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Grüne Gentechnik und gesellschaftliche Verantwortung | Bioethik | bpb.de

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Grüne Gentechnik und gesellschaftliche Verantwortung Standpunkt Friedrich Berschauer

Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Berschauer

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Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Berschauer von der Bayer CropScience AG erörtert den Beitrag Grüner Gentechnik für eine nachhaltige Landwirtschaft. Gesellschaftliche Verantwortung, Normen und Werte sollten dabei die Wertebasis unternehmerischen Handelns sein.

Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Berschauer

Biotechnologie begleitet den Menschen seit tausenden von Jahren vor allem im Bereich der Nahrungs- und Genussmittelherstellung. Gentechnik, die gezielte Übertragung von Erbgut zwischen Organismen, hat seit dem ersten gentechnischen Experiment im Jahr 1973 in den USA zur wachsenden Bedeutung moderner Biotechnologie beigetragen. Gleichzeitig wurden bestimmte Anwendungen zunehmend von intensiven Risikodebatten und teilweise emotional geführten gesellschaftlichen Diskussionen begleitet, beispielsweise der Einsatz der Gentechnik an Pflanzen, der so genannten "grünen Gentechnik". Die zurückliegenden Erfahrungen überschüssiger Agrarproduktion der westlichen Welt bewirkten zudem, dass der Beitrag der grünen Gentechnik zur Leistungsfähigkeit nachhaltiger Landwirtschaft in einigen industrialisierten Ländern zunächst wenig Beachtung fand.

Heute werden hingegen von der Landwirtschaft enorme und vielfältige Aufgaben verlangt, von der Ernährung einer wachsenden Bevölkerung, der Bereitstellung klimafreundlicher Energierohstoffe bis hin zur Gestaltung landschaftlicher Kulturräume. Dies beinhaltet weitreichende ökologische, ökonomische und soziale Fragestellungen. Zweifellos ist dabei die Ernährung von immer mehr Menschen eine der dringlichsten Aufgaben unserer Zeit. Angesichts globaler Herausforderungen ist ein solidarisches Bewusstsein gefragt: Damit eine sachgerechte gesellschaftliche Übereinkunft über den Beitrag grüner Gentechnik möglich wird, müssen eingefahrene Diskussionsmuster aufgelöst, alternative Positionen mit Respekt und Toleranz betrachtet und gemeinsame Wertvorstellungen aufgezeigt werden.

Wertebasis unternehmerischen Handelns

Ethisch-moralische Werte sind normative Grundlagen eines verantwortungsfähigen Miteinanders. Der Respekt vor dem Leben und der Würde des Menschen sind dabei von grundlegender Bedeutung. Ethisches Verhalten und Rechtstreue sind in gleicher Weise ein fundamentaler Schlüssel langfristig erfolgreicher Unternehmensstrategie. Leitbilder und Positionen geben Orientierung nach innen und verdeutlichen nach außen, wofür z.B. ein Unternehmen steht.

Zukunftsfähigkeit braucht den Willen, Herausforderungen zu meistern und dabei Ökonomie, Ökologie und sozialen Bedürfnissen gerecht zu werden. Jahrtausende alte Erkenntnis hat uns gelehrt, dass nicht Stillstand sondern Fortschritt Zukunftsfähigkeit ermöglicht. Innovative und nachhaltige Landwirtschaft entspricht daher unserer kulturellen Tradition. Insofern können Innovation in Pflanzenschutz, -züchtung und grüne Gentechnik dazu beitragen, Landwirtschaft zukunfts- und bedarfsorientiert weiterzuentwickeln.

Unternehmerische Innovationen können von großer wirtschaftlicher Tragweite sein. Sie beeinflussen Sicherheit und Wohlergehen von Mitarbeitern, Kunden und Gemeinwesen. Erfindungen und Patente sind daher wertvoll und Lohn für hohe Forschungsaufwendungen. Patente fördern auch universitären und industriellen Fortschritt: Ohne Patentschutz käme es zu einer längstmöglichen Geheimhaltung von Erfindungen, um sich vor Mitbewerbern zu schützen. Die Publikation von Patentanmeldungen bewirkt dagegen eine rasche Verbreitung von Wissen.

Die Bewertung von Nutzen und Risiken bestimmt die individuelle und gesellschaftliche Akzeptanz neuer Technologien. Sie ist auch wesentlich bei der Entwicklung von Produkten. So sind die Prüfung von Produkten in jeweils bekannten Anwendungen und ihre Überwachung hinsichtlich möglicher Risiken für Gesundheit, Sicherheit, Qualität und Umwelt ein wichtiges Element unternehmerischer Verantwortung. Dabei ist der Schutz der Umwelt, ihrer Ökosystemleistung und biologischen Vielfalt gleichzeitig für Wohlbefinden, Naturwissenschaft und Innovationen grundlegend.

Gesellschaftliche Bedenken gegenüber gentechnisch veränderten Organismen verdienen ebenso Respekt wie das Verbraucherrecht auf Information und freie Lebensmittelwahl: Informationen ermöglichen vorurteilsfreie Teilhabe an gesellschaftlicher Meinungsbildung. Eine Kennzeichnung des Einsatzes gentechnischer Methoden bei der Lebensmittelherstellung kann so zu Vertrauen und Akzeptanz beitragen. Ethisches Verhalten bedeutet auch, unterschiedliche Meinungen zu achten und einen offenen Dialog über strittige Themen wie die grüne Gentechnik zu fördern.

Normen eröffnen Handlungsmöglichkeiten in Konfliktsituationen

Individuelle Nutzen- und Risikobewertungen neuer Technologien sind Ausdruck unserer pluralistischen Gesellschaft. Damit sich in Konfliktsituationen Handlungsmöglichkeiten eröffnen, müssen Normen entwickelt werden, sachlich begründet und überprüfbar sein. So gibt es auch für die Marktzulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel in Regionen wie Nord- und Südamerika, China, Südafrika, Australien oder Europa umfangreiche regulatorische Anforderungen.

Europaweit wird das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermittel sowie deren Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit durch die Verordnungen (EG) Nr. 1829/2003 bzw. 1830/2003 geregelt. Für jeden direkten Einsatz gentechnisch veränderten Materials in Lebens- und Futtermitteln besteht Kennzeichnungspflicht, unterhalb eines Schwellenwertes von 0,9 Prozent nicht. Die Freisetzung gentechnisch veränderter, so genannter "transgener" Pflanzen wird durch die Freisetzungs-Richtlinie 2001/18 festgelegt. Auswirkungen auf Mensch und Umwelt werden in umfassenden Risikoprüfungen vor der Zulassung und mit speziellen Beobachtungsplänen auch noch nach der Zulassung bewertet.

Für die Zuverlässigkeit der Zulassungsverfahren spricht, dass laut einer Studie des europäischen Joint Research Centre kein wissenschaftlicher Beleg für eine Gesundheitsgefahr bei den in der EU zugelassenen gentechnisch veränderten Lebensmitteln besteht. Dies korreliert mit Aussagen renommierter Organisationen wie z.B. der Weltgesundheitsorganisation. Viele Wissenschaftsakademien weltweit folgern ebenfalls, dass die auf dem Markt befindlichen gentechnisch veränderten Lebensmittel ebenso sicher sind wie herkömmliche.

Für die Koexistenz, d.h. das Miteinander von Anbauformen mit und ohne Gentechnik, hat die EU Leitlinien erlassen, die durch jedes Mitgliedsland in nationale Regelungen umzusetzen sind. Studien weisen darauf hin, dass Koexistenz möglich ist. Vorraussetzung ist ein einheitlicher und praktikabler Kennzeichnungsschwellenwert für Saatgut, da er eine Bezugsgröße für eine gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft darstellt. Eine Schwellenwertregelung für Saatgut gibt es in Europa derzeit nicht.

Beitrag grüner Gentechnik für eine nachhaltige Landwirtschaft

Für 2050 wird eine weltweite Bevölkerungszunahme auf ca. neun Mrd. Menschen erwartet. 80 Prozent der Menschen leben in Entwicklungsländern. Davon sind 60 bis 90 Prozent landwirtschaftlich tätig. In entwickelten Ländern sind es nur 2 bis 4 Prozent, wobei vergleichsweise hohe Flächenerträge und hochwertige Ernten erzielt werden. Dies weist auch auf Vorteile leistungsfähiger Landwirtschaft und eine effiziente Ressourcennutzung hin: Sie nützt dem Gemeinwesen, wirkt weiterer Ausweitung von Agrarflächen entgegen und trägt so auch zum Artenschutz bei.

Pflanzenzüchtung mit Präzisionsverfahren wie dem so genannten "Smart Breeding" sowie die grüne Gentechnik ermöglichen es, Eigenschaften gezielt in Kulturpflanzen einzubringen und so z.B. die Ertragskraft bedarfsgerecht auszubauen. Dabei entstehen entweder konventionelle oder transgene Pflanzen. Von moderner Pflanzenbiotechnologie wird das Potenzial erwartet, die weltweite landwirtschaftliche Produktivität um ca. 25 Prozent zu verbessern.

So hat sich auch die Hunger Task Force der Vereinten Nationen für den Gentechnikeinsatz zur Bekämpfung des Hungers ausgesprochen. Größere Widerstandsfähigkeit gegenüber Umweltstress wie Trockenheit, Bodenversalzung, Pflanzenschädlingen und Krankheiten sowie ein verbesserter Nährstoffgehalt werden als hilfreich auch für Kleinbauern in Entwicklungsländern angesehen. Weltweit gehen allein durch abiotischen Stress bis zu 80 Prozent aller Ernteerträge verloren.

Die derzeit überwiegend angebauten transgenen Pflanzen vermitteln Widerstandskräfte gegen bestimmte Herbizide oder Pflanzenschädlinge. Erfahrungen zeigen, dass ihr Anbau schon heute zur Ertragssteigerung beiträgt. Er kann Landwirten großen wirtschaftlichen Nutzen bringen. Die mit ihrem Anbau einhergehende Ressourceneffizienz kann zudem ökologische Vorteile und die Einsparung des Klimagases CO2 mit sich bringen. So hat weltweit die Anbaufläche transgener Pflanzen seit 1996 auf 125 Mio. ha in 2008 zugenommen. 90 Prozent der betreffenden Landwirte sind Kleinbauern in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Mit Blick auf die Erfolge der "grünen Revolution" seit den 60er Jahren bei der Hungersbekämpfung erwachsen zunehmend Erwartungen an die Pflanzenbiotechnologie, um in einer "zweiten grünen Revolution" die landwirtschaftliche Produktivität nachhaltig weiterzuentwickeln. So ist etwa Norman Borlaug, Vater der grünen Revolution und Nobelpreisträger, davon überzeugt, dass grüne Gentechnik die Nahrungsmittelversorgung entscheidend verbessern und gleichzeitig natürliche Ressourcen schonen kann.

Agrarpolitik muss wieder Gesellschaftspolitik werden

Angesichts weltweiter Herausforderungen der Landwirtschaft ist unsere Gesellschaft zum Dialog aufgerufen, um in solidarischer Verantwortung ausgewogene Lösungen zu entwickeln. Die Verständigung über gemeinsame Werte ist eine Grundlage für einen respektvollen und wertschätzenden Diskurs, Wissen und Bildung sind dabei wesentliche Elemente nachvollziehbarer Argumentationen. Nicht ein voreingenommener Wettstreit der Weltanschauungen, sondern ein toleranter Wettbewerb besserer, wissenschaftlich fundierter Argumente eröffnet neue Wege. Die Frage des verantwortungsvollen Einsatzes grüner Gentechnik ist zugleich eine moralische Verpflichtung, Lösungen für eine langfristige Sicherung von Ernährung und Agrarressourcen zu suchen. In diesem Sinne gilt es, die internationale Agrarpolitik wieder zum Kern einer verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Gesellschaftspolitik zu machen.

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Bayer CropScience Publikationen

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bioSicherheit – Gentechnik – Pflanzen – Umwelt (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung)
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Pressedienst Europäisches Parlament: FAO-Chef Diouf – Hunger durch Investitionen in Landwirtschaft überwinden
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Fussnoten

1950 in Boms (Kreis Ravensburg) geboren, studierte Agrarwissenschaften an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Nach seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Tierernährung der Universität und Promotion im Jahr 1977, begann er 1980 seine Laufbahn bei der Bayer AG und übernahm in der Folgezeit verschiedene obere Führungsfunktionen in landwirtschaftlich orientierten Geschäftsbereichen im In- und Ausland. 1982 erfolgte zusätzlich seine Habilitation für Tierernährung und Futtermittelkunde. 2003 wurde Friedrich Berschauer in den Vorstand der Bayer HealthCare AG und anschließend im April 2004 zum Vorstandsvorsitzenden der Bayer CropScience AG berufen.