Es ist nicht leicht, durch den Tag zu kommen, ohne Steuern zu zahlen. Schon morgens, egal ob man mit einem Kaffee startet oder mit dem Hund raus muss: Deutschland erhebt eine Kaffeesteuer, viele Gemeinden erheben eine Hundesteuer. Wer in den Supermarkt geht oder sich mittags einen Döner holt, zahlt Mehrwertsteuer. Und wer sich zum Feierabend auf das Gehalt freut, darf die Einkommensteuer nicht vergessen, die aus dem Bruttolohn das geringere Nettogehalt macht.
Mit den Steuereinnahmen finanziert der Staat unter anderem das Gemeinwesen: also etwa die Straßen, auf denen die Kaffeebohnen in den Supermarkt transportiert werden oder auf denen Hunde ausgeführt werden.
Auch im Bundestagswahlkampf geht es um Steuern. Steuern sind wieder ganz oben auf die politische Agenda gerutscht, weil die deutsche Wirtschaft kaum wächst. Das Bruttoinlandsprodukt, die jährliche Wirtschaftsleistung, hat sich zwar vom Einbruch in der Corona-Pandemie erholt, liegt aber ungefähr auf dem Niveau von 2019. In anderen Industrieländern ist das Bruttoinlandsprodukt im gleichen Zeitraum gewachsen. Die Parteien haben daher unterschiedliche Ideen, wie die Steuerpolitik der Wirtschaft helfen soll.
In der Steuerpolitik drücken sich grundsätzliche Differenzen in politischen Wertefragen aus. Ist es für eine Volkswirtschaft besser, wenn die Steuern im Zweifel niedriger sind, damit Bürger und Unternehmen frei mit ihrem Geld entscheiden können, was sie damit machen – oder sollte der Staat hier mehr steuern und entscheiden, wer und was über das Finanzamt gefördert wird? Wer wie viele Steuern zahlt, ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Unterschiedliche Verteilungen der Steuerhöhen werden als fair und angemessen bewertet, wie die Steuerdebatte im aktuellen Wahlkampf zeigt.
Wie haben sich Einnahmen und Ausgaben des Bundes zuletzt entwickelt?
Die Bundesrepublik hat 2023 Externer Link: laut amtlicher Statistik rund 918 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. Bald könnte es mehr als eine Billion Euro sein. Denn die Steuereinnahmen steigen in der Regel Jahr für Jahr, weil die Wirtschaft außerhalb von Krisenzeiten eben auch Jahr für Jahr wächst. Dagegen fallen in Wirtschaftskrisen die Einnahmen des Staates, wie durch die Finanzkrise ab 2008 oder in der Corona-Pandemie.
Die meisten Steuern nimmt der Staat über drei Wege ein: über die Mehrwertsteuer, die auch Umsatzsteuer genannt wird; über die Lohn- und Einkommensteuer; und über Steuern auf Unternehmensgewinne. Kaufen die Menschen mehr ein, steigen beispielsweise die Einnahmen über die Mehrwertsteuer. Sparen sie wegen einer Wirtschaftskrise stattdessen lieber und geben weniger Geld aus, sinken diese Staatseinnahmen. Wenn in einer Wirtschaftskrise dagegen Menschen arbeitslos werden und weniger Geld zur Verfügung haben, sinken die Staatseinnahmen, Langfristig gesehen steigen die Löhne und die Gewinne der Unternehmen, daher erhöhen sich auch die Steuereinnahmen aus diesen Quellen. Das erklärt, warum die Einnahmen des Staates Jahr für Jahr steigen, wenn nicht gerade Krise ist.
Auch die Ausgaben des Staates steigen in der Regel stetig. Das Geld, das der Staat einnimmt, gibt er in der Regel auch komplett wieder aus. Ausgeglichene Haushalte, die auch „schwarze Null“ genannt werden, sind selten, auch im Rest der Welt sind sie nicht so häufig . Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben wird typischerweise per Kredit geschlossen, also über Staatsschulden. Wie hoch dieser Kredit jährlich sein darf, regelt in Deutschland die Schuldenbremse.
Dass die Ausgaben des Staates steigen, muss aber nicht heißen, dass der Staat tatsächlich auch mehr Geld zur Verfügung hat. Die Inflation macht nicht nur den Döner und alle anderen Dinge im Leben teurer, auch der Staat muss die steigenden Preise bezahlen. Um die Entwicklung der Staatseinnahmen besser zu verstehen, kann man daher auf die Steuerquote schauen. Sie zeigt den Anteil der staatlichen Einnahmen am Bruttoinlandsprodukt. Dieser Wert ist deutlich stabiler als es der reine Blick auf die Steuereinnahmen nahelegt.
Die Steuerquote bewegt sich seit 2000 zwischen 20,5 und 24,5 Prozent. 2023 lag der Wert bei rund 23 Prozent, was auch im historischen Vergleich ein typisches Niveau ist. Sowohl 1960 als auch 1970 hatten die Steuern Externer Link: laut Bundesfinanzministerium ebenfalls einen Anteil von 23 Prozent am damaligen Bruttoinlandsprodukt. Ob man das angemessen oder viel oder wenig findet, ist eine Frage der politischen Grundüberzeugung.
Da Deutschland ein föderaler Staat ist, gehen nicht alle Steuereinnahmen an den Bund. Die kommende Bundesregierung muss die Staatskasse mit den 16 Bundesländern und den Gemeinden teilen. Wie genau, ist bei jeder Steuer einzeln geregelt. Im Bundeshaushalt landeten 2023 rund 39 Prozent, das waren rund 356 Milliarden Euro. Will eine Bundesregierung die Steuergesetze ändern, braucht sie daher meistens die Zustimmung der Länder im Bundesrat – eben, weil viele Einnahmen auch an die Länder fließen. Die Länder geben das Geld beispielsweise aus für die Schulen und Universitäten, aber auch für Gerichte oder die Polizei.
Nicht berücksichtigt in dieser Statistik sind die Sozialabgaben. Das sind die Abzüge vom Lohn für die Rente, die gesetzliche Krankenversicherung, für die Arbeitslosenversicherung und für die Pflege. Auch die Unternehmen zahlen in diese Sozialkassen ein. Die Sozialbeiträge werden wie die Lohnsteuer automatisch vom Bruttogehalt abgezogen.
Vor welchen Herausforderungen steht der deutsche Steuerstaat?
Eine Bundesregierung kann nicht völlig frei über den Haushalt entscheiden, denn viele Ausgaben sind gesetzlich festgelegt. Das schränkt den politischen Spielraum ein. Vor allem der demografische Wandel spielt hier eine Rolle, also die Tatsache, dass die Deutschen im Durchschnitt immer älter werden. Denn Externer Link: das meiste Geld aus dem Bundeshaushalt fließt schon heute in das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Das Ministerium gibt den größten Teil davon direkt weiter: vor allem an die Rentenkasse. Rund 121 Milliarden Euro hat der Bund 2023 an die Rentenversicherung gezahlt. Das waren über ein Viertel des gesamten Bundeshaushalts.
Politisch umstritten ist, wie viele Zukunftsinvestitionen der Staat übernehmen und wie das finanziert werden soll. Hier geht es um Investitionen in Klimaschutz und in erneuerbare Energien sowie in Infrastruktur, also in bessere Handynetze, in Straßen und Schienen. Wie viel davon soll der Staat finanzieren – und wie? Wer diskutiert, wie diese Fragen zu lösen sind, diskutiert immer auch über viel Geld und damit über Steuerpolitik.
Das zeigt auch das Beispiel der Bundeswehr. Die zerbrochene Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte über ein sogenanntes Sondervermögen der Bundeswehr 100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, also über Schulden. Wenn auch die nächste Regierung mehr Geld in die Bundeswehr stecken will, muss sie entscheiden, wie sie das finanziert: über mehr Steuern, über neue Schulden oder über Kürzungen an anderer Stelle im Haushalt.
Wie sehen die Steuerreformpläne der Parteien aus?
Die Union von CDU und CSU möchte die Steuern für Einkommen und Unternehmen senken. Außerdem will die Union den Solidaritätszuschlag streichen, der auch Soli genannt wird und nach der Wiedervereinigung eingeführt wurde. Die Mehrwertsteuer im Restaurant soll von 19 auf 7 Prozent sinken.
Die SPD will ebenfalls die Einkommensteuer senken, für Spitzenverdiener soll die Steuer jedoch steigen. Steuern für Unternehmen sollen nicht sinken, aber Firmen sollen einen Steuerbonus bekommen, wenn sie investieren. Höher besteuern möchte die SPD Erben und Vermögen. Die Mehrwertsteuer für Lebensmittel im Supermarkt soll etwas sinken.
Die Grünen wollen ebenfalls Erben und Vermögen höher besteuern. Niedrige Einkommen sollen Steuergutschriften bekommen. Unternehmen sollen ähnlich wie bei der SPD eine steuerliche Investitionsprämie erhalten.
Die AfD möchte die Steuern für Einkommen und Unternehmen senken. Die AfD ist gegen die jährlich fällige Grundsteuer und die Grunderwerbsteuer, die beim Kauf eines Grundstücks gezahlt werden muss. Die AfD will außerdem die Erbschaft- und die Vermögensteuer, die seit 1997 ausgesetzt ist, abschaffen.
Die FDP möchte die Einkommensteuer deutlich stärker senken als die CDU. Sie möchte ebenfalls die Unternehmenssteuer senken, den Soli abschaffen und die Mehrwertsteuer im Restaurant reduzieren.
Das BSW will ebenfalls die Einkommensteuer stark senken. Renten bis 2000 Euro sollen steuerfrei sein und eine Vermögensteuer soll eingeführt werden.
Die Linkspartei will die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel streichen. Die Einkommensteuer soll sinken, Spitzenverdiener sollen aber mehr zahlen. Zudem möchte die Linke eine Reichensteuer und eine Vermögensteuer einführen.
Wie würden die Steuerpläne Bevölkerung und Unternehmen betreffen?
Viele Parteien möchten die Einkommensteuer senken. Betroffen von ihr sind alle, die ein Gehalt von über etwa 12.000 Euro pro Jahr beziehen, also Millionen Menschen in Deutschland. Die Einkommensteuer gehört zu den größten Einnahmequellen des Staates. Sie auch nur ein bisschen zu reduzieren, verringert das Steueraufkommen insgesamt um Milliarden Euro. SPD und Grüne wollen daher im Gegenzug die Steuern für diejenigen erhöhen, die am meisten verdienen oder besitzen. Solche Steuerpläne sind also auch ein Mittel der Umverteilung.
CDU/CSU und FDP wollen die Einkommensteuer aus einer anderen Motivation heraus senken: Das soll dem Wirtschaftswachstum helfen. Wenn die Menschen weniger Geld ans Finanzamt abgeben müssen, haben sie mehr zur Verfügung, um einkaufen zu gehen. Das soll den Konsum stärken und damit die Volkswirtschaft ankurbeln. Außerdem wollen die Parteien Arbeit auf diese Weise attraktiver machen. In vielen Unternehmen fehlen Arbeitskräfte. Lohnt sich Arbeit mehr, soll das gegen diesen Mangel helfen. Insgesamt soll das Wirtschaftswachstum steigen und damit am Ende auch wieder die Steuereinnahmen.
Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei den Plänen für die Unternehmenssteuern. Konzerne zahlen hierzulande 30 Prozent auf ihren Gewinn. CDU/CSU und FDP finden das im internationalen Wettbewerb zu hoch. Internationale Investoren würden ihr Kapital somit im Zweifel lieber in anderen Staaten investieren. Die Parteien wollen daher die Körperschaftsteuer um fünf Prozentpunkte senken. Auch bereits in Deutschland angesiedelte Unternehmen hätten der Argumentation zufolge dann mehr Geld zur Verfügung, um zu investieren. Der Gedanke dahinter: Wenn Firmen mehr in Deutschland investieren, hilft auch das wieder dem Wirtschaftswachstum und kann somit helfen, die Steuersenkung zu finanzieren.
SPD und Grüne haben hier einen anderen Ansatz. Statt die Steuer für Unternehmen zu senken, wollen sie Investitionen steuerlich fördern. Kauft eine Firma eine neue Maschine, soll sie zehn Prozent des investierten Geldes soll über die Steuer erstattet bekommen. Davon erhoffen sich die Parteien, Investitionen treffsicherer zu fördern als über eine allgemeine Steuersenkung. Allerdings würden auch Unternehmen den staatlichen Bonus bekommen, die auch ohne ihn eine neue Maschine gekauft hätten.
Bis zur Bundestagswahl am 23. Februar wird weiterhin über Steuerpolitik diskutiert. Sicher ist schon jetzt: Es stehen unterschiedliche Reformen zur Wahl.