Nach dem Zerfall der Sowjetunion sahen sich die unabhängig gewordenen rohstoffreichen Nachfolgestaaten Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan mit zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Während sie im Zentrum-Peripherie-Wirtschaftssystem
Die westlichen Staaten, insbesondere die USA, unterstützten sie dabei. Der Westen wollte nicht nur von den Öl- und Gasvorkommen profitieren, sondern erhoffte sich durch die wirtschaftliche Integration der ehemaligen Sowjetrepubliken auch die politische Stabilität in der Region gewährleisten zu können. Vor allem Aserbaidschan und Kasachstan gelang es nach der Unabhängigkeit internationale Energiekonzerne anzulocken, die umfangreiche Investitionen in den Öl- und Gassektor beider Länder tätigten.
Die Einnahmen aus den Öl- und Gasexporten kommen aber nicht der gesamten Bevölkerung zugute, sondern werden von den herrschenden Eliten zur Aufrechterhaltung ihrer Machtbasis eingesetzt. Außerdem wenden die Regierungen umfangreiche Mittel für die Errichtung von Prestigebauten auf, statt Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft zu tätigen. Dennoch profitiert beispielsweise die turkmenische Bevölkerung von staatlich subventionierten Nahrungsmittelpreisen und auch in Kasachstan haben inzwischen weite Teile der Bevölkerung vom allgemeinen Wirtschaftswachstum des Landes profitiert.
Die Vermarktung der kaspischen Energieressourcen ist mit verschiedenen Herausforderungen verbunden. Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan verfügen über keinen direkten Zugang zu den Weltmeeren. Außerdem wurde das damals bestehende Pipeline-System ausschließlich zur Versorgung der Sowjetunion bzw. der Sowjetrepubliken konzipiert und gebaut. Daher war der Bau von neuen Pipelines Voraussetzung für die erfolgreiche Vermarktung der Öl- und Gasproduktion nach Europa, aber auch China. Allerdings will Russland seinen politischen Einfluss in der Kaspischen Region wahren. Es ist daher bestrebt die Energieexporte aus dieser Region zu kontrollieren und an das russische Pipeline-System zu binden.
Die Öl- und Gasreserven der Kaspischen Region
Nach aktuellen Angaben von BP verfügen Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan über 2,2 Prozent der global nachgewiesenen Ölreserven und 14 Prozent der weltweit nachgewiesenen Gasreserven.
Kasachstan und Aserbaidschan verfügen mit 30 Mrd. bzw. 7 Mrd. Barrel über die weitaus größten nachgewiesenen Ölreserven in der Region, während die Ölreserven Turkmenistans und Usbekistans jeweils 0,6 Mrd. Barrel betragen.
Turkmenistan verfügt mit 24,3 Billionen m³ mit Abstand über die größten nachgewiesenen Erdgasreserven. Die Reserven der anderen Staaten belaufen sich auf 1,3 bis 1,9 Billionen m³.
Umfang der Kaspischen Öl- und Gasreserven | ||||
Ölreserven | Gasreserven | |||
in Millionen Barrel | Anteil weltweit | in Billionen m³ | Anteil weltweit | |
Aserbaidschan | 7,0 | 0,4% | 1,3 | 0,6% |
Kasachstan | 30,0 | 1,8% | 1,9 | 0,9% |
Turkmenistan | 0,6 | - | 24,3 | 11,7% |
Usbekistan | 0,6 | - | 1,6 | 0,8% |
Gesamt | 38,2 | 2,2% | 29,1 | 14% |
Produktion, Verbrauch und Exportpotenzial von Erdöl
Aserbaidschan und Kasachstan sind mit Abstand die größten Ölproduzenten in der Kaspischen Region. Seit Ende der 1990er Jahre konnten beide Staaten ihre Ölproduktion erheblich steigern (Abbildung 1).
Abb. 2: Ölverbrauch in der Kaspischen Region (© bpb)
Abb. 2: Ölverbrauch in der Kaspischen Region (© bpb)
Im Jahr 2011 betrug die Ölproduktion Kasachstans über 1,8 Mio. Barrel pro Tag, was einem Anteil von 2,1 Prozent der globalen Ölproduktion entspricht. Aserbaidschan produzierte 931.000 Barrel pro Tag (1,1 Prozent), Turkmenistan 216.000 Barrel pro Tag (0,3 Prozent) und Usbekistan 86.000 Barrel pro Tag (0,1 Prozent). Zusammen verantworteten die vier Länder also 3,6 Prozent der weltweiten Ölproduktion.
Abb. 3: Ölexportkapazitäten in der Kaspischen Region (© bpb)
Abb. 3: Ölexportkapazitäten in der Kaspischen Region (© bpb)
Der gegenwärtige Ölverbrauch Aserbaidschans, Kasachstans und Usbekistans hat sich im Vergleich zu 1991 verringert. Lediglich der Verbrauch Turkmenistans, der sich in den 1990er Jahren zunächst verringerte, hat wieder das Niveau von 1991 erreicht (Abbildung 2). Durch die gestiegene Produktion und dem parallel sinkenden Verbrauch haben sich insbesondere die Exportkapazitäten Kasachstans und Aserbaidschans deutlich erhöht (Abbildung 3). Die Ölproduktion Usbekistans reicht hingegen nicht mehr aus, um den Bedarf des Landes zu decken, sodass es auf Importe angewiesen ist.
Produktion, Verbrauch und Exportpotenzial von Erdgas
Abb. 4: Gasproduktion in der Kaspischen Region (© bpb)
Abb. 4: Gasproduktion in der Kaspischen Region (© bpb)
Aserbaidschan, Kasachstan und Usbekistan konnten ihre Gasproduktion seit der Unabhängigkeit ausweiten, während der größte Gasproduzent in der Kaspischen Region, Turkmenistan, im Vergleich zu 1991 eine geringere Produktion aufweist (Abbildung 4).
Die Einbrüche der turkmenischen Erdgasproduktion in den 1990er Jahren und im Jahr 2009 haben verschiedene Ursachen. Bis 1997 war Turkmenistan vollständig vom russischen Pipeline-System zum Export von Erdgas abhängig. Ab 1994 blockierte der russische Gaskonzern Gazprom turkmenische Erdgasexporte nach Europa und ließ nur Lieferungen an die Staaten der GUS zu,
Abb. 5: Gasverbrauch in der Kaspischen Region (© bpb)
Abb. 5: Gasverbrauch in der Kaspischen Region (© bpb)
um selbst mehr vom Gasexport nach Europa profitieren zu können. Allerdings kam es wiederholt zu Zahlungsausfällen für erfolgte Gaslieferungen, sodass die turkmenische Führung die Lieferungen zeitweise einstellte. Durch Konflikte mit Gazprom über Transitkonditionen kam der Erdgasexport 1998 kurzfristig fast komplett zum Erliegen – mit Ausnahme der Exporte in den Iran. Bis 2009 bezog Gazprom zunehmend Erdgas aus Turkmenistan, um die eigene Gasbilanz auszugleichen und die kostspielige sowie technisch komplizierte Erschließung von neuen Feldern in Russland hinauszuzögern. Mit der 2008 einsetzenden Finanz- und Wirtschaftskrise und der damit verbundenen geringeren Nachfrage benötigte Gazprom weniger turkmenisches Erdgas zur Deckung
Abb. 6: Erdgasexportpotenziale in der Kaspischen Region (© bpb)
Abb. 6: Erdgasexportpotenziale in der Kaspischen Region (© bpb)
seiner Exportverpflichtungen und zur Versorgung des russischen Marktes. Daher reduzierte Gazprom den Import von ca. 40 Mrd. m³ pro Jahr auf rund 10 Mrd. m³ jährlich.
Gegenwärtig beträgt der Anteil Aserbaidschans, Kasachstans, Turkmenistans und Usbekistans an der globalen Gasproduktion 4,6 Prozent. Dabei entfallen auf Aserbaidschan 0,5 Prozent, auf Kasachstan 0,6 Prozent, auf Turkmenistan 1,8 Prozent und auf Usbekistan 1,7 Prozent.
Der Verbrauch von Erdgas in Usbekistan und Turkmenistan ist im Vergleich zu 1991 gestiegen, während sich der Verbrauch Aserbaidschans und Kasachstans verringerte (Abbildung 5).
Turkmenistan verfügt über das größte Gasexportpotenzial, obwohl das Niveau von 1991 noch nicht wieder erreicht worden ist (Abbildung 6). Im Jahr 2011 betrug das Exportpotenzial 34,6 Mrd. m³.
Aserbaidschan und Kasachstan waren in der Vergangenheit Nettoimporteure von Erdgas. Inzwischen sind beide Länder Nettoexporteure mit einem Exportpotenzial von 6,7 Mrd. m³ bzw. 10 Mrd. m³. Das Potenzial Usbekistans betrug 2011 7,9 Mrd. m³.
Die Diversifizierung der Exportinfrastruktur
Aserbaidschan
Aserbaidschan lockte nach der Unabhängigkeit erfolgreich ausländische Investoren an. Mit deren Hilfe realisierte das Land mehrere Pipeline-Projekte zum Export von Öl und Gas. Im Jahr 2006 ging die Baku-Tiflis-Ceyhan Ölpipeline (BTC-Pipeline) in Betrieb. Die Pipeline mit einer Kapazität von 1,2 Mio. Barrel pro Tag verläuft von dem Ölfeld-Komplex Azeri-Chirag-Gunashli (ACG) vor der aserbaidschanischen Küste über Georgien zum Mittelmeerhafen Ceyhan in der Türkei. Von dort erfolgt der weitere Transport per Tanker. Durch die Inbetriebnahme der Pipeline konnten die Erdölexporte Aserbaidschans massiv gesteigert werden. Inzwischen werden ca. 80 Prozent der Ölexporte über die BTC-Pipeline realisiert. Ferner wird aserbaidschanisches Erdöl über die Baku-Noworossijsk Pipeline und die Baku-Supsa Pipeline exportiert. Die Baku-Noworossijsk Pipeline verläuft vom Sangachal Öl-Terminal zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk. Die Route der Baku-Supsa Pipeline verläuft von Baku zum georgischen Schwarzmeerhafen Supsa. Des Weiteren werden geringe Volumen per Bahn und LKW transportiert.
Darüber hinaus ist Aserbaidschan seit 2007 Nettoexporteur von Erdgas. Durch die Entdeckung des Gasfeldes Shah Deniz vor der aserbaidschanischen Küste konnte die Erdgasproduktion Aserbaidschans maßgeblich erhöht werden. Gegenwärtig exportiert Aserbaidschan Gas in die Türkei, nach Georgien, Russland und in den Iran. Die Exporte hatten im Jahr 2011 einen Umfang von 7,18 Mrd. m³. Sie erfolgen hauptsächlich über die im Jahr 2007 in Betrieb genommene Südkaukasus-Pipeline. Die Pipeline verläuft von Baku über Tiflis nach Erzurum in der Türkei und über weite Strecken parallel zur BTC-Pipeline. Erdgas nach Russland wird über die Ghazi-Magomed-Mozdok Pipeline exportiert. Bevor Aserbaidschan seine Erdgasproduktion steigern konnte, importierte es Erdgas aus Russland über diese Pipeline. Sie wurde technisch modifiziert, sodass nun Gasflüsse in die entgegengesetzte Richtung möglich sind.