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Gen-Pflanzen - Mythen der Gentechnik-Industrie | Bioethik | bpb.de

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Gen-Pflanzen - Mythen der Gentechnik-Industrie Standpunkt Ulrike Brendel

Ulrike Brendel

/ 6 Minuten zu lesen

Statt Vorteilen bringe der Anbau genmanipulierter Pflanzen Risiken für Menschen und Umwelt, sagt Ulrike Brendel von Greenpeace. Dabei lehne die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland und vielen anderen Ländern Gen-Pflanzen ab.

Ulrike Brendel (© Ulrike Brendel)

Mythos 1: Gen-Pflanzen sind gesundheitlich unbedenklich und in ihrer Ausbreitung kontrollierbar

Die Wechselwirkungen von Genen untereinander und mit Proteinen sind viel komplexer als bisher angenommen. Wissenschaftler fanden heraus, dass der Mensch nur etwa 30.000 Gene besitzt – bisher vermutete man 100.000. Die Grundannahme der Gentechnik, dass ein Gen nur eine Wirkung erzeugt, ist falsch. Hinzu kommt, dass Gentechniker oft nicht steuern können, wo ein Gen im neuen Organismus landet und zu welchen Wechselwirkungen es mit anderen Genen und Proteinen kommt – der reine Blindflug.

Da wundert es nicht, dass Gen-Pflanzen ungewollte und von den Gentechnikern nicht vorhersehbare Eigenschaften entwickeln. Bei Fütterungsversuchen mit Gen-Erbsen stellten Wissenschaftler fest, dass Mäuse an schweren Entzündungen der Atemwege erkrankten. Dies wurde jedoch erst bemerkt, nachdem zehn Jahre an den Erbsen geforscht wurde – in Australien waren diese Erbsen da bereits zu Versuchszwecken auf Feldern angebaut worden. In der Europäischen Union hätten die genmanipulierten Erbsen sogar durchaus Chancen gehabt, als Lebensmittel zugelassen zu werden, denn längere Fütterungsversuche sind hier nicht vorgeschrieben.

Für Greenpeace ist deshalb klar: Der Anbau von Gen-Pflanzen muss verhindert werden; die Natur ist kein Versuchslabor. In Lebensmitteln hat die Gentechnik nichts zu suchen; die Verbraucher sind keine Versuchskaninchen.

Werden Gen-Pflanzen angebaut, können sich die Pflanzen zudem unkontrolliert in die Umwelt ausbreiten. In Kanada ist es für Bauern inzwischen schwierig geworden, eine gentechnikfreie Rapsernte einzubringen. Durch Pollenflug und verunreinigtes Saatgut hat sich Gen-Raps großflächig ausgebreitet. Die unkontrollierte Ausbreitung des Gen-Raps in Kanada kann auch deutsche Verbraucher treffen: Immer wieder wird mit Gentechnik belasteter kanadischer Honig auf dem deutschen Markt gefunden. In Mexiko, dem Ursprungsland des Maises, ist zum Schutz der genetischen Vielfalt der Anbau von Gen-Mais verboten - dieser könnte traditionelle Sorten verdrängen. Trotzdem wurden einheimische Maissorten entdeckt, die gentechnisch verunreinigt waren. Die fremden Gene stammen vermutlich von importiertem Gen-Mais aus den USA.

Mythos 2: Gen-Pflanzen liefern einen wichtigen Beitrag zur Welternährung

Muss der Anbau von Gen-Pflanzen gefördert werden, um damit den Welthunger bekämpfen zu können? Von dieser Forderung aus Politik und Industrie haben sich inzwischen sogar zurecht einige Gentechnik-Konzerne wie die BASF oder Syngenta distanziert.

Denn Gen-Pflanzen bieten bei der Sicherung der Welternährung keine Lösungen, vielmehr sind sie Teil des Problems. Denn mit ihren Gen-Pflanzen, Monokulturen sowie chemischen Pestiziden und Düngemitteln trägt die industrielle Landwirtschaft die Hauptschuld daran, dass lebenswichtige Ressourcen wie fruchtbarer Boden zerstört und Wasser verunreinigt wird. Davon profitieren in erster Linie die großen Agrarkonzerne. Deshalb sprechen sich nicht nur Umweltschutzorganisationen, sondern auch entwicklungspolitische Organisationen gegen den Anbau von Gen-Pflanzen in den Entwicklungsländern aus.

Um die Welternährung zu sichern, muss die Politik vielmehr den Empfehlungen des von der Weltbank initiierten Weltagrarberichts (International Assessment of Agriculture Science and Technology for Development) folgen. Der im April 2008 veröffentlichte Report kommt zu dem Urteil, dass Gen-Pflanzen nicht die Lösung für Probleme wie Armut und Hunger sind. Vielmehr bedarf es einer sozial- und umweltverträglichen Landwirtschaft, die lokale Gegebenheiten und die Bedürfnisse der Kleinbauern, insbesondere in den Entwicklungsländern, berücksichtigt. Im internationalem Agrarbericht wird daher dafür plädiert, Kleinbauern künftig stärker zu fördern und deren traditionelles Wissen und ihre Anbauweisen stärker zu fördern.

Mythos 3: Gen-Pflanzen dienen dem Nutzen der Allgemeinheit

Bisher haben Gen-Pflanzen nur den großen Agrarkonzernen wie Monsanto, Bayer, Syngenta und BASF genutzt. Bei einem Großteil der weltweit angebauten Gen-Pflanzen handelt es sich um herbizidresistente Pflanzen, die bestimmten Pestiziden widerstehen können. So produziert der Agrarkonzern Monsanto Gen-Pflanzen, die gegen das Spritzmittel Roundup resistent sind ("Roundup Ready"). Für Monsanto bringt das doppelten Gewinn: Neben dem Verkauf der Gen-Saaten verdient das Unternehmen auch am dazugehörigen Pestizid. In den USA müssen sich Landwirte beim Kauf des genmanipulierten Saatguts sogar per Vertrag verpflichten, nur das von Monsanto vertriebene Spritzmittel zu verwenden. Damit sichert sich das Unternehmen den Absatz des Pestizids, obwohl dessen Patentschutz in den USA seit einigen Jahren abgelaufen ist.

Über Patente auf Pflanzen versucht die Industrie sich zudem ein Monopol über die landwirtschaftliche Produktion zu verschaffen. Patente im Bereich Landwirtschaft können exklusive Rechte über Saatgut, Ernte bis hin zum fertigen Produkt beinhalten. Die Firmen können dann diktieren, wer was und zu welchen Bedingungen bzw. Preisen anbauen und verkaufen darf: vom Weizen bis zum Brot, vom Mais bis zum Popcorn. Über 1.000 Patente auf Hauptnahrungspflanzen wie Mais, Weizen, Reis oder Soja besitzt die Industrie bereits. Dabei befinden sich die meisten der Patente in den Händen der großen Gentechnik-Konzerne wie Bayer, DuPont, Syngenta und Monsanto.

Mythos 4: Gen-Pflanzen bringen höhere Erträge

Immer wieder wird als Argument für den Anbau von Gen-Pflanzen angeführt, mit ihnen könnten höhere Erträge erzielt werden. Dies trifft nicht zu. Wissenschaftliche Untersuchungen haben die Erträge der großflächig angebauten Gen-Soja von Monsanto mit herkömmlichen Soja-Sorten verglichen: Die Gen-Soja erzielte bis zu zehn Prozent weniger Erträge. Ein Report des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums kommt zu dem Ergebnis, dass die momentan vermarkteten Gen-Pflanzen im Vergleich zu herkömmlichen Pflanzen-Sorten keine Ertragssteigerungen bringen. Die Erträge können sogar niedriger ausfallen, wenn die neuen Gene nicht in Hochertragssorten verwendet werden.

Mythos 5: Gen-Pflanzen helfen gegen den Klimawandel

Durch extreme Wetterphänomene wie Hitzewellen, Starkregen oder Dürre wird der Klimawandel die Sicherung unserer zukünftigen Ernährung beeinträchtigen. Diese Wetterextreme führen zu neuem und stärkerem Schädlings- und Krankheitsbefall auf den Äckern. Leidtragende der Auswirkungen des Klimawandels werden insbesondere die Kleinbauern in den Entwicklungsländern sein.

Die Antwort der Landwirtschaft auf den Klimawandel kann jedoch nicht die Gentechnik sein. Im Gegenteil: Vielfalt und nicht Einfalt auf dem Acker gibt der Landwirtschaft die Möglichkeit auf sich ständig ändernde Wetter- und Umweltbedingungen zu reagieren, sich anzupassen und verlässliche Erträge zu erzielen. Gen-Pflanzen, die nur für eine bestimmte Umweltbedingung geschaffen wurden, sind da von Nachteil. Zudem sind genmanipulierte Pflanzen hochgezüchtete und hoch empfindliche Gewächse, die mit Wetterschwankungen schlecht zurechtkommen. Die Praxis hat gezeigt, dass es bei extremen Wetterbedingungen bei Gen-Pflanzen zu Ernteausfällen kommen kann bzw. die Gen-Pflanzen ihre neuen Eigenschaften einbüßen.

Die bisher angebauten Gen-Pflanzen sind dadurch aufgefallen, dass sie sich extrem schlecht für Trockenheit und Hitze eignen. So führte ungewöhnlich heißes Frühlingswetter 1998 in den USA dazu, dass es zu unerwarteten Ernteausfällen bei Gen-Soja kam. Bei großer Hitze platzen ihre Stängel leichter, was wiederum den Weg für Infektionen in die Pflanze ebnet.

Auch bei genmanipulierter Baumwolle gibt es immer wieder Berichte über Probleme bei Hitze und Trockenheit. In Indien hat anhaltende Trockenheit zu immensen Verlusten bei der Baumwoll-Ernte geführt. Während die Trockenheit bei herkömmlicher Baumwolle zwar auch zu Ernteverlusten führte, kam es bei der Gen-Baumwolle zu kompletten Ernteausfällen.

Je größer die Arten- und Sortenvielfalt auf einem Acker ist, desto größer ist auch die Chance, dass einige Pflanzen den Wetterauswirkungen widerstehen und desto geringer ist die Gefahr, dass Krankheiten und Schädlingsbefall sich ausbreiten können. Dabei geht es nicht darum, in einem Jahr mit optimaler Wetterlage extrem hohe Erträge zu erzielen, sondern akzeptable Erträge über mehrere Jahre, gute wie schlechte, langfristig zu sichern.

Fazit: Statt Vorteilen bringt der Anbau genmanipulierter Pflanzen Risiken für Menschen und Umwelt. Dabei lehnt die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland und vielen anderen Ländern Gen-Pflanzen ab. Bisher richtet sich die Lebensmittelbranche in der Europäischen Union nach den Wünschen der Verbraucher und meidet Genfood. Doch werden Gen-Pflanzen in großem Stil angebaut, wird es in Zukunft immer schwieriger und teurer, gentechnikfreie Lebensmittel zu produzieren. Verlierer sind dann Umwelt und Verbraucher, Gewinner eine Handvoll internationaler Agrarkonzerne. Es ist daher höchste Zeit umzudenken: Die Politik muss Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft ergreifen, statt auf eine von Gen-Pflanzen und Pestiziden abhängige Landwirtschaft zu setzen.

Fussnoten

Geboren am 8. März 1971, ist Medienwissenschaftlerin (Master of Arts in Media Studies, University of Sussex, Großritannien). Seit 1997 bei Greenpeace aktiv, zunächst im Kommunikationsbereich von Greenpeace e.V. Anschließend Koordination von genetiXproject, einer Jugendinitiative von Greenpeace gegen Genfood. Außerdem Mitarbeit in Kampagnen für Greenpeace International zum Schutz der Urwälder in Kanada, Japan und Hongkong. Seit 2001 Kampaignerin für Gentechnik und Landwirtschaft bei Greenpeace Deutschland.