Seit Ende der 1990er-Jahre hat eine Serie verheerender Hochwasser in vielen Teilen Europas erhebliche Schäden angerichtet. Besonders betroffen waren die Flusseinzugsgebiete von Donau, Elbe, Oder und Weichsel, aber auch der Alpenraum, die Iberische Halbinsel und die Britischen Inseln. Angesichts des Klimawandels ist abzusehen, dass die Hochwassergefahr in Europa weiter zunehmen wird. Aus diesem Grund hat die Europäische Union 2007 die sogenannte Externer Link: Richtlinie über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken erlassen, welche einen einheitlichen Rahmen zur Verringerung der Hochwasserrisiken in Europa setzen soll.
Die deutsche Kurzbezeichnung lautet Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM-RL). Wie alle Richtlinien der EU musste sie, um in den Mitgliedstaaten wirksam zu werden, zunächst in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland erfolgte dies im Wasserhaushaltsgesetz (Externer Link: §§ 72-75, 79-81 WHG).
Grundlegende Ansätze der Richtlinie
Ziel der Richtlinie ist es, die Auswirkungen von Hochwasser auf die vier Schutzgüter menschliche Gesundheit, Umwelt, kulturelles Erbe und wirtschaftliche Tätigkeiten so weit wie möglich zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgt die Richtlinie unter anderem folgende Ansätze:
Die HWRM-RL zielt auf ein umfassendes Management der Hochwasserrisiken. Es geht ihr dabei nicht nur um klassische Schutzmaßnahmen, wie den Bau von Deichen oder Rückhaltebecken. Vielmehr erfasst sie alle Handlungsfelder, die mittelbar oder unmittelbar der Verringerung von Hochwasserrisiken dienen.
Bei Fließgewässern wird dazu grundsätzlich das gesamte Flusseinzugsgebiet von der Quelle bis zur Mündung, einschließlich aller Nebenflüsse, betrachtet.
Alle Aktivitäten zur Umsetzung der Richtlinie müssen über Staats-, Länder- und Verwaltungsgrenzen hinweg abgestimmt werden.
Die Richtlinie schreibt keine bestimmten Ziele und Maßnahmen vor, sondern überlässt ihre konkrete Festlegung den EU-Mitgliedstaaten.
Die zur Umsetzung der Richtlinie erstellten Karten und Pläne sind regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren.
Arbeitsschritte zur Umsetzung der Richtlinie
Die HWRM-RL soll in drei Schritten umgesetzt werden:
1. Ermittlung der Risikogebiete
Bis Ende 2011 waren von den EU-Mitgliedstaaten Gebiete mit potentiell signifikantem Hochwasserrisiko, die so genannten Risikogebiete, zu ermitteln. Dazu wurden vergangene Hochwasser analysiert und Prognosen erstellt, mit welchen Hochwassern und deren Auswirkungen künftig zu rechnen ist.
2. Erstellung von Gefahren- und Risikokarten
Für die ermittelten Risikogebiete sind bis Ende 2013 Gefahren- und Risikokarten zu erstellen. Dabei stellen die Gefahrenkarten vor allem das erwartete flächenhafte Ausmaß der Überflutung dar, während die Risikokarten die möglichen nachteiligen Folgen auf die genannten vier Schutzgüter erfassen sollen. Dementsprechend enthalten die Risikokarten zum Beispiel Informationen zur Zahl der betroffenen Einwohner, zu Schutzgebieten und Kulturdenkmälern oder zur Art der wirtschaftlichen Tätigkeiten in dem betroffenen Gebiet.
Sowohl Gefahren- als auch Risikokarten sind für verschiedene Szenarien zu erstellen, die über die statistische Eintrittswahrscheinlichkeit von Hochwassern definiert werden.
3. Erstellung von Risikomanagementplänen
Als letzter Schritt müssen bis Ende 2015 so genannte Risikomanagementpläne aufgestellt werden. Diese dienen dem Zweck, die nachteiligen Folgen von Hochwassern in den Risikogebieten soweit zu verringern, wie dies praktisch möglich und mit verhältnismäßigen Mitteln erreichbar ist.
Dazu werden zunächst angemessene Ziele für das jeweilige Risikogebiet festgelegt Dies kann zum Beispiel der Schutz einer Siedlung vor einem Hochwasser mittlerer Wahrscheinlichkeit sein. Auf der Grundlage von Kosten-Nutzen-Analysen werden anschließend Maßnahmen bestimmt, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, z.B. der Bau einer Hochwasserschutzmauer.
Entsprechend dem umfassenden Ansatz der Richtlinie dienen Risikomanagementpläne nicht nur der Gefahrenabwehr im Hochwasserfall, sondern auch der Vermeidung von Risiken im Vorfeld eines Hochwassers sowie der Nachsorge nach einem Ereignis. Sie enthalten daher nicht nur die Maßnahmen des klassischen Hochwasserschutzes wie den Bau von Deichen und Hochwasserrückhaltebecken oder die Wiederherstellung von natürlichen Rückhalteflächen in den Flussauen. Sie schließen auch Aspekte wie die Hochwasservorhersage, die Einrichtung von Frühwarnsystemen, die Aufstellung von Gefahrenabwehrplänen, die Festsetzung von Bauverboten in hochwassergefährdeten Bereichen, Methoden der Bodenbearbeitung oder die Information der Öffentlichkeit ein. Auch zum Umgang mit verbleibenden Hochwasserrisiken sollen die Risikomanagementpläne Aussagen treffen.
4. Aktualisierung
Die Risikomanagementplanung endet nicht mit der einmaligen Erstellung von Risikomanagementplänen: Jeweils im Sechs-Jahres-Rhythmus sind die Risikogebiete, die Gefahren- und Risikokarten sowie die Risikomanagementpläne zu überprüfen und, soweit erforderlich, zu aktualisieren. Dabei ist auch den voraussichtlichen Auswirkungen des Klimawandels Rechnung zu tragen.
Koordinierung
Die Umsetzung der HWRM-RL bedarf einer umfassenden Koordinierung auf allen Ebenen:
Damit die Richtlinie europaweit einheitlich angewendet wird, müssen sich die EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission zunächst über gemeinsame Grundsätze zu ihrer Umsetzung verständigen (Externer Link: Common Implementation Strategy (CIS)).
Die in diesem Prozess gefundenen allgemeinen Grundsätze werden für Deutschland durch die Externer Link: Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), in der alle Bundesländer und der Bund vertreten sind, an die deutschen Bedürfnisse angepasst.
Die Abstimmung der konkreten Arbeitsschritte zur Umsetzung der Richtlinie innerhalb der grenzüberschreitenden Flusseinzugsgebiete findet vor allem in Externer Link: internationalen Flussgebietskommissionen statt, die es unter anderem für die Externer Link: Donau, die Externer Link: Elbe oder den Externer Link: Rhein gibt. Innerhalb Deutschlands erfolgt diese Abstimmung in erster Linie in den so genannten Flussgebietsgemeinschaften (z.B. Externer Link: FGG Elbe), an denen alle Bundesländer, die ganz oder teilweise in einem Flusseinzugsgebiet liegen, beteiligt sind.
Auch innerhalb der Bundesländer muss die Abstimmung über Verwaltungsgrenzen hinweg erfolgen. Dies ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich organisiert. In der Regel erfolgt die Gesamtkoordinierung durch das jeweilige Umweltministerium.