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Selbstoptimierung

Dagmar Fenner

/ 10 Minuten zu lesen

Das Ich vermessen – und es dann "besser" machen: Selbstoptimierung ist ein aktuelles Leitbild, aber was genau versteht man darunter? Ist alles, was "mich" besser macht, auch gut? Und wer legt die Selbstoptimierungs-Ziele und die dahinterstehenden Wertmaßstäbe und Ideale fest?

Self-Tracking-Software. (© picture-alliance/dpa)

Begriffsklärung

Selbstoptimierung ist ein sehr kontrovers diskutiertes aktuelles gesellschaftliches Leitbild oder Orientierungsmuster für die individuelle Lebensgestaltung: Jeder und jede soll das Beste aus sich und seinem Leben machen. Von Trendforschern wird das 21. Jahrhundert als "Zeitalter der Selbstoptimierung" ausgerufen, und Soziologen sprechen von "Optimierungsgesellschaften", weil menschliche Optimierungsbestrebungen eine bislang unbekannte Präsenz, Radikalisierung und öffentliche Aufmerksamkeit erlangten. Der Begriff des "Optimierens" geht zurück auf das lateinische "optimus": "der Beste, der Tüchtigste". Entsprechende Handlungen sollen daher zu einem "Optimum" hinführen, d.h. zum bestmöglichen oder vollkommenen Zustand, den ein Mensch erreichen kann. "Selbstoptimierung" lässt sich ganz allgemein definieren als kontinuierlicher Prozess der ständigen Verbesserung der persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten mittels Selbstthematisierung, rationaler Selbstkontrolle und permanenter Rückmeldungen hin zur bestmöglichen persönlichen Verfassung. Das "Self-Tracking" als digitale Selbstvermessung z.B. mithilfe von Schrittzählern oder Pulsmessern ist ein gutes Beispiel für eine solche rationale, disziplinierte und systematische Selbststeuerung über Rückkoppelung. Um eine inflationäre Verwendung des Begriffs zu vermeiden, die ihn letztlich bedeutungslos machen würde, sollten Optimierungsbestrebungen solche typische Charaktermerkmale aufweisen. Das routinemäßige Schneidenlassen der Haare beim Frisör ohne jedes Bestreben, durch gezielte Arbeit an der eigenen Körperoberfläche einem bestimmten Schönheits- oder Lifestyle-Ideal näherzukommen, zählt hingegen nicht dazu.

Viele Kritiker lehnen Selbstoptimierung als solche ab, weil der Begriff des "Optimierens" aus dem technisch-ökonomischen Bereich stammt und daher mit Kriterien der Effizienz- und Produktivitätssteigerung in Verbindung gebracht wird. Eine ökonomisch-technische Grundhaltung scheint aber unangemessen zu sein für die menschliche Lebensführung und das praktische Selbstverhältnis von Personen. Seit Ulrich Bröcklings Diagnose eines "unternehmerischen Selbst" wird Selbstoptimierung in der Soziologie häufig als Chiffre oder Metapher für die neoliberale "Ökonomisierung des Sozialen" gelesen. "Ökonomisierung" meint das Eindringen der Kriterien und Regulierungsmechanismen des kapitalistischen Marktes wie Konkurrenz, Durchorganisation und Vorteils-Nachteils-Kalkulationen in immer mehr Lebensbereiche. Wie berechtigt und wichtig aber diese Kritik an der Ökonomisierung der Lebenswelt und einem ausbeuterischen neoliberalen Wirtschaftssystem auch ist, handelt es sich bei der beliebten Deutung der Selbstoptimierung als Symptom einer Wettbewerbsgesellschaft um eine reduktionistische Sichtweise. Denn Selbstoptimierungspraktiken wie z.B. die eben erwähnte digitale Selbstvermessung müssen nicht notwendig unter ökonomischem Druck stattfinden, sondern können auch im Rahmen einer "Ästhetik der Existenz" ein experimentell-spielerisches Selbstverhältnis zum Ausdruck bringen oder zu einer "Selbstexpertisierung" und Emanzipation von standardisierten medizinischen oder gesellschaftlichen Normen führen. Selbst wenn die Deutung korrekt wäre, würde die Verwerfung sämtlicher Selbstoptimierungsbestrebungen lediglich eine Symptombekämpfung darstellen.

Selbstoptimierung und Enhancement

"Selbstoptimierung" und "Enhancement" sind Formen menschlicher Selbstverbesserungen. "Selbstoptimierung" ist aber mit Blick auf die dabei verwendeten Mittel der weitere Begriff. Denn Selbstoptimierung umfasst alle möglichen Methoden der Selbstverbesserung, sowohl neuste Technologien als auch weitgehend technikfreie traditionelle Praktiken wie Bildung, Körpertraining, Diät oder Meditation. Auch im Zeitalter der Selbstoptimierung verbessern sich die Menschen keineswegs nur mit technischen Mitteln, sondern zu einem großen Teil durch Überwindung von Gewohnheiten und Feilen an der eigenen Lebensführung, durch Arbeit an sich selbst und ihrer Persönlichkeit: Der Selbstoptimierungstrend hat einen riesigen Selbstentwicklungsmarkt mit einer Fülle an Lebenshilfe- und Ratgeberliteratur, Coaching-Angeboten, Blogs, Vorträgen, Seminaren und Workshops z.B. zum lebenslangen Lernen, Zeit- und Selbstmanagement, Willens- und Motivationstraining hervorgebracht.

Enhancement bildet eine Sonderform der Selbstoptimierung und ist insofern der engere Begriff, als er sich auf bio- und neurowissenschaftlich fundierte technologische Methoden beschränkt. Der Neologismus "Enhancement" von engl. "to enhance" "steigern, erhöhen" impliziert zwar keine Vorstellung von einem optimalen Zustand, aber zur Selbstoptimierung werden durchaus auch sukzessive Selbstverbesserungen gezählt. Ebenso wenig lassen die konkreten Selbstverbesserungsmaßnahmen eine klare Unterscheidung zwischen qualitativen Veränderungen bei der "Selbstoptimierung" und rein quantitativen beim "Enhancement" zu, wie die beiden Termini "Optimum" und "to enhance" nahelegen könnten. Denn beim "emotionalen Enhancement" ("mood enhancement") z.B. ist das Ziel eine Stimmungsaufhellung oder Verbesserung des Wohlbefindens oder Wohlergehens mit eindeutig qualitativer Dimension. Bisweilen wird "Enhancement" wie bei der viel zitierten welfarist definition der Transhumanisten so weit verstanden, dass sie jede physische und psychische Veränderung umfasst, die "die Chancen erhöhen, ein gutes Leben zu führen". Diese Definition scheint aber schon deswegen zu weit zu sein, weil dann auch therapeutische medizinische Maßnahmen zum Enhancement gezählt würden. In den meisten bioethischen Begriffsbestimmungen wird aber das "Enhancement" insofern von einer medizinisch indizierten "Therapie" abgegrenzt, als es dabei um Verbesserungen über ein bestimmtes Maß an "Normalität" oder "normalem Funktionieren" hinausgeht.

Ziele der Selbstoptimierung

Worin genau das "Optimum" besteht und welches die konkreten Ziele der Selbstoptimierung sein sollen, steht nicht definitorisch fest. Optimiert werden können sämtliche Dimensionen des "Selbst", also z.B. physische, psychische, soziale und geistige Zustände oder Eigenschaften, Handlungsabläufe, Arbeitsprozesse, Kompetenzen etc. Definitionsgemäß stellt die Selbstoptimierung aber eine Verbesserung, d.h. eine Veränderung hin zu etwas Gutem oder Besserem dar. So gesehen ist der Begriff "Selbstoptimierung" nicht neutral, sondern impliziert eine positive Bewertung der jeweils anvisierten Veränderungen. Wenn radikale Befürworter suggerieren, sämtliche Selbstoptimierungsmaßnahmen wären schon aus begriffslogischer Notwendigkeit Verbesserungen und damit ethisch begrüßenswert, ist dies jedoch irreführend. Denn Menschen können sich darin täuschen, was für sie gut ist und z.B. die Risiken und Nebenwirkungen von Enhancern oder Schönheitsoperationen unterschätzen. Auch müssen erst einmal Betrachtungshinsichten und normative Standards benannt werden, um Veränderungen als "Verbesserungen" oder "Verschlechterungen" einstufen zu können. Oft führt die Verbesserung eines Parameters zur Verschlechterung eines anderen. So kann eine wünschbar erscheinende Verbesserung der Gedächtnisleistung mit sich bringen, dass auch unliebsame schmerzliche Erinnerungen tiefer im Gedächtnis verankert werden. Diskutiert werden in der Selbstoptimierungs-Debatte zwar Strebensziele oder "Güter", die für das gute Leben aller Menschen unabhängig von individuellen Lebensplänen bedeutsam sind. Solche philosophische Gütertheorien kämpfen aber mit dem Problem einer Begründung dieser Güter. Im Anschluss an John Rawls´ Theorie des Guten werden von den Befürwortern der Selbstoptimierung bzw. des Enhancements z.B. folgende "Grundgüter" oder "Allzweckgüter" aufgelistet:

  • Gesundheit

  • Intelligenz

  • Gedächtnis

  • Selbstdisziplin

  • Empathie

In der Gegenwart ist eine heftige Kontroverse darüber entfacht, wer die Selbstoptimierungs-Ziele und die dahinterstehenden Wertmaßstäbe und Ideale festlegt. Aus Sicht der Kritiker werden Ziele, Ideale und das "Optimum" den Menschen "von außen" von der Gesellschaft vorgegeben. Sogar im DUDEN heißt es, Selbstoptimierung sei "jemandes (übermäßige) freiwillige Anpassung an äußere Zwänge, gesellschaftliche Erwartungen oder Ideale". Attackiert werden vornehmlich ökonomische Wertmaßstäbe der Effizienz- und Leistungssteigerung, die den vermeintlich freien Selbstoptimierern aufoktroyiert werden und sie zur Selbstausbeutung zwingen. Wenn Menschen ganz direkt von ihren Arbeitgebern oder indirekt durch einen gezielt angekurbelten Konkurrenzkampf z.B. zu einem "kognitiven Enhancement" mit Aufputschmitteln gedrängt werden, handelt es sich eindeutig um eine ethisch inakzeptable heteronome Selbstoptimierung. Angezeigt wäre dann aber wiederum primär die Regulierung eines ungezügelten Wirtschaftsliberalismus mit prekären Arbeitsverhältnissen, gesteigertem Leistungsdruck und verschärftem Wettbewerb statt ein Verbot bestimmter Pillen. Im Gegensatz dazu betonen liberale Befürworter, in gegenwärtigen Selbstoptimierungsbestrebungen komme das westliche Ideal der persönlichen Autonomie zum Ausdruck und jeder habe das Recht, seine Ziele und Werte selbst zu bestimmen. Beide Positionen scheinen einseitig und tendenziös zu sein, weil Prozesse der Wertbildung äußerst komplex sind und die Menschen von klein an geprägt werden von gesellschaftlichen Idealen und Menschenbildern. Gleichzeitig gelten aber gesellschaftliche Normen, Werte und politische und wirtschaftliche Regulationssysteme nur so lange, als sie von einer Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder anerkannt werden. Es sind keineswegs sämtliche Formen gesellschaftlicher Normierung und gesellschaftlichen Drucks problematisch, wie es das auf Foucault zurückgehende soziologische Erklärungsmodell der Biopolitik erscheinen lässt, sondern entscheidend ist der öffentliche Raum für kritische Diskussionen der normativen Standards. Nach neueren Befragungen verschieben sich die Ziele der Selbstoptimierer von einem olympischen "höher, schneller, weiter" auf innenorientiere Werte und Ziele wie Gesundheit, Selbstbestimmung, Entspannung und Glück.

Normative Mäßstäbe: Glück und Gerechtigkeit

Um die Ziele vermeintlicher Verbesserungshandlungen zu prüfen, bieten sich die beiden grundlegenden normativen Bezugsgrößen der Ethik an: "Glück" (1) und "Gerechtigkeit" (2). Obwohl es nicht immer explizit gemacht wird, ist das Generalziel menschlicher Selbstverbesserungen letzlich das persönliche Glück oder gute Leben. Nur diejenigen Veränderungen können als "Verbesserungen" gelten, die von den Individuen positiv bewertet und erfahren werden. Auf dem gegenwärtigen kommerziell ausgerichteten Selbstoptimierungs-Markt werden viele trügerische Glücksversprechungen gemacht, die kritisch reflektiert werden müssen. So wird etwa in Coaching-Seminaren und Vorträgen von Motivations- oder Persönlichkeitstrainern suggeriert, Freiheit, Erfolg und Glück hingen nur von der eigenen positiven Einstellung ab. Ein naiver Optimismus blendet aber Gefahren und Risiken, kritische Rückmeldungen und unüberwindbare Grenzen aus. So können mit Anti-Aging-Maßnahmen Alterungsprozesse nur verlangsamt und ein fehlendes Bewegungstalent oder ein niedriger IQ durch Training bzw. "Hirndoping" nicht wettgmacht werden. Weit verbreitet sind auch hedonistische Glücksvorstellungen, die seit Aristoteles in der Philosophie heftig kritisiert werden. Ein direkt durch sogenannte Glückspillen induziertes Glück wäre aber nur ein "trügerisches" oder "illusionäres", weil die positiven Gefühle losgelöst von der realen Außenwelt und wertvollen Aktivitäten stattfinden. Kaum jemand würde nach einem Gedankenexperiment von Robert Nozick sein Gehirn an eine "Erlebnismaschine" anschließen lassen, die mittels Reizung der Nervenzellen die Illusion erweckt, man schlösse Freundschaften oder schriebe einen spannenden Roman. Glücksförderlich sind hingegen Selbstoptimierungsprogramme, die zur Selbstentwicklung und Entfaltung der eigenen Fähigkeiten und Talente z.B. durch Potentialanalysen und Bildungsprogramme anleiten. Einen Beitrag zum Glück leisten nur intrinsische, in sich selbst wertvolle Tätigkeiten wie das Erlernen eines Musikinstruments oder Vervollkommnen körperlicher Betätigungsformen, nicht aber ein rein extrsinisches Streben nach "positionalen Gütern" wie Leistungsfähigkeit oder Schönheit, um im Wettbewerb mit Konkurrenten besser abzuschneiden.

Die individualethische Orientierungshilfe der Selbstoptimierung ist aber auch aus einer sozialethischen, moralischen Perspektive kritisch zu betrachten, weil eine Fokussierung auf sein eigenes "Selbst" die Gemeinwohlorientierung schwächen könnte. Optimierungsbestrebungen führen allerdings nicht notwendig zu narzisstischen, egozentrischen Einzelkämpfern und abnehmender Solidarität gegenüber Unperfekten, weil die Rücksichtnahme auf Um- und Mitwelt wie etwa beim Lifestyle der LOHAS ("Lifestyle of Health and Sustainability") genauso gewichtet werden kann wie die persönliche Gesundheit. Der omnipräsente Appell an ein positives Selbstverhältnis, Perfektionierung und Selbstverantwortung dürfte aber gerade bei Unterprivilegierten negative Gefühle des Ungenügens und der Minderwertigkeit verstärken. Denn sie können sich insbesondere teure Enhancement-Technologien z.B. im Bereich der Gentechnik nicht leisten. Dadurch käme es zu einer Verschärfung der Chancenungerechtigkeit und sozialer Ungleichheit insbesondere im Fall drastischer Verbesserungen z.B. des Immunsystems oder der Intelligenz. Der Qualität des menschlichen Zusammenlebens abträglich wäre auch eine weitere Verschärfung des Konkurrenz- und Wettbewerbsdenkens, das zu einem sinnlosen "Wettrüsten" und einem ständigen Anstieg der Ansprüche und Leistungsgrenzen führen würde. Um solche negativen Auswüchse des Selbstoptimierungstrends zu verhindern, braucht es öffentliche Diskussionen über gesellschaftliche Leit- und Zielvorstellungen für verantwortbare Optimierungsbestrebungen und eine regulative moralische und rechtliche Rahmenordnung.

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. das Buch der Trendforscher Mülhausen und Wippermann: Das Zeitalter der Selbstoptimierung, und die Soziologen Balandis u.a., S. 133 und Straub u.a., S. 15.

  2. Vgl. Bröckling, S. 244/Röcke, S. 331/, Becker u.a., S. 5/King u.a., S. 284ff.

  3. Vgl. Meißner, S. 333; 340, Unternährer, S. 208-213, Maßen und Scheller.

  4. Vgl. Savulescu u.a., S. 7.

  5. Vgl. Synofzick, S. 37/Kass u.a., XV/Heilinger, S. 91f..

  6. Vgl. exemplarisch beim Transhumanisten Harris, S. 9; 36.

  7. Vgl. Rawls, S. 111/Buchanan u.a. , S. 168/Savulescu, S. 182ff.

  8. DUDEN, Eintrag „Selbstoptimierung“.

  9. Vgl. King u.a., S. 284f.; 289/Uhlendorf, S. 32 und 46.

  10. Vgl. Gamm, 48f. /Galert u.a., S. 41f.

  11. Vgl. Foucault, S. 165ff.

  12. Vgl. Mühlhausen, S. 4f.

  13. Vgl. Kass u.a., S. 19/Nagel, S. 72/Heilinger, S. 39.

  14. Vgl. Kass u.a., S. 212; 251/Kipke, S. 265f.

  15. Brock, S. 60.

  16. Vgl. Kass u.a., S. 280ff./Gesang, S. 48ff.

  17. Vgl. Brock, S. 60.

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Professor Dr. Dagmar Fenner ist Titularprofessorin für Philosophie an der Universität Basel. Von ihr erschien 2019 der UTB-Band "Selbstoptimierung und Enhancement. Ein ethischer Grundriss".