 20 Jahren müssen sich die Anlagen selbst behaupten. Und zukünftig sollte man immer mehr Vergütungssätze senken können. Da sind wir noch nicht. Wir müssen noch so lange weiter finanzieren, bis die Anlagenbetreiber selbstständig Gewinne machen können. Da sich das System aber insgesamt so stark verändert (Börsenpreise sinken, da erneuerbare Energien keine variablen Kosten haben) und grenzkostenorientiert nicht funktioniert, muss das EEG weiter entwickelt werden.

Karsten: Ist es eigentlich sinnvoll erneuerbare Energien mit rund 20 Milliarden pro Jahr zu fördern, während man den Wärmesektor in Gebäuden mit nur rund 2,5 Milliarden fördert, obwohl hier viel mehr CO2 eingespart werden kann?

Claudia Kemfert: Der Wärmesektor (aber auch Mobilität) ist SEHR wichtig! Man sollte in der Tat die finanzielle Förderung deutlich aufstocken!

Hubertus Bardt: Wenn es wirklich darum ginge, kurzfristige CO2-Einsparungen zu realisieren, wären sicherlich Investitionen in andere Bereiche sehr viel besser angelegt als in einige der erneuerbaren Stromquellen.

Claudia Kemfert: Problem: Die Finanzierung der energetischen Gebäudesanierung speist sich hauptsächlich aus Mitteln aus dem Energie- und Klimafonds. Dieser ist derzeit leer, da es keine Einnahmen aus dem Verkauf der CO2-Zertifikate gibt. Der Emissionshandel funktioniert nicht, der Preis geht gegen Null.

Rüttelfalk: Wäre es ökonomisch sinnvoll und technisch machbar für eine Übergangszeit von 5-8 Jahren noch einmal 5 Atomkraftwerke ans Netz zu nehmen, um die Versorgungssicherheit der Industrienation Deutschland zu erhöhen?

Claudia Kemfert: Nein, neue AKWS sind nicht notwendig. In Kombination mit erneuerbaren Energien sind Gaskraftwerke viel besser geeignet, da sie flexibel hoch und runter gefahren werden können.

Hubertus Bardt: Ich halte das für politisch praktisch undenkbar. Ökonomisch wäre zu klären, welche Investitionen notwendig wären, um Anlagen für eine gewisse Zeit wieder in Betrieb zu nehmen. Technisch würde sich das auch lösen lassen.

Claudia Kemfert: AKWs müssten übrigens deutlich subventioniert werden - da müssten wir wieder die Kostendebatte neu entfachen. Zudem gibt es keine gesellschaftliche Akzeptanz.

Nurte: Der Atomstrom soll viele verdeckte Kosten verursacht haben, die vom Staat getragen wurden (Transport, Atommüll, Sicherheit). Müsste mit den zukünftig dafür nicht mehr gebrauchten Steuergeldern nicht viel Geld für die Energiewende bereit stehen?

Claudia Kemfert: Man könnte durchaus Steuergelder verwenden, das passt Politikern natürlich nicht. Da ist es praktischer, alles auf den Strompreis zu überwälzen. Aber es ist nicht ehrlich.

Hubertus Bardt: Steuergelder flossen früher z.B. in die Forschung. Die immer wieder diskutierten Kostenrisiken eines Unfalls stehen im Haushalt nicht zur Verfügung. Hier ist also nicht plötzlich eine Ausgabengröße weggefallen. Im Gegenteil: Durch den Ausstieg fallen Steuereinnahmen für den Staat weg (Brennelementesteuern, Gewinnsteuern).

Claudia Kemfert: Wir bezahlen aber auch Steuergelder für den AKW-Abbau (Rheinsberg) oder die Atommüll-Entsorgung. Würde man all das auf den Strompreis überwälzen, wäre er schon lange hoch.

Mr. Burns: Wie sieht denn derzeit die Energiebilanz aus: Exportieren oder importieren wir mehr Strom?

Claudia Kemfert: Auf das Jahr gerechnet exportieren wir noch immer mehr als wir importieren, wir sind noch immer Netto-Exporteur.

Hubertus Bardt: Beides! Wir sind in bestimmten Phasen auf Importe angewiesen, und exportieren in anderen Situationen - beispielsweise wenn der Stromverbrauch in Frankreich besonders hoch ist oder wenn wir besonders viel erneuerbaren Strom im Netz haben. Dann wird gelegentlich sogar dafür bezahlt, dass unsere Nachbarn den Strom nehmen.

Claudia Kemfert: An machen Tagen kann es aber auch umgekehrt sein, wenn wir eine hohe Nachfrage haben. Im Winter exportieren wir übrigens auch viel nach Frankreich (obwohl dort viele Atomkraftwerke stehen) da die Franzosen mit Strom heizen und einen hohen Bedarf haben.

Wuff: Derzeit ist überall von Fracking die Rede. Ist das Ganze denn nicht maximal ein Strohfeuer, wenn wir uns die Endlichkeit der Ressourcen und den steigenden Verbrauch in China und anderswo anschauen?

Claudia Kemfert: Unkonventionelle Gasquellen haben in den USA zu einem Überangebot an Gas geführt, auch in Asien gibt es große Potentiale. In Europa weniger und es ist auch teurer, die Umweltauflagen sind hoch. Man kann es erforschen, einen "Gasrausch" wird es jedoch nicht geben. Doch wenn die Potentiale erschlossen werden, kann sich das Gasangebot durchaus erhöhen. Dadurch erhöht sich der Druck auf Russland, das noch immer hohe Gaspreise verlangt.

Hubertus Bardt: In der Vergangenheit haben immer wieder neue Fördermethoden dazu geführt, dass die Vorräte an (geologisch natürlich endlichen) fossilen Ressourcen immer länger gereicht haben. Unkonventionelles Gas kann einen Teil des Bedarfs befriedigen. In den USA ist damit der CO2-Ausstoss zurückgegangen, weil weniger Kohle verbraucht wurde. Und für die Industrie sind Investitionen dort attraktiver geworden, weil die Preise für Gas und Strom deutlich zurückgegangen sind. Darauf haben wir noch keine wirkliche Antwort gefunden.

Simon E: Das IW Köln veröffentlichte am 18. Februar Zahlen (Statement Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor IW), nach denen Deutschlands "größere industrielle Verbraucher" seit 2007 um 40 Prozent gestiegene Strompreise hinzunehmen hatten. Laut Bundeswirtschaftsministerium sind es aber nur 3,7 Prozent. Es wirft dem IW insgesamt unseriöse, tendenziöse Arbeit mit selektiven bis fehlerhaften Daten vor - stimmt das?

Hubertus Bardt: Das sind Eurostat-Zahlen, die halte ich für verlässlich. Kern der Analyse war aber nicht die Beobachtung der Preisentwicklung. Vielmehr ging es darum, deutlich zu machen, dass energieintensive Branchen eine Bedeutung auch für andere Teile der Industrie haben. Es gibt einen engen Innovationsverbund, von dem die gesamte Volkswirtschaft profitiert. Daher ist es auch wichtig, im Umbauprozess der Energiewende die stromintensiven Industrien nicht zu verlieren.

Leo K.: Die Stromnetze sind teilweise nach wie vor im Besitz der Energieversorger. Ist damit zu rechnen, dass von Seiten der Netzbetreiber ein schneller Ausbau der Netze forciert wird (Zielkonflikt: zentrale vs. dezentrale Energiegewinnung) oder sollten Bürgerbewegungen (z.B. Genossenschaften und Kommunen, die Netze zurück kaufen möchten) stärker unterstützt werden?

Hubertus Bardt: Nach meinem Eindruck ist der Netzausbau nicht daran gescheitert, dass er von den Eigentümern nicht gewollt wäre. Wenn Kommunen die Netze wieder kaufen, ist dadurch noch nicht viel gewonnen. Vor allem sehe ich die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen deutlich kritischer.

Claudia Kemfert: Stromnetze werden von eigenständigen Unternehmen betrieben (sind getrennt von Energieversorgern). Netzbetreiber sollen in der Tat viele Leitungen bauen, die man ggf so nicht braucht. Man braucht eine Netzoptimierung, mehr dezentrale Netze, die Angebot und Nachfrage gut aufeinander abstimmen. Eine Re-Kommunalisierung löst das Problem allerdings nicht.

Isarmatros: Frage an Claudia Kemfert: In den letzten Wochen gab es viele Diskussionen über EEG-Ausnahmen für bestimmte Industrien, oft für die Bürger_innen nicht nachvollziehbar. Auf der anderen Seite hat sich der Verband der Cloud-Computing-IT darüber beschwert, dass sie, die mit ihren Servern die Grundlage der Digitalisierung stemmen, nicht ausgenommen sind. Wie definieren sie Bedingungen für Ausnahmen?

Claudia Kemfert: Ausnahmen sollten nur für solche Unternehmen gewährt werden, die hohe Energiekosten haben und im internationalen Wettbewerb stehen. Man sollte zudem keinen maximalen Stromverbrauch vorgeben, sondern Unternehmen belohnen, die mehr Energie einsparen. Die IT Branche tut ja viel, hat aber auch noch Potential.

adraste: Wie bewerten Sie die Rolle der Biomasse in der Energiewende. Sind Biogas und Biofuel nur Übergangslösungen?

Hubertus Bardt: Sie werden sicher in einem Energiesystem der Zukunft eine Rolle spielen. Die überschwängliche Begeisterung, die es vor ein paar Jahren noch gab, ist aber vorbei - und wird es wohl auch bleiben.

Claudia Kemfert: Biomasse hat schon einen wichtigen Stellenwert, da es die Energieform nahezu ohne Volatilitäten ist. Man sollte aber auf die Nachhaltigkeit achten, besser (Pflanzen-/Tier-)Abfälle nutzen und keine Monokulturen fördern

irgendwer: Ist es richtig, dass die Erneuerbaren ca. 20% des Strompreises ausmachen, aber bereits 25% des dt. Strommixes beitragen ?

Claudia Kemfert: Ja richtig. Anteilig am Strompreis etwas unter 20 %, Stromproduktion liegt etwa bei 25 %.

Hubertus Bardt: Daraus kann man aber nicht schließen, dass sie billiger wären als andere Stromquellen. Der Strompreis für Haushaltskunden besteht heute zu 50 Prozent aus Abgaben und Umlagen.

Leo K.: Welche Instrumente sollten angewandt werden, damit der Netzausbau möglichst zügig voranschreiten kann?

Claudia Kemfert: Der Netzausbau ist weitestgehend im Plan, es gibt viele Mythen dass der Netzausbau massiv ausgeweitet werden muss. Wen man im Süden neue Kapazitäten baut, kann man auf weitere Stromautobahnen verzichten.

Hubertus Bardt: Beim Netzausbau brauchen wir eine beschleunigte Planung. Da ist einiges auf den Weg gebracht worden. Bisher war der Netzausbau eines der Probleme. Hier brauchen wir Fortschritte.

Claudia Kemfert: Was man benötigt ist eine gute und effektive Abstimmung von Angebot und Nachfrage, intelligente Netze, "Smart Grids". Durch eine kluge Steuerung könnte man dies effektiv gestalten.

Moderator: Die Chat-Zeit ist auch schon fast um: Wollen sie noch ein kurzes Schlusswort an die Chaterinnen und Chatter richten?

Hubertus Bardt: Danke für Ihre vielen guten Fragen. Bleiben Sie der Diskussion um die Energiewende erhalten - wir brauchen noch viele gute Ideen!

Claudia Kemfert: Herzlichen Dank für die vielen Kommentare und Fragen! Es hat Spaß gemacht und sollte öfter stattfinden! ich wünsche einen schönen Abend, Ihre Claudia Kemfert.

Fussnoten

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