Die Überschwemmungen im Frühsommer 2013 haben die tiefe Verwundbarkeit gegenüber dem Naturereignis Hochwasser wieder einmal deutlich werden lassen: alleine in Deutschland acht Tote, geschätzte Schäden in Höhe von 8 Milliarden Euro und nicht mit Geld aufzuwiegende persönliche Verluste (z.B. BMI 2013). Besonders betroffenen waren die Flusseinzugsgebiete von Donau und Elbe.
Betrachtet man die letzten großen Hochwasser an diesen Flüssen, rückt die Frage in den Vordergrund, ob seitdem nicht genügend für den Hochwasserschutz getan wurde. An der Donau kam es 1999, 2002 sowie 2005 zu großen Hochwassern und an der Elbe sprach man nach der Katastrophe im August 2002 sogar von einer "Jahrhundertflut". In den letzten 10 bis 15 Jahren wurden in beiden Flussgebieten große Anstrengungen unternommen, den Hochwasserschutz zu verbessern. Zahlreiche Strategien und Konzepte wurden erarbeitet, Gesetze angepasst und erlassen, Behörden umstrukturiert und neu geschaffen sowie enorme Steuermittel in den Hochwasserschutz investiert.
Das Management von Hochwasserrisiken
In der Wissenschaft werden eine Reihe von
Trotz der vielfältigen Anstrengungen seit 2002 sind auch im Jahr 2013 wieder große Schäden entstanden. Eine Ursache dafür war, dass eine Reihe von Maßnahmen nicht vorangekommen sind. Gerade die technischen Hochwasserschutzmaßnahmen, wie der Bau, die Erhöhung und Rückverlegung von Deichen oder der Bau von Poldern benötigen viel Zeit. Von den ersten Planungen bis zur Realisierung können zehn Jahre vergehen. Wie bei allen großen Bauvorhaben und Infrastrukturmaßnahmen (wie z.B. auch Stuttgart 21) ist eine Beteiligung der betroffenen Bevölkerung rechtlich vorgeschrieben (Raumordnungsverfahren, Planfeststellungsverfahren; geregelt auch durch die
Interessenkonflikte und Interessenträger
Generell können fünf Interessengegensätze bei Hochwasserschutzmaßnahmen hervorgehoben werden (siehe Zehetmair 2012):
Für Deichrückverlegungen oder Polderbauten sind große Flächen nötig. Da Wohn- und Gewerbegebiete dafür nicht zur Verfügung stehen, müssen zumeist landwirtschaftlich genutzte Flächen verwendet werden. Die betroffenen Landwirte stehen solchen Maßnahmen daher oft zunächst ablehnend gegenüber. Dabei geht es zumeist um finanzielle Interessen der Landwirte, die sie sich umfangreich entschädigen lassen wollen. Um Deichrückverlegungen trotz der Widerstände der Landwirte durchsetzen zu können, bringt der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die Möglichkeit schnellerer Enteignungen in die aktuelle politische Diskussion ein (Issig 2013).
Eine wirksame Maßnahme, das Schadenpotenzial nicht weiter ansteigen zu lassen, ist ein Bauverbot in den hochwassergefährdeten Gebieten (z.B. geregelt im Wasserhaushaltsgesetz, Externer Link: § 78 WHG). Durch eine konsequente Anwendung des Bauverbotes würden jedoch die Werte der betroffenen Grundstücke sinken. Auch den Städten und Gemeinden würde mögliches Bauland für die zukünftige Siedlungsentwicklung verloren gehen. Dies kann in manchen Fällen zu Ausnahmen und damit zu Baugenehmigungen in hochwassergefährdeten Gebieten führen.
Ein dritter Interessenskonflikt kann zwischen Hochwasserschutz und Denkmalschutz entstehen. Nach dem Augusthochwasser 2002 wurden in einigen denkmalgeschützten Städten entlang der Elbe technische Hochwasserschutzmaßnahmen geplant. In historischen Innenstädten sind die Hochwassermauern oft mit dem Denkmalschutz nur schwer zu vereinbaren. Während dies in der Dresdner Innenstadt gelungen ist, gab es beispielsweise um den Hochwasserschutz der Stadt Grimma langwierige Auseinandersetzungen (vgl. z.B. Zehetmair 2012, S. 224-225).
Nicht selten rufen die Planungen der Hochwasserschützer enormen Widerstand in der Bevölkerung hervor. Die fehlende Akzeptanz für Hochwasserschutzmaßnahmen erscheint auf den ersten Blick unverständlich: Sind es doch genau diese Maßnahmen, die den Schutz der Bevölkerung vor der nächsten Überschwemmung gewährleisten. Auf die Verlegung von Deichen ins Hinterland, und damit deutlich näher an die Wohnhäuser, reagieren die Bürgerinnen und Bürger häufig abwehrend oder ängstlich. Zwar gibt es eine grundsätzliche Zustimmung zu Hochwasserschutzmaßnahmen, diese sollen aber besser an anderen Stellen realisiert werden, als vor der eigenen Haustür.
Akzeptanzprobleme werden häufig recht schnell auf die politische Ebene übertragen und führen dadurch im extremsten Fall zur Einstellung von Planungen. Dies ist ein Grund für die schleppende Umsetzung von Deichrückverlegungen und Polderbauten. Auch die Verzögerungen bei der Fertigstellung von Hochwasserschutzmauern in Städten lässt sich nicht selten auf Widerstände aus der Bevölkerung zurückführen. So verzögerte sich der Hochwasserschutz in der oben bereits angesprochenen Stadt Grimma auch aufgrund von Bürgerprotesten. Dadurch konnten die Baumaßnahmen an der Hochwasserschutzmauer zwar inzwischen begonnen werden, die Fertigstellung ist jedoch erst für das Jahr 2017 vorgesehen (Baldauf 2013).
So kam es, dass Grimma auch elf Jahr nach der Überflutung von 2002 noch über keinen Hochwasserschutz verfügt und das Hochwasser 2013 wieder in die Altstadt fließen konnte. Solche Verzögerungen sind keine Einzelfälle, so dass Politiker, wie der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich im Fall Grimma (Baldauf 2013), bereits diskutieren, die Bürgerbeteiligung bei Hochwasserschutzmaßnahmen einzuschränken oder ganz aufzuheben.Ein weiterer grundlegender Interessengegensatz im Hochwassermanagement stellt die sogenannte Oberlieger-/Unterlieger-Problematik dar: Akteure am Oberlauf eines Flusses haben zumeist wenig Interesse daran, schützende Maßnahmen vorzubereiten und umzusetzen, die den weiter flussabwärts liegenden Gebieten zugute kommen. Verschärft wird das Problem durch die Aufteilung der staatlichen Zuständigkeiten im Hochwasserschutz in Deutschland. Ganz überwiegend fallen sie in den Aufgabenbereich der Kommunen (Städte, Gemeinden und Kreise) sowie der Bundesländer. Besonders deutlich wird dieses Zuständigkeitsproblem bei den großen Flüssen wie der Elbe oder dem Rhein. Sie durchfließen eine Vielzahl von Städten, Ländern (die Elbe fließt in Deutschland durch insgesamt sieben Bundesländer) und sogar Staaten.
Verschärfend wirkt bei derartigen Interessenkonflikten, dass die jeweiligen Anliegen nicht nur von einzelnen Personen, sondern ebenso von Organisationen und gerade im politischen Geschäft auch von Interessenverbänden, z.B. Landwirtschaftsverbänden oder Bürgerinitiativen vertreten werden.