Menschen und Tiere leben seit „Menschengedenken“ in unterschiedlichen Beziehungsgefügen zusammen: Tieren sind Haustiere, Begleiter, Nutztiere usw. Doch diese Rollen haben selbstverständlich vielfältige Ausprägungen, denn ein Hund als Haustier ist zugleich der Freund des Menschen, Spielgefährte der Kinder usw. Er kann aber auch (oder zusätzlich) Rettungs-, Hüte-, Spür-, Jagd-, Such- oder Wachhund sein. So kennen wir eine Vielfalt an Aufgaben für unsere tierlichen Begleiter, die aus ihren jeweiligen Fähigkeiten resultieren (Brieftauben, Jagdfalken etc.). Wir nutzen ihre Produkte, respektive ihre Körperlichkeit als Quelle für Ressourcen (Nahrung, Kleidung, Medizin, Werkzeuge, Transplantationen.
Für die Forschung bieten uns Beobachtungen von Tieren in Natur oder Untersuchungen und Versuche im Labor wichtigen Aufschluss, für unser Selbstverständnis, aber auch für das der Tiere bzw. Durch die Forschung erreichen wir Fortschritte in Medizin, Verhaltensforschung, Kognitionswissenschaft, aber auch in gesundheitlicher, kosmetischer oder wirtschaftlicher Hinsicht. Ein großer Teil der sog. Tiere verbrauchenden Forschung und Ausbildung konnte bspw. in den vergangenen Jahrzehnten der Genforschung zugerechnet werden. Hier geht es um Grundlagenforschung für neue Verfahren der Gentherapie. Für alle Formen der Tierversuche oder der Eingriffe in das Erbgut müssen mittlerweile Genehmigungen bei Tierschutzkommissionen beantragt werden. Trotzdem sind die Grenzen von sinnvollen oder aussichtslosen bis hin zu überflüssigen Versuchen nicht immer ganz deutlich auszumachen. Insgesamt gilt daher die 3-R-Regelung, nach der geprüft werden soll, ob die geplante Tiernutzungen ersetzt (replace), reduziert (reduce) und in Hinsicht auf das Leiden verbessert werden könnten (refine). Damit kann eine ethische Überlegung in sämtliche Bereiche der Tiernutzung – insbes. in den Bereich der Tierversuche – aufgenommen werden.
Einschätzungen von Einzelprojekten müssen selbstverständlich von Spezialisten durchgeführt werden, so beim Test von Lebensmittelzusätzen oder Medikamenten sowie beim Einsatz neuer technischer Apparaturen bzw. medizinischer Prozesse (Hirnsonden, Chemotherapien, Bestrahlungen, Abgasuntersuchungen...). Auch zu der Frage, ob die Ergebnisse überhaupt auf Reaktionen menschlicher Probanden übertragen werden sollen, wird nach wie vor stark diskutiert – wären vereinzelt vielleicht Humanexperimente vertretbar? Außerdem muss in Einzelfällen abgewogen werden, ob Tierwohl geopfert werden darf, um in einzelnen Bereichen von Wissenschaft und Medizin neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Solche Abwägungen sind auch die Grundlage für ethische Stellungnahmen im Bereich der Unterhaltung und Bildung: Darf das Tierwohl gegen die Freude von Zuschauern in Zirkus oder Zoo aufgerechnet werden? Hat das Tier selbst Spaß oder wird es zu bestimmten Darstellungen gezwungen?
Rituelle und gesellschaftlich akzeptierte Tiernutzungen (bspw. Stierkampf) werden aus Sicht von Tierrechtlern kritisch hinterfragt, erhalten jedoch oft einen Sonderstatus als kulturell tradierte Praktiken – so wurde in Deutschland lange über das „Schächten“ diskutiert, bevor ein Verbot bzw. eine Einschränkung auf besondere religiöse Vorschriften beschlossen wurde. Bei der Debatte über das Töten von Tieren und über die Nutzung/Ausbeutung in Bezug auf ihr Fleisch, ihre Haut, Knochen, Sehnen oder auf ihre Produkte (Milch, Eier, Wolle…) darf eines nicht vergessen werden: Tierhaltung und Tiertransport sollten in der Debatte an erster Stelle stehen. Denn es sind die Haltungsbedingungen, die letztlich darüber entscheiden, ob ein Tier über lange Zeit hinweg ein freudvolles oder leidvolles Leben verbringen durfte.
Ein plötzlicher und garantiert schmerzloser Tod nach einem langen und erfüllten Leben ist also nicht der eigentliche Streitpunkt in der Tierethik. Der Transport sowie der halb-mechanisierte Weg durch die Tötungsstraße großer Schlachtanlagen führen zu erheblichem Stress und Todesangst. Qualitative Momente und quantitative Bedingungen des Lebens eines Tiers hängen also offensichtlich direkt miteinander zusammen: Dass die Herstellung von Fleisch- sowie von sekundären Tierprodukten wie Milch, Eier etc. derzeit nur in großen Mengen und unter Einhaltung lediglich von Mindeststandards in der Haltung für die Landwirte rentabel ist, führt für die tierlichen Individuen millionenfach zu grausamen Lebensbedingungen als eine Ware in einer standardisierten Massenabfertigung. Da von allen Beteiligten seit Jahren auf diese Missstände reagiert wurde, lässt sich eine Tendenz feststellen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, z.B. durch mehr Kontrolle.
Hier spielt auch das Individuum eine Rolle. Welche Bedürfnisse und Interessen habe ich? Wie beeinflussen sie die Haltung und Schlachtung von Tieren? Welche Bedürfnisse und Interessen haben die Beschäftigten und ihre Familien in der Landwirtschaft? Jagt jemand aus Spaß oder aus Gründen der Hege und Pflege des Wildbestands (Jagd kann als Freizeitsport oder als „therapeutische“ Regulation des Wildbestandes praktiziert werden)? Aus Sicht der Ethik darf es keinen Unterschied in Fragen des Tierwohls machen, ob ein Tier zu einem vorbestimmten Zweck gezüchtet wurde oder nicht. Es gilt daher, die Verhältnisse sachlich aufzuarbeiten, eine breite Debatte zu führen und neue Perspektiven zu gewinnen, um Vorurteilen entgegenzuwirken. So kann auch die Vielfalt an Perspektiven adäquat in die Entwicklung der Tiernutzung des 21. Jahrhunderts aufgenommen werden, um auf diesem Weg politische Rahmenbedingungen zu gestalten.