Anthropozän
Seit dem Jahr 2000 zunächst von Naturwissenschaftlern diskutiert, beschreibt der Begriff „Anthropozän“ [anthropos = Mensch; kainos = neu] einen neuen geologischen Zeitabschnitt, der auf das Holozän folgen könnte und unsere Gegenwart umfasst. Der moderne Mensch gilt durch seine technischen Innovationen und deren mittel- und langfristige Auswirkungen auf Umwelt und Klima als eine planetarische Kraft, deren radikale Veränderungswirkung auf das System Erde mit der letzten Eiszeit vergleichbar ist. Die These, dass die menschliche Kultur die geologische Struktur des Planeten auf Jahrtausende irreversibel prägt, stellt eine Reihe zentraler westlicher Begriffe, Verhältnisse und Disziplinen in Frage – insbesondere die traditionelle Trennung von Natur und Kultur: „Erdsystem“ gegenüber „Weltsystem“. Daher wird das Anthropozän auch in den Geisteswissenschaften und den Künsten diskutiert, wobei eine transdisziplinäre Öffnung hin zu naturwissenschaftlichen Themen zu beobachten ist und die vielschichtige Problematik von Fortschritt, Ausbeutung und die Zukunft des Planeten deutlich wird.
Die geologischen Zeitabschnitte der Erdgeschichte werden in komplizierten Verfahren von der Internationalen Kommission für Stratigraphie (London) festgelegt und erfordern einen absolut belegbaren Beweis bleibender Veränderungen in der Geologie unseres Planeten. Die offizielle Entscheidung, ob das Anthropozän tatsächlich das Holozän ablöst, steht noch aus. (Anmerkung der Redaktion, April 2024: Der Begriff Anthropozän als neue Epoche wurde Externer Link: abgelehnt.) Bis dahin bleibt auch umstritten, welches historische Ereignis den Beginn des Anthropozäns markiert. Die am stärksten diskutierten, geologisch registrierten Einflüsse reichen derzeit von der gewaltsamen europäischen Kolonisierung des nordamerikanischen Kontinents im 15./16. Jahrhundert über die Industrialisierung mit der Erfindung der Dampfmaschine und dem mit ihr einsetzenden Gebrauch fossiler Brennstoffe im 18. Jahrhundert zu der nicht revidierbaren Kontamination der Erde mit Radionukliden durch die frühen Atombombentests Mitte des 20. Jahrhunderts.
Das Ausmaß Mensch gemachter Umwelteinflüsse zeigt sich in vielerlei Aspekten. Es lässt sich zum Beispiel an den extrem überhöhten Kohlendioxid- und Methanwerten in der Atmosphäre und den Meeren messen sowie am Stickstoff und Phosphor in den Böden. Bereits im Februar 2016 überschritten die Durchschnittstemperaturen in der Arktis zum ersten Mal die im November 2015 auf dem COP21, dem Klimagipfel in Paris, erneut beschlossene Obergrenze von zusätzlichen zwei Grad Celsius. Wissenschaftler beobachten mit großer Besorgnis wie das Eis an den Polen mit sehr viel größerer Geschwindigkeit schmilzt als in allen Prognosen. In den nicht von eisbedeckten Regionen hat sich der Anteil echter Wildnis unter ein Viertel reduziert. Demgegenüber nimmt die Verstädterung weiterhin rasant zu. Allein in den letzten 25 Jahren wurde mehr Beton verbraucht als jemals zuvor. Bei einem exponentiellen Bevölkerungswachstum macht die Biomasse des Menschen und der von ihm domestizierten Tiere heute 90% der lebenden Säugetiere aus; 40% der Landmasse werden zur Produktion von Lebensmitteln verwendet. Auch hat sich in weniger als einhundert Jahren bereits genug Plastikmüll angehäuft, um damit die gesamte Erde zu bedecken. Diese Faktoren bringen das natürliche Gleichgewicht der Erde in eine Krise. Dazu gehört auch eine 100-fach erhöhte Aussterberate bei Tier- und Pflanzenarten (s. Artensterben). Selbst wenn das Anthropozän schließlich nicht als eine erdgeschichtliche Epoche ausgerufen werden sollte, stellt das Konzept in jedem Fall eine ethische Herausforderung dar: Es geht um einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Erde und die Erkenntnis, dass sie nicht zum einseitigen Konsum durch den Menschen existiert, sondern der Mensch vielmehr nur ein Teil ihrer komplexen dynamischen Umwelt ist.
Artensterben
In der Evolution der Arten ist das Aussterben von genetisch singulären Stämmen im Prinzip ein natürlicher Vorgang. Allerdings ist die „Hintergrund-Aussterberate“ mit circa zwei aus 10.000 Arten pro einhundert Jahre über einen langen Zeitraum relativ konstant. Gleichzeitig entstehen dabei meist neue evolutive Arten. Davon zu unterscheiden ist die Ausrottung von Arten durch den Menschen: entweder direkt durch intensive oder monokulturelle Landwirtschaft, Überfischung der Meere und illegalen Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten oder indirekt durch die Zerstörung natürlicher Lebensräume durch Entwaldung und Bodenerosionen, Übersäuerung von Seen und Ozeanen, aber auch atmosphärische Temperatur- und Wetterveränderungen verursacht durch den anthropogenen Klimawandel.
Bioengineering
Anfang April 2016 veröffentlichte eine Gruppe von Wissenschaftlern in der Zeitschrift Nature Microbiology ein neu berechnetes Bild vom sogenannten Baum des Lebens – ein Baumdiagramm von den evolutionären Verbindungen zwischen allen bekannten natürlichen Lebewesen. Allerdings entstehen schon seit es die Tierzucht gibt nicht alle Arten unabhängig vom Menschen. Beim Bioengineering werden Prinzipien der Ingenieurswissenschaft auf organisches Gewebe, Zellen und Moleküle angewendet. Organismen können also technisch verändert werden, zum Beispiel indem man beim sog. Gene Editing bestimmte Gene in einer DNA-Sequenz „an- oder ausknipst“. Obwohl es bereits lebende Tiere gibt, die durch solche Prozesse hergestellt wurden, werden sie im Baum des Lebens nicht abgebildet. Auch Naturkundemuseen widmen sich in ihren Ausstellungen nur im Sonderthemenbereich solchen ungewöhnlichen Lebewesen, denn das Bioengineering stellt unser traditionelles Verständnis von Natur versus Kultur grundsätzlich in Frage.
Degrowth / Wachstumsrücknahme
Der Kapitalismus stützt sich auf Fortschritt und ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum. Im Anthropozän stellt die globale Wirtschaft den stärksten Faktor für Veränderungen im Erdsystem dar. Um den mitunter negativen ökologischen Folgen entgegenzukommen, wird im Kontext der Degrowth-Bewegung über Möglichkeiten nachgedacht das Konsum- und Produktwachstum zu entschleunigen bzw. zu begrenzen und dadurch Ressourcen zu schonen und der überlasteten Umwelt zu erlauben sich zu regenerieren. Historisch geht dieser kritische Ansatz auf die 1972 vom Club of Rome veröffentlichte Studie Die Grenzen des Wachstums zurück. Sie warnte vor einem bevorstehenden Zusammenbruch der Weltwirtschaft als Folge des exponentiellen Bevölkerungsanstiegs und der unbegrenzten Ausbeutung der Umwelt und natürlicher Rohstoffe. Der Diskurs um das Ende des globalen Ölfördermaximums (Peak Oil) seit den frühen 2000ern und die zeitgenössischen Debatten um Nachhaltigkeit, Konsistenzrevolution und das Anthropozän intensivieren diese Fragestellungen.
Geoengineering
Großflächige für Mensch, Tier- und Pflanzenwelt verheerende Waldbrände, wie zum Beispiel im Herbst 2015 in Indonesien und Malaysia, lassen sich kaum unter Kontrolle bringen. Unter enorm schädlicher Rauchentwicklung werden gigantische natürliche Lebensräume unwiederbringlich zerstört. Ein Versuch solche Brände dennoch einzudämmen, besteht in einem Verfahren des künstlichen Regenmachens. Aus Flugzeugen werden Silberpartikel in die Wolken geschleudert, welche einen Kondensationsprozess und dadurch Niederschläge einleiten können. Diese Technik ist ein Beispiel aus dem umstrittenen Gebiet des sogenannten Geoengineering oder Climate Engineering: mit technischen Mitteln wird in die bio- oder geochemischen Kreisläufe des Klimasystems der Erde eingegriffen, um schädliche Veränderungen zu stoppen bzw. günstigere Verhältnisse künstlich einzuläuten. (S. Erdsystem)
Golden Spike
Die geologischen – oder genauer: chronostratigraphischen – Einheiten der Erdgeschichte werden anhand präziser Untersuchungen von Sedimentgesteinen und Fossilien ermittelt (s. Stratigraphie / Quartär). Für jeden der historischen Intervalle auf der geologischen Zeitskala legt die International Commission on Stratigraphy einen typischen geologischen Aufschluss fest, oft mit Leitfossilien als Referenzprofil. Die früheste Schicht eines solchen geologischen Zeitprofils wird mithilfe eines „goldenen Nagels“, dem Golden Spike, eindeutig markiert. Die Markierung für das Holozän befindet sich im arktischen Eis von Nord-Grönland. An welchem geografischen Ort und in welcher geologischen Tiefe die Erdkruste unter Umständen bald mit dem Beginn des Anthropozäns markiert wird, bleibt abzuwarten.
Green New Deal
Um der Rezession und Wirtschaftskrise der späten 1920er Jahre etwas entgegenzusetzen, initiierten die Vereinigten Staaten unter Präsident Franklin D. Roosevelt im Rahmen der sogenannten New-Deal-Politik einst einige bahnbrechende Wirtschafts-, Sozial- und Rechtsreformen. Seit der Finanzkrise von 2007/8 wird in manchen Kreisen zunehmend von einem sogenannten Green New Deal gesprochen — einer ökologischen Wende des Kapitalismus. Ob es bei der Entwicklung umweltschonender Technologien und klimaneutraler Energieversorgungsmöglichkeiten jedoch tatsächlich um eine neue (und zum Erfolg führende) Form der ökologischen Ökonomie geht oder lediglich um die kurzfristige Spekulation mit neuen Märkten, bleibt umstritten.
Große Beschleunigung (Great Acceleration)
Im Jahr 2015 veröffentlichte das vom internationalen Wissenschaftsrat in Paris geförderte Forschungsprogramm The International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP) 24 Graphen, welche über einen Zeitraum von 1750 bis 2000 jeweils 12 sozio-ökonomische Entwicklungen zeigten sowie 12 Veränderungen im planetaren Erdsystem. Das herausragende Merkmal aller Graphen ist eine zumeist ab 1950 steil ansteigende Exponentialkurve, welche den Begriff der Großen Beschleunigung geprägt hat. Diese „große Beschleunigung“ verstehen viele Forscher auch als die Schwelle ins Anthropozän, weil sich insbesondere seit ihrem Einsetzen das Erdsystem durch menschlich verursachte Einflüsse gravierend verändert hat – und zwar auf eine Weise, die sich von den Dynamiken des Holozäns klar unterscheidet. Hierzu gehören auf den Menschen zurückführbare Aspekte wie Umweltverschmutzung, Urbanisierung, Ressourcen- und Energieverbrauch, Kommunikationsnetzwerke, Phosphor-/Stickstoffkreisläufe usw.
Holozän
Das Holozän bezeichnet einen erdgeschichtlichen Zeitabschnitt, der knapp 12.000 Jahre zurückreicht und aktuell vom Anthropozän abgelöst werden könnte. Das Holozän wurde 1885 auf dem 3. Geologischen Kongress in London festgelegt. Mit altgriechischer Wurzel bedeutet der Begriff „das völlig Neue“ und neu waren am Ende der letzten Kaltzeit tatsächlich die scharfen Temperaturanstiege. Im Diskurs um die Anthropozän-These und die planetaren Veränderungen durch den Menschen wird manchmal mit dem Beginn der menschlichen Sesshaftigkeit und Landwirtschaft argumentiert, Entwicklungen, die 10.000 Jahre zurückreichen und somit ins Holozän gerechnet werden.
Konsistenzrevolution
Im Anthropozän stellt die globale Wirtschaft den stärksten Faktor für Veränderungen im Erdsystem dar. Der Begriff der Konsistenzrevolution empfiehlt eine tiefgreifende Umstellung ökonomischer Prozesse nach den Regeln der Nachhaltigkeit. Indem auf nachwachsende Rohstoffe, regenerative Energien, Material-Recycling und Naturstoffwechsel gesetzt wird, soll nicht nur die Waren- und Energieproduktion in die natürlichen biochemischen Kreisläufe der Natur eingepasst werden, sondern auch alle produktionsrelevanten Infrastrukturen und Dienstleistungen (wie Transport oder Kommunikation). Beispiele für die Suche nach umweltschonenden Strategien sind die Umstellung von fossilen und atomaren Brennstoffquellen auf Solar- oder Windenergie bzw. auch die sogenannten Zero-Carbon- oder Fair-Trade-Kampagnen verschiedener internationaler Unternehmen. Im Hinblick auf den langfristigen Erfolg solcher „grüner“ Marktstrategien (s. Green New Deal), sei jedoch an die Warnung der Degrowth-Bewegung erinnert, dass Wirtschaftswachstum nur solange möglich ist, wie sich die „natürlichen Lebensmedien“ und Ökosysteme auch tatsächlich regenerieren können. Ideen zu einer Konsistenzrevolution werden somit von Volkswirtschaftlern selten ohne die Komplimentärbegriffe Effizienzrevolution, Suffizienzverhalten und Selbstverantwortung/-organisation angeführt. Im 21. Jahrhundert bleibt es auch trotz der Vielzahl innovativer Projekte eine enorme Herausforderung, die komplexen und dringenden ökologischen Probleme des Anthropozäns nachhaltig, weitreichend und egalitär zu lösen.
Massenaussterben
Mit Massenaussterben bezeichnet man breite Aussterbeprozesse, die anstatt über mehrere Millionen Jahre innerhalb weniger tausend Jahre geschehen, wie zuletzt Ende in der Kreidezeit vor 65 Mio. Jahren als die Dinosaurier ausstarben. Heute warnen Wissenschaftler vor einem neuen Massenaussterben, denn über die letzten 300 bis 400 Jahre haben sich die Aussterberaten von Tier- und Pflanzenarten um das 100- bis 1000-fache erhöht. Allein seit 1900 sind 477 Wirbeltierarten verschwunden. Über 40% der Reptilien- und Amphibienarten und 17% der Vogelarten gelten als bedroht, wobei sich die Zahl der Feldvogelarten in Europa aufgrund der industriellen Landwirtschaft seit 1980 bereits um 50% reduziert hat. Dementsprechend hat sich laut einer Studie des WWF auch die Zahl der wilden Tiere in den letzten 40 Jahren halbiert: fatal für majestätische Arten wie Elefanten, Rhinozerosse, Orang-Utans und Tiger. Aber Ökosysteme bilden komplexe ökologische Ketten und Unterbrechungen sind mit schweren Folgen auch für die weniger spektakulären Arten verbunden wie Aasgeier und Mistkäfer. Da auch der Mensch von diesen Ketten abhängt und ein reduzierter Genpool zum Beispiel eine verringerte Abwehr gegen Epidemien aller Art bedeuten kann, forderte der amerikanische Evolutionsbiologe und Umweltschützer E.O. Wilson in einem Artikel kürzlich provokant, nicht weniger als die Hälfte der Erde müsse als Lebensraum zur Regeneration der Artenvielfalt bereitgestellt werden.
Planetary Stewardship
Die ethische Herausforderung der Anthropozän-These fordert ein Umdenken beim menschlichen Umgang mit der Erde. Es geht somit um die Erkenntnis, dass der Planet auf dem wir leben, nicht zum einseitigen Konsum durch den Menschen existiert, sondern der Mensch vielmehr nur ein Teil seiner komplexen dynamischen Umwelt ist und fürsorgliche Verantwortung übernehmen muss. Die in dem Begriff des sogenannten Planetary Stewardship enthaltene Empfehlung geht allerdings noch ein Stück weiter. Prominente Geowissenschaftler wie Will Steffen und Jan Zalasiewicz folgern aus der These von der menschlichen Einflusskraft auf das planetare Erdsystem nämlich die Aufgabe, aktiv Strategien zu entwickeln, die das Leben des Menschen auf der Erde begünstigen, anstatt mittelfristig zu bedrohen. Sie schreiben: „Auf globaler Ebene fordert dieses Paradigma die Menschheit dazu auf, aktive Stewards des Systems zu werden, das unsere Existenz gewährleistet. Wir sind die erste Generation, die weiß wie unsere Handlungen das Erdsystem beeinflussen und damit auch die erste Generation mit der Fähigkeit und Verantwortung, unseren Umgang mit dem Planeten zu verändern.“
Quartär
Das Quartär ist eine Bezeichnung für einen erdgeschichtlichen Zeitabschnitt. Es umfasst die letzten 2,6 Mio. Jahre und beinhaltet das Pleistozän sowie das Holozän. Auch die Evolutionsgeschichte des Menschen (Homo sapiens) fällt in den Abschnitt des Quartärs. Ebenso wie das Alter der Erde von ihrem Ursprung vor unvorstellbar vielen Jahrmillionen bis in die Gegenwart, wurden auch die Existenz und Dauer des Quartärs durch Methoden aus der historischen Geologie bestimmt. Mithilfe der Stratigraphie und Geochronologie werden Sedimentgesteine datiert und die Erdgeschichte in längere und kürzere Zeitabschnitte auf einer Geologischen Zeitskala unterteilt. Diese Tabelle ist in Zeitalter, Perioden, Epochen, Systeme, Serien, Stufen und allerlei weitere Kategorien unterteilt und wird von der International Commission on Stratigraphy verwaltet – der Londoner Institution, die gegenwärtig auch die wissenschaftliche Bestimmung des Anthropozäns überwacht. Je nach dem, von welcher Tabellen-Dimension aus betrachtet, befindet sich unsere Gegenwart im Holozän (ca. 12.000 Jahre), Quartär (ca. 2,6 Mio. Jahre), Känozoikum (66 Ma. Jahre) oder Phanerozoikum (541 Ma. Jahre). Sollte das Anthropozän demnächst offiziell anerkannt werden, würde es eine dritte Unterkategorie innerhalb des Quartärs bilden.
Stratigraphie (Schichtenkunde)
Die Stratigraphie oder Schichtenkunde ist eine geologische Teildisziplin, die sich mit der Datierung von Gesteinsschichten beschäftigt, besonders mit den sogenannten Sedimentgesteinen, die oft auch Fossilen enthalten. Organische und anorganische Analysen von Gesteinen geben Aufschluss über das relative Alter solcher Schichten und somit über die Erdgeschichte. Dies macht die Stratigraphie zur Grundlage für die historische Geologie. Um die Anthropozän-These wissenschaftlich zu bestätigen, suchen Geologen und Stratigraphen seit mehreren Jahren nach eindeutig im Erdgestein nachweisbaren Veränderungen, die sich auf menschliches Handeln zurückführen lassen. Bei dieser Suche geht es zunächst einmal um die grundsätzliche Frage, ob man geologisch tatsächlich vom Anthropozän sprechen kann – und wenn ja, welches kulturelle Ereignis den Beginn eines solchen Zeitabschnitts markiert und somit das Ende des Holozäns bedeutet.
System Erde / Erdsystem
Der Begriff System Erde bezeichnet die natürlichen, ökologischen Kreisläufe auf dem Land, im Wasser und der Atmosphäre mit ihren gegenseitigen Abhängigkeiten. Im Kontext der Anthropozän-These geht es aber vor allem um die Gefährdung dieser Prozesse durch den Menschen (s. Große Beschleunigung). Die Landbiosphäre zum Beispiel wurde durch überdüngte Böden, zerstörte Wälder oder eine wachsende Urbanisierung bereits maßgeblich verändert. In den Ozeanen gefährden auf den Menschen zurückführbare Faktoren wie Überfischung, Versauerung und riesige Mengen von Plastikmüll die natürlichen biochemischen Prozesse. Zudem führen Partikelverschmutzung und Treibhausgasemissionen zu gravierenden Veränderungen in der Atmosphäre, was wiederum Einfluss auf das Erdklima hat.
Weil ein irreversibel aus dem Gleichgewicht gebrachtes Erdsystem letztlich auch die Zukunft des Menschen auf diesem Planeten gefährdet, hat eine internationale Naturwissenschaftlerkommission vor ein paar Jahren neun sogenannte planetare Belastungsgrenzen definiert. Dies sind zunächst neun für das Erdsystem konstitutive Dimensionen sowie deren Grenzwerte im Hinblick auf die Existenzfähigkeit menschlichen Lebens. Obwohl diese Belastungsgrenzen also auf keinen Fall verletzt werden sollten, gelten schon heute vier der neun Bereiche als kritisch überlastet. Dazu zählen die Bedrohung der genetischen Vielfalt (Biodiversitätsverlust) durch Ausrottung vieler Tier- und Pflanzenarten sowie der extrem erhöhte CO2-Gehalt in der Atmosphäre, welcher einen weltweiten Temperaturanstieg verursacht und damit verbundene Risiken beschleunigt wie Stürme, Dürren, Polschmelzen und Waldbrände. Die menschliche Landnutzung stellt ein drittes Problem dar, denn Agrarindustrie, Verstädterung, Verkehrswesen und andere räumliche Ausbreitungsformen nehmen seit der Industrialisierung mehr und mehr Landmasse für sich in Anspruch. Dies vermindert den Lebensraum für andere Lebewesen und wirkt sich zudem auf den lokalen Wasserhaushalt, das Klima und die Bodenqualität aus – hat also weitreichende Konsequenzen. Damit verbunden ist schließlich auch die vierte bereits verletzte planetare Belastungsgrenze: unwiderrufliche Eingriffe in das globale Gleichgewicht von Phosphor- und Stickstoff. Beide Stoffe existieren in der Umwelt in natürlichen biochemischen Kreisläufen, aufgrund ihrer hohen Relevanz für die Düngemittelproduktion hat der Mensch diese Kreisläufe jedoch intensiv manipuliert und aus ihren Bahnen gebracht. Zu den kritischen Folgen gehören Bodendegradation und die Übersäuerung der Meere. Die planetaren Belastungsgrenzen verdeutlichen die gegenseitigen Abhängigkeiten der Kreisläufe im Erdsystem. Mit Blick auf die Zukunft liegt die große Herausforderung unserer Gegenwart in der dringenden Entwicklung neuer, weniger schädlicher Umgangsformen mit diesem System.
Technosphäre
Die Bezeichnung Anthropozän ist besonders in den Geisteswissenschaften umstritten. Ein häufig genannter Kritikpunkt ist die in dem Wortstamm anthropos (Mensch) angelegte Vorstellung von der Menschheit als einer universal agierenden Kraft, wenn doch kaum alle Menschen in allen Erdregionen gleichermaßen für die gegenwärtigen Umweltschäden verantwortlich seien. Viele Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen haben Alternativkonzepte vorgeschlagen, mit denen man die Gegenwart aus verwandter, aber womöglich differenzierterer Perspektive betrachten kann. Technosphäre ist ein Begriff aus diesem kritischen Umfeld und beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern der moderne Mensch dem Globus eine „technisch-materielle Sphäre“ hinzugefügt hat, die sich aus Elementen wie Straßennetzen, Unterseekabeln, Datenströmen, Satelliten, elektronischen Wellen, Tagebau und Elektroschrotthalden zusammensetzt. Anstatt auf die Menschheit im Allgemeinen, fokussiert dieser Begriff die Präsenz und Wirkung technischer Systeme, die Mobilisierung von Materialien, Daten und Lebewesen sowie das Verhältnis von Natur, Wissenschaft und Technik.