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Die Internationale Energie-Governance | Energiepolitik | bpb.de

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Die Internationale Energie-Governance Ein bisschen Kooperation, wenig Kohärenz?

Kirsten Westphal

/ 7 Minuten zu lesen

Die Energieversorgung muss bis Mitte des Jahrhunderts radikal umgestellt werden. Das liegt am Klimawandel und der Endlichkeit fossiler Brennstoffe. Für die Umstellung bedarf es internationaler Zusammenarbeit. Welche Institutionen gibt es? Und wie ist ihre Arbeit zu beurteilen? Ein Überblick.

G20-Gipfel in Mexiko 2012. Der G20 ist ein wichtiges Forum für die Behandlung von Energiefragen, da hier die wichtigsten Energieproduzenten und -konsumenten vertreten sind. (© picture-alliance/dpa)

Die (inter)nationale Politik steht vor der Herkulesaufgabe, das Energiesystem nachhaltiger zu gestalten und gleichzeitig für einen Übergangszeitraum die Versorgung mit fossilen Brennstoffen zu garantieren. Dabei darf aber die Sicherung der fossilen Versorgung nicht einfach in eine Fortführung (Perpetuierung) der bestehenden Energienutzung münden. Im Ergebnis lässt sich zwar ein zunehmender Kommunikations- und Kooperationsbedarf in den internationalen Energiebeziehungen feststellen, aber bisher gibt es kein umfassendes Forum, um Energiefragen über alle Kontinente und alle Energieträger hinweg zu adressieren. Stattdessen besteht ein Flickwerk an verstreuten, segmentierten und manchmal konkurrierenden Foren, Institutionen und Organisationen. Außerdem wurde in vielen Fällen das Mandat für die jeweiligen Institutionen Jahrzehnte zuvor entwickelt. Das führt dazu, dass häufig die Realität der Energiewelt nicht mehr abgebildet wird, auch weil die traditionellen Rollen und Grenzen zwischen Produzenten, Transitländern und Verbrauchern aufweichen. Die wachsende Bedeutung Chinas, Indiens, Brasiliens und Südafrikas etwa wird nicht genügend berücksichtigt. Hinzu kommt, dass vielfach die Governance-Mechanismen kaum für alle Seiten (Anbieter, Nachfrager, Transitländer) gleichermaßen einen Nutzen bieten, so dass die Ansatzpunkte zur übergreifenden Kooperation, Steuerung und Verregelung nur sehr vereinzelt gegeben sind. Im Ergebnis sind multilaterale Ansätze in der internationalen Energiepolitik, wenn überhaupt existent, zumeist auf Teilmärkte, Regionen, bestimmte Aspekte oder einen exklusiven Teilnehmerkreis beschränkt.

Dabei sind Deutschland und die Europäische Union als Energie-Netto-Importeure auf ein Funktionieren der Energiemärkte angewiesen und dem Klimaschutz verpflichtet. Deutschland wie die EU insgesamt setzen auch auf internationale Kooperation in den Energiebeziehungen ("Energie-Governance"). Dabei kennzeichnet die internationalen Energiebeziehungen eine "variable Geometrie", das heißt, sie setzt sich aus einem Geflecht von bilateralen, bi-regionalen, plurilateralen und einigen wenigen multilateralen Institutionen zusammen. Deutschland unterhält im Rahmen seiner Energie-Außenpolitik bilateral Energiepartnerschaften mit wichtigen traditionellen Produzentenländern wie Russland und Norwegen, aber auch neuen Produzentenländern wie Marokko und Angola sowie wichtigen anderen Konsumentenländern wie Indien. Interner Link: Deutschland ist aber auch als Mitgliedsland der EU in deren Energiedialoge mit Russland, den USA, China, Indien und wichtigen Schwellen- und Produzentenländern oder Regionen eingebunden.

Vereinte Nationen

Die wichtigste Feststellung für die internationale Ebene lautet: Eine Weltenergie-Organisation gibt es nicht. Auch wenn die Vereinten Nationen (VN) mehrfach versucht haben, ihre eigene Rolle im Energiebereich zu stärken, bleibt diese begrenzt. Und dass, obwohl mehr als 20 VN-Behörden und -Organisationen Energiefragen als Teil ihres Mandates kennen. Die unter dem Dach der VN 1957 gegründete Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) widmet sich der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Die Welthandelsorganisation (WTO) ist für den Energiehandel kaum bedeutsam, weil Handelsrestriktionen vor allem den Export und weniger Fragen des Imports und Marktzugangs betreffen.

OPEC

Die Organisation Erdölexportierenden Länder (OPEC) ist die prominenteste Organisation im Erdölbereich. Sie wurde 1960 gegründet und wird gemeinhin als Schlüsselspieler bei der globalen Energieversorgung gesehen. Das selbsternannte Kartell erdölexportierender Länder hat zwölf Mitgliedsstaaten und kontrolliert rund 40 Prozent der globalen Erdölproduktion. Es verfügt aber über mehr als 70 Prozent der verbleibenden Reserven. Doch die ersehnte Kontrolle über die Ölmärkte und die Preisentwicklung war historisch immer begrenzt. Eine entscheidende Rolle übt Saudi-Arabien innerhalb der OPEC aus, da es als sogenannter "Swing Produzent" agiert: Denn der Wüstenstaat ist der einzige Öllieferant, dessen Kapazitäten so hoch sind, dass er kurzfristig und nennenswert die Produktion erhöhen kann, um auf Förderengpässe in anderen Ländern oder plötzlich steigende Nachfragen zu reagieren.

Internationale Energieagentur

Die Internationale Energieagentur (IEA) wurde 1974 von Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegründet – als Antwort auf den ersten Ölpreisschock, ausgelöst durch den Interner Link: Jom-Kippur-Krieg. Die Krisenvorsorge und das -management gehören zu ihren Kernaufgaben, so unterhalten alle Mitgliedsländer strategische Öl-Reserven in Höhe von Nettoimporten von 90 Tagen. Obwohl die IEA dem Muster der traditionellen fossilen Energieversorgung entsprungen ist und sie die Interessen ihrer Mitglieder berücksichtigen muss, hat sich die Organisation auch zunehmend dem Zusammenhang zwischen Energienutzung und Klimawandel gewidmet. Daher hat sich die IEA in der jüngeren Vergangenheit auch als zentrale Organisation für die internationale Energie-Governance erwiesen und ihre Arbeitsgebiete mit Blick auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz ausgeweitet. Außerdem stellt die IEA wichtige Informationen über die globale Energiesituation zusammen. Sie hat auch einen "Outreach-Prozess" gestartet, um mit den wichtigen Schwellenländern enger zu kooperieren im Hinblick auf die Datensammlung, energiepolitische Strategien und Ölbevorratung.

Energie-Charta-Vertrag

Erste Ansätze zu einer Regelung der internationalen Energiebeziehungen griffen erst nach dem Ost-West-Konflikt in den 1990er Jahren, der Hochzeit des Multilateralismus. 1991 wurde die Europäische Energie-Charta formuliert, die 1994 in den völkerrechtlich bindenden Energie-Charta-Vertrag mündete. Dieses Regelwerk ist der weitreichendste internationale Vertrag auf dem Gebiet der internationalen Energiepolitik. Er widmet sich den Kernfragen von Handel, Investitionen und Transit. Dieses vorbildliche Vertragswerk ist ein "Kind der 1990er Jahre", das vor allem entsprechend der Interessen der Verbraucherländer in Zeiten niedriger Ölpreise formuliert wurde. Auch deswegen wurde dieses Vertragswerk wegen unterschiedlicher Vorbehalte von den wichtigen Energieproduzenten Russland, Norwegen und den USA u. a. nicht unterschrieben oder ratifiziert. Seit Russland 2009 sogar die provisorische Anwendung des Energie-Charta-Vertrags beendete, ist seine zukünftige Ausrichtung fraglich.

Forum Gasexportierender Länder

2001 gründeten 14 Länder das Forum Gasexportierender Länder (GECF). Das zeigt die wachsende Bedeutung des internationalen Gashandels. Diese Länder verfügen über 73 Prozent der Weltgasreserven und kontrollieren 42 Prozent der Gasproduktion. Damit ist ihr Weltmarktanteil fast genau so hoch wie der der OPEC-Staaten beim Öl. Das GECF soll der Abstimmung unter den großen Produzentenländern für Erdgas dienen. Russland, Katar und der Iran haben 2008 eine verstärkte Zusammenarbeit geprobt. Diese Gas-Troika bildet den Kern eines möglichen Gas-Kartells.

Internationales Energie-Forum

Ein erster Schritt hin zu einem umfassenden Dialog zwischen Produzenten und Konsumenten wurde mit dem 2003 geschaffenen Internationalen Energie-Forum (IEF) erreicht. Mit der Joint Oil Data Initiative (heute: Joint Organisation Data Initiative, JODI) hat das Forum zu mehr Datentransparenz beigetragen können. Das IEF hat seinen permanenten Sitz in Riad etabliert.

G8 und G20

Seit Beginn des neuen Jahrtausends sind die Ölpreise in neue Höhen geklettert und die steigende Nachfrage aus China und Indien, aber auch dem arabischen Raum, ändert die Energiemärkte fundamental. Energiefragen kehrten zurück auf die außen- und sicherheitspolitische Agenda der Staaten, nachdem sie jahrzehntelang international eher ein Nischendasein führten. Es war keine energie-spezifische Institution, die einen wichtigen Beitrag zur Fortentwicklung der Energie-Governance lieferte, sondern die G8. Seit dem G8-Gipfel von Gleneagles 2005 spielen die G8 eine wichtige Rolle als "Agenda-Setter” und als Forum für die integrierte Behandlung von Klima- und Energiefragen. Unter russischer Präsidentschaft verabschiedeten die G8 in St. Petersburg 2006 eine Erklärung zur Energiesicherheit und einen entsprechenden Aktionsplan. Unter deutscher Präsidentschaft 2007 und unter dem Eindruck des Sachstandberichts des Weltklimarats (IPCC) wurden in Heiligendamm weitere Schritte für mehr Zusammenarbeit beschlossen, z.B. bei Energieeffizienz. Mit den G5 im Heiligendamm-L’Aquila-Prozess haben die G8 zudem wichtige Schritte unternommen, um die aufstrebenden Mächte in die internationale Energie-Governance zu integrieren und damit die multipolare Weltordnung abzubilden. Die IEA wurde gestärkt und ein "Outreach-Prozess" etabliert, um mit den wichtigen Schwellenländern stärker zu kooperieren.

2008 markiert eine Zäsur in der jüngeren Geschichte, denn die Ölpreise fielen binnen Halbjahresfrist um 100 US-Dollar angesichts der Wirtschaftskrise. Die Erfahrung hoher Preise, zunehmender Preisschwankungen und beispielloser Ungewissheiten auf den Energiemärkten hat der Kooperation zwischen Produzenten und Verbrauchern neuen Auftrieb gegeben. Preisschwankungen wurden verstärkt Thema im Internationalen Energie-Forum (IEF), aber auch bei den G20. Im Mittelpunkt stand dabei die Joint Organisation Data Initiative (JODI) des IEF, die als entscheidender Beitrag zu mehr Transparenz auf den Öl- und künftig auch den Gasmärkten gesehen wird. In der Datenbank werden monatlich anhand eines Fragebogens standardisiert die 42 Schlüsselkennzahlen für den Ölsektor eines jeden Mitgliedslandes erhoben. Für den Erdgasbereich werden ähnliche Statistiken aufgebaut. Mit der Unterzeichnung der IEF-Charter im Februar 2011 wurde auch der Dialog über die globale Energiesicherheit bekräftigt und das Forum langfristig gestärkt.

Seit 2010 zeichnet sich eine Verschiebung der Energiefragen von den G8 zu den G20 ab. Es ist aber noch offen, ob die G20 diese Rolle ausfüllen können und möchten und inwieweit die "Energiekompetenz" von den G8 zu den G20 gewandert ist. Auch im Rahmen der G20 gab es mit der Initiative zum Auslaufen der ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe einen entscheidenden Fortschritt. Die Initiative wurde 2009 auf dem Gipfel in Pittsburgh ins Leben gerufen. Die Subventionen für fossile Brennstoffe sind ein entscheidendes Hindernis für eine effizientere Energienutzung, den Ausbau der erneuerbaren Energien und mehr Klimaschutz.

IRENA

Ein wichtiger Fortschritt im Hinblick auf eine nachhaltige Energiepolitik war die Gründung der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) im Jahr 2009, die 2011 nach Anfangsschwierigkeiten ihre Arbeit richtig aufgenommen hat. Die Gründung war auch ein Erfolg deutscher Diplomatie. Die IRENA ist 2012 dabei, ihre Rolle als Stimme für die Nutzung erneuerbarer Energien, als relevantes Politik-Beratungsorgan und als Dreh- und Angelpunkt für internationale Kooperation auszugestalten. Die junge Organisation muss ihren Platz zwischen den bereits bestehenden Initiativen für erneuerbare Energien (REN21 und Clean Energy Ministerial) und der IEA noch behaupten. Die IRENA hat eine wichtige Rolle für die VN-Initiative Sustainable Energy for All (SE4All) übernommen, die für alle den Zugang zu modernen Energieformen anstrebt und außerdem mehr Energieeffizienz und die Verdopplung des Anteils der erneuerbaren Energien auf 30 Prozent am globalen Energiemix bis 2030 vorsieht.

Keine Weltenergie-Organisation erforderlich

Die Institutionenlandschaft für Energie-Governance ist hoch fragmentiert, repräsentiert partikulare Interessen und ist mit Blick auf die Doppelherausforderung von Energiesicherheit und Klimawandel relativ schwach. Anders gesagt: Die internationale Governance ist "nicht fit für 2050". Um es klar zu unterstreichen: Es braucht keine Weltenergie-Organisation, aber eine kohärentere und integrierte internationale Politik mit Blick auf die großen energiepolitischen Herausforderungen.

Quellen / Literatur

  • Dries Lesage, Thijs Van de Graaf, Kirsten Westphal (2010), Global Energy Governance in a Multipolar World, Farnham: Ashgate.

  • Aleh Cherp, Jessica Jewell, Andreas Goldthau 2011: Governing Global Energy: Systems, Transitions, Complexity, in: Global Policy 2, 1, 75-88.

  • Global Policy 2, Special Issue: Global Energy Governance, September 2011

  • Kirsten Westphal, Internationale Energiebeziehungen, in: Wichard Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch Internationale Politik, 12.Auflage, Opladen: UTB, 2011, S. 177-188.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zur G5 gehören die aufstrebenden Nationen China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Kirsten Westphal für bpb.de

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Weitere Inhalte

Dr. Kirsten Westphal ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Ihre Forschungsschwerpunkte beziehen sich auf Internationale Energiepolitik, sowie Chancen und Grenzen von regionaler und globaler Governance mit besonderem Fokus auf den Energieraum Europa.