Dürfen wir unsere Umwelt ganz nach unseren Vorstellungen verändern oder sind unseren Handlungsoptionen und Zielen Grenzen gesetzt? Seit den späten 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ist das eine Frage, die auch die Moralphilosophie bewegt, nicht zuletzt aus dem Wissen heraus, dass sich die Einflusssphäre des menschlichen Tuns durch neues technologisches Wissen immens vergrößert hat und unser Leben – sowohl das der jetzt lebenden Menschen als auch das der folgenden Generationen – beeinflusst. Im 20. Jahrhundert ist dieses biologisch-genetische Wissen theoretischer und praktischer Art noch erweitert worden. Durch die Erkenntnisse der Vererbungslehre, mit dem Wissen um Aufbau und Funktionsmechanismen des zellulär-genetischen Apparates sowie dem neuen entwicklungsbiologischen Wissen (z. B. die Erkenntnisse der evolutionären Entwicklungsgenetik), ist unter anderem die pflanzliche Züchtungspraxis unter Zuhilfenahme der
Ist diese Art der gentechnischen Manipulation der pflanzlichen Um- und Mitwelt aus moralischen Gründen verboten, erlaubt oder vielleicht sogar geboten? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn sowohl die Ziele, die mit Hilfe der grünen Gentechnologie verfolgt werden, als auch deren Auswirkungen auf die Umwelt sind sehr verschieden: Züchterische Zwecke erstrecken sich von der Produktion von Impfstoffen durch pflanzliche Organismen – ein Ziel, das methodisch der Produktion von Humaninsulin durch Mikroorganismen ähnelt –, über die Versorgung mit Vitaminen in Regionen, in denen Vitaminunterversorgung herrscht (z.B. Goldener Reis) bis hin zur Abwehr von Pflanzenschädlingen, die die Ernte bedrohen (z.B. Bt-Mais). Um eine umfassende moralphilosophische Einschätzung der grünen Gentechnik vorlegen zu können, müsste man auch beurteilen, ob die jeweilig anvisierten Ziele solche sind, die moralisch zu befürworten sind, und ob die Wahl der grünen Gentechnik als Züchtungsmethode gut gerechtfertigt werden kann, um ein positiv ausgewiesenes Ziel zu erreichen. Die Frage der Beurteilung der grünen Gentechnik scheint also eine zu sein, die in allgemeine moralische Überlegungen die
Es gibt allerdings zwei Argumentationslinien, denen gemäß die grüne Gentechnik als solche negativ beurteilt werden könnte. Das wäre zum einen diejenige, die unter Rekurs auf Natürlichkeitsüberlegungen geführt wird, zum anderen eine, die über genuin pflanzenethische Überlegungen geführt wird. Erstere Überlegungen sind in der öffentlichen Debatte unterschwellig (oder auch offensichtlich) häufig anzutreffen, letztere finden sich eher begrenzt, vornehmlich im akademischen Bereich. Beide Argumentationslinien weisen allerdings erhebliche Schwierigkeiten auf. Im Folgenden werden beide Blickwinkel dargestellt und es wird aufgezeigt, warum sie als problematisch anzusehen sind.
Natürlichkeitsargumente
Gegen die grüne Gentechnik wird häufig ins Feld geführt, dass ihre Produkte, die gentechnisch veränderten Pflanzen, unnatürlich sind. Eine Unnatürlichkeit wird zugeschrieben, weil natürliche Art-, Gattungs- oder Domänengrenzen überschritten werden. Durch gentechnische Maßnahmen können nämlich Gene, die typisch in einer Art vorkommen, in das Genom einer anderen Art übertragen werden. Im Bereich der Mikroorganismen oder auch in der Makrosphäre können zwar auch artfremde Gene über einen sogenannten horizontalen Gentransfer ohne Eingriff des Menschen in artfremde Organismen gelangen, aber die Überschreitung der Art- oder Gattungsgrenze durch das vom Menschen geplante und zielgerichtete Einbringen genetischen Materials wird als unnatürlich(er) qualifiziert, weil Reproduktionslinien bezogen auf Lebewesen unseres alltäglichen Umgangs gewöhnlich innerhalb von Artgrenzen vorgefunden werden. Etwas als unnatürlich zu qualifizieren geht dann meist damit einher, dass das Unnatürliche auch als etwas Abzulehnendes angesehen wird. Es ist allerdings erstens zu beachten, dass es im Kontext der Züchtung nur um einen Grad von Natürlichkeit respektive Unnatürlichkeit gehen kann. Zweitens sieht sich die allgemeine Bevorzugung von Natürlichem gegenüber dem Unnatürlichen vor Rechtfertigungsprobleme gestellt.
Etwas, das als natürlich qualifiziert wird, wird also häufig dem vorgezogen, was demgegenüber unnatürlich erscheint. In Bezug auf den Gegenstand der züchterischen Tätigkeit sind allerdings sowohl die Pflanzen der konventionellen Züchtung als auch die, die mit Hilfe der grünen Gentechnik gezüchtet wurden, durch die züchterische Praxis des Menschen hergestellt. Sie sind als Biofakte
Hier könnte man einwenden, dass vielleicht Natürlichkeit nicht im Allgemeinen vorziehenswert sei, dass aber etwas, was mit dem Natürlichen in Verbindung steht, als Maßstab dienen kann, über den dem Handlungsspielraum züchterischer Vorhaben Grenzen gesetzt werden sollte. Es gilt zu überlegen, wie diese Grenzziehung zu begründen wäre. Natürlichkeit allein scheint als Maßstab nicht ausreichend zu sein. Es muss noch etwas anderes hinzutreten, das für den Bereich des pflanzenzüchterischen Handelns relevant ist; etwas, das eine Begrenzung unseres züchterischen Handelns gebietet. Dieser begrenzende Faktor könnte im Objekt selbst begründet liegen, das züchterisch verändert werden soll: in der Pflanze.
Pflanzenethische Argumente
Eine moralische Berücksichtigung um der Pflanze selbst willen ist eine eher ungewöhnliche Betrachtungsweise. Wenn Lebewesen moralisch berücksichtigt werden sollen, dann wird das üblicherweise an Merkmalen festgemacht, die gerade Pflanzen nicht aufweisen: z. B. in der utilitaristischen Tradition an der Eigenschaft, leidensfähig zu sein, in einer kantianischen Tradition an der Fähigkeit, vernunftfähig zu sein. Da Pflanzen diese Eigenschaften nicht haben, scheinen sie zunächst moralisch außen vor zu stehen.
Es wird aber auch diskutiert, dass man moralische Berücksichtigung daran knüpfen sollte, dass Entitäten über ein Wohl verfügen.
So wird mit Verweis auf die Würde häufig der Bereich des Argumentativen verlassen, weil damit ein "conversation stopper" ins Spiel gebracht wird, ein Hinweis,der den natürlichen Gesprächsfluss unterbricht, "der jeden Widerspruch als Tabubruch erscheinen lässt."
Aufgrund der skizzierten Probleme ist eine negative ethische Beurteilung der grünen Gentechnik selbst – auf der Basis von Natürlichkeitsargumenten bzw. genuin pflanzenethischer Argumente – schlecht zu rechtfertigen. Was zu überlegen bleibt ist, ob es gute Gründe gibt, Züchtungen mit Hilfe der grünen Gentechnik vorzunehmen. Dies scheint bei einigen anvisierten Zielen (z. B. Produktion von Impfstoffen) eher der Fall zu sein als bei anderen (z.B. Schutz vor Pflanzenschädlingen). Hier gilt es, in den einzelnen Fällen Vor- und Nachteile (Chancen und Risiken) des jeweiligen Vorhabens auszuloten. Das heißt aber, dass nicht per se eine moralische Beurteilung für oder gegen Züchtungsvorhaben mit Hilfe grüner Gentechnologie erfolgt, sondern jedes einzelne Vorhaben betrachtet werden muss. Im Blick sollte man bei dieser Beurteilung allerdings nicht nur die auf den Menschen bezogene Vor- und Nachteile behalten, sondern auch allgemeine umweltethische Überlegungen mit einbeziehen.