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Tierhaltung und Tiernutzung

Johann S. Ach

/ 13 Minuten zu lesen

Auch Tiere haben Interessen. Deshalb verdienen sie moralische Berücksichtigung. Wie kann diese Berücksichtigung im Rahmen von Tierhaltung und Tiernutzung aussehen? Johann S. Ach geht dieser Frage aus tierethischer Perspektive nach – und hat eine klare Empfehlung.

Milchkühe (© picture-alliance, dpa-Zentralbild)

Tiere als Produktionsfaktor

Die Nutzung von Tieren durch den Menschen reicht bis in die Altsteinzeit zurück, in der die gemeinsame Geschichte von Mensch und Hund begonnen hat. Andere Formen der sog. Nutztierhaltung nahmen, wie man heute vermutet, im Neolithikum, also der Jungsteinzeit, ihren Anfang; einer Zeit, in der sich der menschheitsgeschichtlich bedeutsame Übergang von Jäger- und Sammler- zu Hirten- und Bauernkulturen ereignet hat. Im Vordergrund stand dabei die Domestizierung und Haltung von Tieren, die als Nahrungsmittel, als Rohstoffquelle oder als Wach- und Jagdhelfer genutzt wurden.

Allein in Deutschland wurden 2020 rund 759 Millionen Landtiere geschlachtet. Mit der schieren Zahl der sog. Nutztiere haben sich auch die Bedingungen drastisch verändert, unter denen die Tiere gehalten werden. Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung hat insbesondere seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Prozess der Industrialisierung durchlaufen, in dem die Tiere zunehmend zum "Produktionsfaktor" geworden sind. Eine Entwicklung, für die ein Großteil der sog. Nutztiere mit Verstümmelungen, Verletzungen, Krankheiten oder Verhaltensstörungen einen hohen Preis bezahlt.

Neben der Lebensmittelproduktion und Rohstoffgewinnung werden Tiere in großer Zahl heute beispielsweise auch für wissenschaftliche Forschungszwecke genutzt und verbraucht, in Zoologischen Gärten oder Zirkussen zu Unterhaltungszwecken ausgestellt oder als Heim- und Begleittiere gehalten.In der fachwissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion hat der Umgang mit Tieren in den zurückliegenden Jahren zunehmend Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Kritische Auseinandersetzungen mit dem Thema der Tiernutzung haben zum Teil Beststeller-Status erlangt.

In seiner jüngsten Stellungnahme hat auch der Deutsche Ethikrat die "Tierwohlachtung" zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe erklärt. Zumindest höher entwickelten Tieren müsse, so die Autorinnen und Autoren der Stellungnahme, ein "Eigenwert" zugeschrieben werden, der sich in dem Grundsatz manifestiere, "dass das Wohl des Tieres in allen Phasen seines Lebens zu achten" sei. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat in einem Impulspapier zu Fragen des Tierwohls, der Ernährungsethik und der Nachhaltigkeit Tiere als "Mitgeschöpfe" bezeichnet, die "ihre eigene Schönheit, Würde und Lebenssinn" haben. Die Diskrepanz zwischen dem in solchen Stellungnahmen propagierten moralischen Standpunkt einerseits und der alltäglichen Praxis der "Nutz"-Tierhaltung andererseits ist freilich unübersehbar.

Kritik an "Tierfabriken"

Die Haltung und Nutzung von Tieren ist in der (modernen) tierethischen Diskussion von Beginn an ein zentrales Thema gewesen. Bereits Peter Singer hatte in seinem 1975 erstmals erschienenen Buch "Animal Liberation" Tierversuche und Fleischkonsum die beiden Hauptformen des "Speziesismus" genannt und das millionenfache Leid angeprangert, das Tieren zugefügt wird, die in der Intensivtier- und Massentierhaltung ("Tierfabriken") gehalten werden.

Bereits Jeremy Bentham (1748-1832) hatte die Auffassung vertreten, dass das Glück oder die Interessen von (empfindungsfähigen) Tieren in der Moral nicht einfach deshalb ignoriert werden dürfen, weil sie Tiere, d.h. keine Menschen sind: Die Kernfrage, so Bentham, lautet nicht: "können sie denken? oder können sie sprechen?, sondern können sie leiden?" Weder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Spezies noch Fähigkeiten wie Sprachfähigkeit, Vernunft oder Autonomie entscheiden darüber, ob ein Lebewesen zur moralischen Gemeinschaft gehört oder nicht. Vielmehr ist es die Fähigkeit zur (Schmerz-)Empfindung. Sie ist die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Lebewesen Interessen (in einem moralisch relevanten Sinn) haben kann, da nur ein empfindungsfähiges Wesen von der Art und Weise, wie es behandelt wird, subjektiv betroffen sein kann.

Vor diesem Hintergrund hat Peter Singer eine Erweiterung des Prinzips der Gleichheit über die menschliche Spezies hinaus auch auf Tiere gefordert. Das von ihm vertretene Moralprinzip verlangt von uns, "dass wir in unseren moralischen Überlegungen den ähnlichen Interessen all derer, die von unseren Handlungen betroffen sind, gleiches Gewicht geben." Nimmt man dieses Prinzip ernst, dann hat dies weitreichende Folgen für den Umgang des Menschen mit nichtmenschlichen Tieren. Das Prinzip lässt Interessen- bzw. Güterabwägungen aber zu, solange dabei die ähnlichen Interessen all derer, die von einer Handlung betroffen sind, in gleicher Weise berücksichtigt werden. Damit schließt es auch die Möglichkeit einer moralisch unbedenklich(er)en Form der landwirtschaftlichen Nutzung von Tieren nicht grundsätzlich aus. Freilich, so Singer, lautet die "entscheidende Frage nicht, ob Fleisch ohne Leiden produziert werden könnte, sondern ob das Fleisch, das wir kaufen möchten, ohne Leiden produziert wurde. Wenn wir nicht sicher sein können, dass dies der Fall war, impliziert das Prinzip der gleichen Interessenabwägung, dass es falsch war, wichtige Interessen der Tiere zu opfern, um weniger wichtige Interessen unsererseits zu befriedigen; folgerichtig sollten wir das Endresultat dieses Prozesses boykottieren."

Tom Regan (1938-2017) war demgegenüber der Auffassung, dass das "moralische Grundübel" der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in einer Haltung besteht, die es gestattet, Tiere "als Ressourcen, sogar als erneuerbare Ressourcen für uns zu betrachten und zu behandeln". Regan zufolge haben alle Lebewesen, die einen "inhärenten Wert" besitzen, das gleiche Recht darauf, mit Respekt, das heißt auf eine Weise behandelt zu werden, die sie nicht auf den Status von Ressourcen für andere reduziert. Inhärenten Wert spricht Regan solchen Lebewesen zu, die er "empfindende Subjekte eines Lebens" nennt. Tom Regan gelangte entsprechend auch in Bezug auf die Frage der Nutztierhaltung zu einer radikalen, abolitionistischen Position: "Tieren auf dem Bauernhof mehr Raum zu geben, eine natürlichere Umwelt, mehr Gefährten macht das fundamentale Unrecht nicht wieder gut, genauso wenig wie die Verabreichung von mehr Betäubungsmitteln oder das Bauen größerer, sauberer Käfige das Unrecht an Labortieren wiedergutmacht. Nur die völlige Abschaffung der kommerziellen Nutztierhaltung kann das wiedergutmachen."

"Dritter Status"?

Nichtmenschliche Tiere gehören zur moralischen Gemeinschaft. Ihre Interessen verdienen daher moralische Berücksichtigung. Dies wird heute kaum noch ernsthaft in Frage gestellt. Kontrovers diskutiert wird aber über die Frage, ob wir die Interessen von Tieren in gleicher Weise berücksichtigen müssen wie die ähnlichen Interessen von Menschen. Der Deutsche Ethikrat hat dies in seiner Stellungnahme zur Tierwohlachtung unlängst verneint und von einem "Dritten Status" der Tiere zwischen Mensch und Sache gesprochen: Dieser "Dritte Status" impliziert eine besondere Schutzwürdigkeit der Tiere und eine besondere Verantwortung des Menschen: "Im Unterschied zum Menschen lässt sich Tieren zwar keine Würde im Sinne einer nie antastbaren Selbstzweckhaftigkeit beziehungsweise eines kategorischen Verbots ihrer vollständigen Vernutzung (‚Instrumentalisierungsverbot‘) zuschreiben. Anders als bloße Sachen besitzen sie aber nicht nur einen Gebrauchswert für Menschen, sondern auch einen Eigenwert."

Die Rede von einem solchen "Dritten Status" der Tiere setzt voraus, dass es eine moralrelevante Differenz zwischen Tieren und Menschen gibt, die eine ungleiche Berücksichtigung ihrer (ähnlichen) Interessen begründen kann. Ob sich eine solche Differenz überhaupt ausweisen lässt, und worin sie gegebenenfalls bestünde – über diese Fragen wird seit den ersten Veröffentlichungen von Peter Singer und Tom Regan kontrovers diskutiert.

Formen der Mensch-Tier-Interaktion

Unabhängig davon, ob man den von Singer und Regan vertretenen Spezies-Egalitarismus teilt oder nicht, unabhängig davon also, ob man der Auffassung ist, dass die Interessen von Menschen im Konfliktfall mehr zählen als die (ähnlichen) Interessen nichtmenschlicher Lebewesen, stellt sich die Frage, was es überhaupt rechtfertigen könnte, Tiere in menschlicher Obhut zu halten und zu nutzen. Oder, anders gefragt: Wie müsste die Interaktion zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren beschaffen sein, um moralischen Maßstäben zu genügen?

Eine erste Antwort auf diese Frage lautet folgendermaßen: Die Haltung und Nutzung von Tieren durch den Menschen ist dann vertretbar, wenn sie zu beiderseitigem Vorteil ist. Menschen gehen faire Kooperationsbeziehungen mit den Tieren ein, wenn sie diese halten und nutzen: Der Mensch nutzt Tiere für seine Zwecke; diese erhalten im Gegenzug eine ihren Bedürfnissen angemessene Versorgung. Wir dürfen mit Tieren interagieren, so zum Beispiel Christine Korsgaard, "solange wir das in einer Weise tun, von der wir meinen, es sei plausibel zu glauben, dass sie ihr zustimmen würden, wenn sie könnten – das heißt in einer Weise, die für beide Seiten vorteilhaft und fair ist und es ihnen erlaubt, ein Leben zu führen, das einigermaßen der ihnen eigentümlichen Lebensweise entspricht."

Gegen das Kooperationsargument spricht allerdings zum einen, dass es zwar bestimmte Formen der Tierhaltung geben mag, von denen tatsächlich beide Partner profitieren. Von Hunden beispielsweise wird manchmal behauptet, dass sie die Nähe des Menschen suchen und genießen. Mit Blick auf die gegenwärtigen Formen der Tiernutzung kann davon aber offenkundig keine Rede sein. Welchen Grund sollten Tiere haben, einer Nutzung zuzustimmen, die sie mit erheblichen Einschränkungen ihrer Lebensqualität und einem allzu kurzen Leben bezahlen? Kühe beispielsweise erreichen natürlicherweise eine Altersgrenze von 15 bis 20 Jahren, landen durchschnittlich aber nach weniger als fünfeinhalb Jahren, von denen sie knapp drei Jahre als "Milchkuh" dienten, im Schlachthof. Hinzu kommt, dass Tiere die kognitiven Voraussetzungen nicht mitbringen, die das Kooperationsargument unterstellt: Tiere können weder den Praktiken, denen wir sie aussetzen, frei und informiert zustimmen, noch wissen sie, was in ihrem längerfristigen Interesse ist. Zudem verfügen sie, falls überhaupt, allenfalls über ein sehr rudimentäres Verständnis von Fairness.

Eine weitere Antwort auf die Frage, warum und unter welchen Voraussetzungen der Mensch Tiere halten und nutzen darf, stellt darauf ab, dass Tiere, die in Gemeinschaft mit dem Menschen leben, Beitragspflichten haben. Was zunächst vielleicht überraschend klingt, wird verständlich, wenn man die Interaktion zwischen Menschen und Tieren nach dem Modell der politischen Philosophie begreift. Eben dies tun Sue Donaldson und Will Kymlicka in ihrem Buch Zoopolis, in dem sie dafür plädieren, Tieren abhängig von den politischen Beziehungen, in denen sie zu menschlichen Gemeinschaften stehen, Mitbürger-, Koexistenz- oder Souveränitätsrechte zuzusprechen. Folgt man Donaldson und Kymlicka, dann schulden wir den Tieren, die wir in unsere Gemeinschaft gebracht haben, Mitgliedschaft und Staatsbürgerschaft. Staatsbürgerschaft allerdings ist nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten verbunden: Von Mitbürgern einen Beitrag zu erwarten ist jedenfalls nicht von vorneherein unzulässig. Das gilt auch für Tiere: Donaldson und Kymlicka zufolge ist es erlaubt, von Tieren Gebrauch zu machen oder von ihnen zu profitieren, solange dies unter Bedingungen geschieht, die auch für die Tiere selbst gut sind bzw. in denen sie eine echte Möglichkeit haben, sich der Interaktion zu verweigern. Donaldson und Kymlicka denken dabei zum Beispiel an die "Arbeit" von Hütehunden oder an den Gebrauch von tierlichen Produkten wie zum Beispiel Schafswolle.

Das Problem des Argumentes besteht freilich auch hier darin, dass man Tieren Fähigkeiten attestieren muss, die sie nicht haben, will man ihnen den Status von Mitgliedern der politischen Gemeinschaft zusprechen oder ihnen Pflichten auferlegen. Tiere können sich weder an sozialen Kooperationszielen orientieren, noch können sie aktiv an den Geschicken eines politischen Gemeinwesens teilhaben. Auch für moralische Normen sind sie nicht empfänglich.

Das bedeutet nicht, dass die spezifische Form der Mensch-Tier-Interaktion keinerlei Folgen dafür hat, welche konkreten Pflichten wir gegenüber Tieren haben. Ursula Wolf beispielsweise glaubt, dass wir allen empfindungsfähigen Tieren gegenüber negative Pflichten haben, also solche Pflichten, die es verbieten, das Wohlbefinden von Tieren durch Leidenszufügung und Einschränkung von Betätigungsmöglichkeiten zu gefährden. Sog. Nutztieren gegenüber lassen sich ihrer Auffassung nach darüber hinaus aber auch Fürsorgepflichten begründen: Tierhalterinnen und -halter haben, wie Ursula Wolf sagt, die Verpflichtung, für die von ihnen gehaltenen Tiere zu sorgen. Sie sind für diese verantwortlich. Für Wolf folgt hieraus kein prinzipielles Verbot der Tiernutzung: "Abzulehnen sind Fleisch und andere Tierprodukte, die aus der Massentierhaltung stammen, weil diese Haltungsform immer mit erheblichen Leiden für die Tiere verbunden ist. Eine traditionelle Tiernutzung hingegen kann, wenn sie den Tieren genügend Spielräume für ein Leben in der Entfaltung ihrer Fähigkeiten lässt, unbedenklich sein, wobei allerdings auch hier Bedenken bezüglich der Leidensfreiheit des Tötens bestehen." Gegenüber tierlichen Gefährten, die mit uns zusammenleben oder zusammenarbeiten, haben wir, folgt man Wolf, außerdem spezielle Verpflichtungen, die "aus den Erwartungen entstehen, die wir durch die Interaktion mit Tiergefährten erzeugen."

Töten von Tieren

Tiere müssen in der Regel getötet ("geschlachtet") werden, bevor sie als Nahrungsmittel oder Rohstoffquelle für den Menschen genutzt werden können. Damit stellt sich auch die Frage, ob und ggf. aus welchen Gründen man Tiere töten darf. Das Tötungsverbot ist in der tierethischen Diskussion deutlich umstrittener als das Verbot der Leidenszufügung. Während manche die Tötung eines Tieres (nur) unter der Voraussetzung für falsch halten, dass diesem damit die Möglichkeit zukünftiger positiver Erfahrungen geraubt oder wichtige seiner Interessen frustriert werden, sind andere der Auffassung, dass sich ein "Recht auf Leben" aus dem Respekt ableiten lässt, den "empfindende Subjekte eines Lebens" verdienen.

Von der Frage, ob man Tiere töten darf unterscheiden muss man freilich die Frage, wie die Tötung eines Tieres ausgestaltet sein müsste, soll sie moralisch gerechtfertigt sein. Ob es überhaupt möglich ist die Tiere, die üblicherweise als Nutztiere gehaltenen werden, auf eine Weise zu töten, die nicht Schmerzen, Angst oder Stress auslöst, ist umstritten. In der Praxis führt die Tötung von Tieren allerdings regelmäßig zu erheblichen Leiden und Belastungen. So zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass durchschnittlich 0,1 bis 1 Prozent der geschlachteten Schweine unmittelbar vor der "Brühung" noch Reaktionen aufweisen, welche auf Empfindungs- und Wahrnehmungsvermögen hindeuten. Die Fehlbetäubungsrate bei der industriellen Rinderschlachtung beträgt sogar 4 bis über 9 Prozent.

Ein einfaches Argument

Die meisten der als sog. Nutztiere gehaltenen Tiere haben ein Interesse daran, von Schmerzen, Deprivation, Angst oder Stress verschont zu bleiben. Viele haben ein Interesse daran, positive Emotionen zu erfahren. Soziale Tiere, wie viele sog. Nutztiere es sind, haben ein Interesse daran, Bindungen mit anderen Lebewesen (Nachwuchs, Artgenossen, andere Tiere, Menschen) eingehen zu können. Viele haben ein Interesse daran, artspezifische Aktivitäten ausleben zu können. Kurz: Sie haben "Interessen in den Dimensionen der Existenz, des Wohlbefindens und der willensbestimmten Aktivitäten". Um einzusehen, dass sich das Ignorieren dieser Interessen, wie es in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung heute ganz überwiegend geschieht, ethisch nicht rechtfertigen lässt, muss man keine bestimmte tierethische Konzeption akzeptieren. Um zu dem Schluss zu gelangen, dass sich die gegenwärtige Praxis der sog. Nutztierhaltung nicht rechtfertigen lässt, reicht vielmehr die weitgeteilte ethische Überzeugung, dass man (empfindungsfähigen) Tieren nicht unnötigerweise Leiden oder Schäden zufügen sollte, sowie die Einsicht, dass die gegenwärtige Praxis der Haltung und Nutzung "in weiten Teilen nicht tiergerecht" und das immense Leid, das sie den sog. Nutztieren zufügt, vermeidbar ist. Dafür, diesen beschämenden Zustand zu beenden, sind wir alle, sei es als Tierhalterinnen und Tierhalter, als Konsumentinnen und Konsumenten oder als Bürgerinnen und Bürger, verantwortlich.

Literatur

Ach, Johann S./Borchers, Dagmar (Hrsg.): Handbuch Tierethik. Grundlagen – Kontexte – Kontroversen. Stuttgart 2018.

Bode, Philipp: Einführung in die Tierethik. Wien/Köln/Weimar 2018.

Diel, Elke/Tuider, Jens (Hrsg.): Haben Tiere Rechte? Aspekte und Dimensionen der Mensch-Tier-Beziehung. Bonn 2019.

Grimm, Herwig/Wild, Markus: Tierethik zur Einführung. Hamburg 2016.

Ladwig, Bernd: Politische Philosophie der Tierrechte. Berlin 2020.

Schmitz, Friederike (Hrsg.): Tierethik. Grundlagentexte. Berlin 2014.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Becker, Valeska: Geliebtes und gehasstes Tier. Historische Aspekte der Heimtierhaltung. TIEREthik 11,18, 2019,1, 62–85.

  2. Die exzessive Tierhaltung hat auch erhebliche negative ökologische Folgen. Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge werden beispielsweise rund 18 Prozent der globalen anthropogenen Treibhausgasemissionen von der Nutztierhaltung verursacht. FAO: Lifestock‘s long Shadow. Environmental Issues and Options. Rome 2006

  3. Siehe dazu Wolfschmidt, Matthias: Das Schweinesystem. Wie Tiere gequält, Bauern in den Ruin getrieben und Verbraucher getäuscht werden. Frankfurt a. M. 2016.

  4. S. dazu die einschlägigen Beiträge in: Ach, Johann S./Borchers, Dagmar (Hg.): Handbuch Tierethik. Grundlagen – Kontexte – Kontroversen. Stuttgart 2018.

  5. Foer, Jonathan Safran: Tiere essen. Köln 2010; Duve, Karen: Anständig essen. Ein Selbstversuch. Köln: Kienheuer und Witsch 2020.

  6. Deutscher Ethikrat: Tierwohlachtung – Zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren. Berlin 2020, S. 58.

  7. Evangelische Kirche in Deutschland: Nutztier und Mitgeschöpf 2019, S. 125.

  8. So schon Wolf, Ursula: Ethik der Mensch-Tier-Beziehung 2012, S. 12.

  9. Singer, Peter: Animal Liberation. Die Befreiung der Tiere. Reinbek bei Hamburg 1996.

  10. Zitiert nach: Singer, Peter: Praktische Ethik. Stuttgart 32013 (engl. 1979), S. 100f.

  11. Singer, Peter: Praktische Ethik. Stuttgart 32013 (engl. 1979), S. 52.

  12. Die Bezeichnung "nichtmenschliche Tiere" meint alle Tiere, die keine Menschen sind. Mit der Verwendung soll betont werden, dass auch der Mensch zu den Tieren zu zählen ist.

  13. Singer, Peter: Praktische Ethik. Stuttgart 32013 (engl. 1979), S. 111.

  14. Regan, Tom: Wie man Rechte für Tiere begründet. In: Angelika Krebs (Hrsg.): Naturethik. Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion. Frankfurt a. M. 1997, 33- 46, 45f.

  15. Regan, Tom: Wie man Rechte für Tiere begründet. In: Angelika Krebs (Hg.): Naturethik. Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion. Frankfurt/M. 1997, S. 33- 46, 45f. Manche Tierrechtstheoretiker halten das Recht, nicht Eigentum eines anderen zu sein, für fundamental: Francione, Gary L./Charlton, Anna: Animal Rights. The Abolitionist Approach. o.O. 2015.

  16. Deutscher Ethikrat: Tierwohlachtung – Zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren. Berlin 2020, S. 58; Robert Nozick hat diese Position bereits vor Jahren auf die einprägsame Formel „Kantianismus für Menschen, Utilitarismus für Tiere“ gebracht (Nozick, Robert: Anarchy, State und Utopia 1974, S. 39)

  17. Ausführlicher dazu: Ach, Johann S.: Darf man Lassie quälen. Tierversuche und moralischer Individualismus. Erlangen 1999, insbes. Kap. IV.

  18. Korsgaard, Christine E.: Mit Tieren interagieren: Ein kantianischer Ansatz. In: Friederike Schmitz (Hg.): Tierethik. Grundlagentexte. Berlin 2014, S. 243-286, 284. Korsgaard vertritt dieses Argument inzwischen selbst allerdings nicht mehr: Korsgaard, Christine E.: Fellow Creatures. Our Obligations to Other Animals. Oxford 2018, S. 219.

  19. Donaldson, Sue/Kymlicka, Will: Zoopolis. Eine politische Theorie der Tierechte. Berlin 2013 (engl. 2011).

  20. Wolf, Ursula: Ethik der Mensch-Tier-Beziehung. Frankfurt a. M. 2012, S. 98.

  21. Wolf, Ursula: Ethik der Mensch-Tier-Beziehung. Frankfurt a. M. 2012, S. 131.

  22. Wolf, Ursula: Ethik der Mensch-Tier-Beziehung. Frankfurt a. M. 2012, S. 97.

  23. Externer Link: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bärbel Höhn, Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/9824

  24. Ladwig, Bernd: Politische Philosophie der Tierrechte 2020, S. 184.

  25. Rachels, James: The Basic Argument for Vegetarism. In: S. F. Sapontizs (Hg.): Food for Thought. The Debate over Eating Meat. Amherst, New York: 2004, S. 70-80. Vgl. auch Schmitz, Friederike: Tiere essen – dürfen wir das? Stuttgart 2020.

  26. Externer Link: Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung – Kurzfassung des Gutachtens. 2015.

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PD Dr. Johann S. Ach ist Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Centrums für Bioethik der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Angewandte Ethik, Biomedizinische Ethik und Tierethik.